Vom Fachmann für Kenner
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Die Auferstehung
Zu Ostern wurde unsere Freundschaft mit Familie Ringel auf eine harte Probe gestellt. Schuld waren die Tiere - Ringels haben ein Zwergkaninchen (Gebhard), wir einen Riesenschnauzer (Schnalle). Am Ostersonnabend, Ringels verbrachten ein paar wunderschöne Tage in Bitterfeld, sahen wir zu unserem nicht geringen Erschrecken, wie Schnalle mit Gebhard lustig über den Rasen tollte. Immer aufs neue warf der Riesenschnauzer das Zwergkaninchen in die Luft, um es mit seinen Reißzähnen wieder aufzufangen. Gebhard sah den Umständen entsprechend gar nicht gut aus und war außerdem gründlich tot. Meine Frau machte einen fast noch hinfälligeren Eindruck als Gebhard: War das das Ende von über drei Jahrzehnten gutgartennachbarschaftlichen Beziehungen? Das durften wir nicht zulassen.
Wir wuschen den Kadaver mit Shampoo, was ihn gleich viel revitalisierter aussehen ließ. Nach ein paar weiteren Verschönerungsmaßnahmen deutete nichts an der Leiche mehr auf einen Unfall hin. Obwohl im Vertuschen von Morden noch ungeübt, versäumten wir zudem nicht, unsere Fingerabdrücke von der Shampoo-Flasche zu wischen. In der folgenden, zum Glück mondlosen Nacht brachte ich Gebhard im Kofferraum unseres alten Reisekoffers auf Ringels Grundstück. Ich legte ihn in seinen Stall. Alles schien ganz natürlich, so, als habe es Gevatter Hein gefallen, eben mal mit knöcherner Hand an diese Hasenstalltür zu klopfen.
Am Ostermontag kam Ringels Hilde angelaufen: "Stellt euch vor", stammelte sie, "Gebhard liegt wieder in seinem Stall. Er war vor Ostern gestorben, wir hatten ihn gleich neben dem Loch im Gartenzaun begraben."

Eberhard Franke


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