Inside TITANIC (25)
Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Moritz Hürtgen über neoliberale Satire.
Wenn mich jemand fragt, was ich beruflich mache, antworte ich entweder "Lokaljournalismus!" oder, wenn ich Lust auf eine Unterhaltung habe, wahrheitsgemäß mit: "Ich arbeite bei TITANIC." Und dann will mein Gegenüber meist wissen, "wie das so ist". Und dann schildere ich unsere kleine Frankfurter Paradiesinsel mitten in der von Sparzwängen und Ausbeutung verfinsterten Medienwelt: Flexible Arbeitszeiten inkl. lang Ausschlafen, okayer Bezahlung, absoluter Unabhängigkeit von Anzeigenkunden, voller Autonomie der Redaktion, Bierkühlschrank und natürlich der liebenswerten Kolleg/innen, die alle so tolle Dinge schreiben, zeichnen und gestalten. Wenn noch weiteres Interesse an meiner Arbeit besteht, schwärme ich weiter: Die konsequente interne (Blattkritik) und externe (Leserbriefe) Qualitätskontrolle, das ständige sich Messen an den Vorgänger/innen in der Redaktion, der Druck, sich abzusetzen von ihnen und von anderen Satireportalen, das Streben nach dem Endgültigen, die Notwendigkeit, mindestens drei beschissene Social-Media-Plattformen zu bespielen, die Korrumpierung des eigenen Privatlebens, wenn man abends um elf noch superwichtige Einfälle hat oder man per Mail erinnert wird, dass man unbedingt noch einen Kampagnentext für irgendeinen Unfug schreiben sollte – – –
Es stimmt: Bei TITANIC arbeiten ein Dutzend Leute im Paradies, jedoch: es liegt auch im Schweinesystem, das uns alle kaputtmacht. Ist unser Bierkühlschrank am Ende die Entsprechung zur Matcha-Lounge im Google-Office? Gewiss nicht – aber es ist halt mein Beruf, zu überspitzen.