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Inside TITANIC (28)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Redakteurin Paula Irmschler über das geheime richtige Leben der Kollegen und wie das die Kreativität befruchtet.

Von dem was die Redaktionsmitglieder im Büro und daneben machen, haben wir in den vergangenen Folgen ja schon genug "gehört". Was viele jedoch nicht wissen: Es sind gar nicht immer alle da. Einige kommen nur sehr selten "mal kurz rein", auf manche wartet man ewig und von anderen kann man die "Fresse nun echt nicht mehr sehen" (anonymer Brief aus dem Kummerkasten).

Also, was passiert, bevor alle im Geschäft eintrudeln, was bringen sie mit, wo gehen sie nachher hin? Haben Sie noch weitere Jobs oder gar ein richtiges Leben? Was passiert "outside TITANIC"?

Es ist zum Beispiel so, dass die meisten TITANIC-Mitarbeiter nicht mal in Frankfurt oder gar in Deutschland wohnen. Ella Carina Werner verbringt den Großteil des Jahres auf einer Mallorca-Finca mit ihrer Frau und einigen Hunden. Ein paar Tage im Jahr kommt sie mit dem Privatflugzeug in die Redaktion "reingejettet" und bringt allerlei spanische Köstlichkeiten vorbei. Dann müssen wir erzählen, was wir wieder Verrücktes vorhaben und sie lacht über uns einfache Holzköpfe und sagt dann an, was wirklich Themen von Welt sind. Toll.

Martina Werner führt auch ein gutes Leben. Neben ihrer Layouttätigkeit, die sie "zum Abschalten" macht, führt sie eine erfolgreiche Whisky-Bar in Hamburg-Nord. Dort lässt sie schon lange nur noch für sich arbeiten und sich das Trinkgeld der Mitarbeiter schicken, um es direkt in die Kaffeekasse bei TITANIC zu werfen. Lieb!

Torsten Gaitzsch bringt von seinem Nebenjob das Intellektuelle mit. Er doziert als Professor an der Uni Gießen über "Primitive Witztechniken" und "Pferde" und verheimlicht dort seine Tätigkeiten beim Frankfurter Satiremagazin. Ein Hobby, das ihm mittlerweile Geld und Probleme bringt, ist das Fangen und Verkaufen von Wildvögeln an seiner Pendelwohnung in Sachsenhausen. Ein Verfahren läuft. Komische Gestalten besuchen uns neuerdings an der Redaktion und wollen Gaitzsch dringend sprechen. Er kommt schon länger nicht mehr.

Fabian Lichter und Moritz Hürtgen sind richtige Frankfurter und leben gemeinsam in einem linksradikalen Wohnprojekt in Offenbach. VoKü, Plena und Co-Parenting, das ist ihre Welt. Und das spürt man auch in den Konferenzen. "Mehr Haltung" fordern sie immer wieder im Einklang, diskutieren aber auch viel untereinander über Materialismus und Identitätspolitik, schneiden Artikel aus Zeitungen aus, die sie sich gegenseitig auf den Schreibtisch legen. Schade, aber auch ziemlich süß. Dauernd müssen sie auf irgendwelche Demos und tippen konspirative Nachrichten über den Messengerservice "Signal". Wenn sie erstmal in unser Alter kommen, werden sie schon sehen, wie schwer das mit der Weltrettung ist, aber auch wir brauchen die verrückten jungen Leute, warum nicht.

Über die anderen Redaktionsmitglieder werde ich irgendwann in einem zweiten Teil berichten, die muss ich erstmal auf einen gemeinsamen Kaffee "erwischen". Aber ich ahne da schon einiges … Stichwort Aktien (Hardy Burmeier), Hochzeitsband (Leo Riegel), Bauernhof in der Eiffel (Tom Hintner) und so weiter (Drogensucht). Ich selbst hingegen lebe nur für TITANIC und bin immer da.

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Irgendwo in Gütersloh

Liebe Leser*innen,

TITANIC-Boss Moritz Hürtgen zwitscherte es gestern auf den Punkt: "Wie unsere Leserschaft wüsste auch ich gerne, wie es vor Ort aussieht – aber als Chefredakteur kann ich es aktuell nicht verantworten, einen meiner Reporter ins völlig zerstörte Stuttgart zu schicken." Auch das Satiregeschäft, das macht Hürtgen hier deutlich, ist ein immerwährendes Austarieren von der Pflicht, zu sagen, was ist, und dem Schutz der eigenen Mannschaft. Nach den Jahrhundertkrawallen im Ländle vorerst auf Berichterstattung aus BaWü zu verzichten? Klare Kiste, wenn natürlich schweren Herzens.

Parallel brennt aber auch in NRW der Buchsbaum, genauer: in Gütersloh. Aufgrund des Corona-Ausbruchs in der Wurstfirma von Schalke-Mäzen Clemens Tönnies hat NRW-MP Laschet den Lockdown über den gesamten Kreis verhängt. Macher-Politik mit dem ganz großen Pinsel. Als Nordrhein-Westfale, der um sein Bundesland bangt und Gütersloh zumindest schon mal gehört hat, empfinde ich es aller Sicherheitsbedenken zum Trotz als meine Pflicht, zu berichten. Koste es, was es wolle.

Wie geht man so eine Aufgabe an? Es beginnt mit Arbeit am Mindset, ich nenne es den "Jenke von Wilmsdorff-Modus": Reingehen in das Auge des Orkans, dem möglichen Tod ins Auge sehen, Last-Man-Standing-Vibes. Das heißt konkret: Mund-Nasen-Bedeckung – oder wie wir am Niederrhein sagen: Bürgermaulkorb – aufgesetzt und ab in den Livestream der Laschet-Pressekonferenz auf WDR Aktuell. Irgendwie hat sich eine Ton-Bild-Schere in den Stream geschlichen, oder haben unseren MP die letzten Wochen einfach zu sehr mitgenommen?

Nein, davon kann keine Rede sein. Rein nonverbal steht der Ministerpräsident wieder mit beiden Beinen im Saft, erinnert zeitweise an den Law-and-Order-Laschet aus dem Landtagswahlkampf 2017: Impulsivität, Furor, hohe sexuelle Energie. "Hier ist einer bereit, den Kampf gegen die Chinaseuche aufzunehmen", notiere ich nachdenklich in mein Notizbuch. Dann ein neuer hübscher Gedanke: Die Pandemie als endlose Aneinanderreihung von Pressekonferenzen, der Ausnahmezustand als new normal. Auch das notiere ich fix, vielleicht lässt es sich irgendwo noch für 50 Euro verbloggen.

Zurück nach Gütersloh. Laschet dreht jetzt voll auf, legt sich sogar mit dem Wurstmagnaten an, poltert: "Die Kooperationsbereitschaft der Firma Tönnies hätte größer sein können." Ein Statement, das seine ganze Power erst entfalten kann, wenn man die rund 150 000 Euro, die Tönnies in den letzten letzten 15 Jahren an die CDU überwiesen hat, einpreist. Showdown im Regierungsbezirk Detmold?

Armin Laschet will es jetzt offenbar wissen, deutet mögliche Schadensersatzzahlungen von Tönnies nach der Krise an. So ergibt auch die bereits vor ein paar Tagen hinzugezogene Bundeswehr in Gütersloh Sinn: Der MP will Stärke gegen den Fleischmagnaten demonstrieren; es sind Szenen, die an das von Pablo Escobar terrorisierte Kolumbien der Achtziger- und Neunzigerjahre erinnern. Unschöne Bilder, ein Mexican Standoff mitten in Westfalen. Eines ist mit dem heutigen Tag und den markigen Sprüchen des MPs gewiss: Laschet hat das Kanzleramt noch nicht abgeschrieben. Doch sein Weg nach Berlin führt über ein erfolgreiches Containment der Wurstfabrik und damit über: Clemens Tönnies. Vielleicht entscheidet sich das politische Schicksal des Aacheners in den kommenden Tagen genau hier, im Regierungsbezirk Detmold: Irgendwo in Gütersloh.

Euer Dax Werner

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Deutschland hat ein Müll-Problem

MEINUNG

Von Moritz Hürtgen
Chefredakteur

Warum derzeit alle spinnen, warum ich Polizisten nicht anspucke und warum Bedacht die Tugend der Freiheit ist. Ein Kommentar von TITANIC-Chefredakteur Moritz Hürtgen.

Yo, lieber Rezo, du hast blaue Haare und machst auf Youtube ... – Moment, das war der Text von letzter Woche. Verzeihen Sie bitte, liebe Leserinnen und Leser! Allora: Natürlich war es töricht vom Innenminister, eine Klage gegen jene Taz-Auto*~<in (haha, köstlich, ich mal wieder!) anzukündigen, der/ssen Name ich hier nicht nenne, weil ich ihn ohnehin falsch schreiben würde. Und natürlich wäre Seehofer mit der Anzeige vor Gericht nicht durchgekommen, die Kanzlerin hat ihn also umsonst davon abgehalten. Eigentlich war die ganze Nummer spätestens gestern vorüber, aber jetzt müssen Sie meinen Text hier eben auch noch zu Ende lesen.

Was bringt Menschen dazu, eine ganze Berufsgruppe, die Polizei, als Müll zu bezeichnen? Der skandalöse Text erschien quasi aus dem Nichts, die Nachrichtenlage der vergangenen zehn Jahre liefert keine Erklärung, keinen Anlass, keinen Zusammenhang. Warum also? Die Antwort lautet: Identitätspolitik. Diese entstand vor kurzem in den geheimen Twitter-Chaträumen amerikanischer Elite-Universitäten und verdirbt nun unsere Jugend. Auf den Schulhöfen wird sie per Bluetooth gehandelt und macht die Kids kirre. Mehr muss man eigentlich nicht wissen.

Müssen wir uns nun aber Sorgen machen? Wird die Identitätspolitik unserer westlichen Kultur den Untergang bringen? Wer die Kommentare in Blättern wie der FAZ, der »Welt« und der Werte-Taz liest, bekommt es vielleicht mit der Angst zu tun. Ich aber sage: ach was! It‘s only a phase, the kids are alright. Lassen Sie sich nicht von alternden Journalisten mit Elternbeirats-Mindset und Bedenkeritis anstecken. Die müssen zum Glück bald alle in Rente.

Wenn mich etwas auf die Palme bringt, dann Leute, die sich in vorgeblich besonnenen Artikeln aufregen und maßlos übertreiben. Es ist doch ganz einfach: Wenn ich einen Polizisten sehe, spucke ich ihn nicht an, sondern nur vor ihm aus. Wenn in der Taz ausnahmsweise mal ein unterhaltsamer Artikel erscheint, gebe und gönne ich Likes und Faves. Und wenn ich am Ende des Textes nicht den Bogen zur Überschrift spannen kann, leiste ich mir diese Freiheit, weil ich als Chefredakteur ohne Kontrollinstanz jeden Quatsch auf unsere Website schreiben darf.

Herzlichst
Ihr Moritz C. Hürtgen

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Inside TITANIC (27)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Praktikantin Jessica Ramczik über Ekelvögel und braune Wachmachschlonze.

Sie gehören ja irgendwie zusammen, Redaktionen und Kaffee. Kreativer Durchbruch und Kaffeeküche, der Koffeinaufguss als Kulturtechnik. Apropos Kulturtechnik. Irgendwo in Frankreich pflegt man den Fettammer zu verspeisen. Das ist ein Singvogel, den "diese kranken Wichser" (Moritz Hürtgen) fangen und im Dunkeln oder nach Entfernen seiner Augen zwei Wochen lang mästen, bevor sie ihn in Schnaps ertränken und in Fett kochen. Anschließend isst man den armen Vogel ob der ganzen Würdelosigkeit des Prozesses dann mit einem Tuch über dem Kopf. Dabei knacken die Knöchelchen und Flügelchen des kleinen Tieres und den französischen "Genießern" ist es eine wahre Freude. Wieso, kann einem niemand sagen. Die Redaktion ist sich einig: "Boah, einfach nee." (Leo Riegel).

Aber zurück zur braunen Wachmachschlonze: Kaffee, mhhh. Dieser Geruch, der ölige Aufguss, der bittere Geschmack, der saure Abgang. Nichts ist gut an Kaffee, aber ein Bewusstsein dafür ist auch bei TITANIC nicht angekommen. Kaffee ist das letzte Lagerfeuer des Kapitalismus, die Kaffeeküche als letztes Refugium derer, die heute "schon noch was machen müssten" (Jessica Ramczik). Grund genug, niemals mit Kaffee anzufangen. In der Kaffeeecke prostet Moritz Bleibtreu dem Betrachter von einem Plakat her zu, doch all die Abschreckungsversuche bringen nichts: "Ist noch welcher da? Hat schon jemand? Soll ich mal?" (Paula Irmschler).

"Los! Rauchen! Kaffee!" (Moritz Post). Koffeingetrieben und ein bisschen wahnsinnig rennen sie los. Die Wahrheit ist jedoch: die Menschen hassen Kaffee, aber zugeben würde man das natürlich nur halb. "Ich bin eigentlich gar nicht so mit Kaffee" (Paula Irmschler), "Och naja" (Moritz Post), "Aber schau, es gibt auch gutes Bier" (Tom Hintner). Wo solch ein Gruppendruck herrscht, zieht man mit. Eines Tages greift man selbst zu, einfach so. Man hat die Hürtgens und Riegels und Posts beobachtet. Und schon ist man hooked und trinkt Tasse um Tasse. Mit jedem Schluck redet man sich sein, dass es doch so sein muss, und dabei zittert man und schwitzt und hat einen komischen Geschmack im Mund. "Ja, wieso überhaupt?" (Martina Werner). So ist es hier mit Kaffee wie mit dem Ekelvogel aus Frankreich. Keiner weiß so richtig wieso, am Ende ist es vielen unangenehm und von "außen auch oft nicht so schön anzusehen" (Torsten Gaitzsch). Man macht es, weil es die anderen tun. Wie es angefangen hat, weiß keiner mehr so richtig. Kulturtechnik halt.

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen

Liebe Leser*innen,

machen wir uns nichts vor: Dieses Jahr 2020 (gelesen: Zwanzigzwanzig) verlangt uns alles ab. Im Internet, im Fernsehen, aber vor allen Dingen auch in puncto Wirtschaft. Allein die deutschen Exporte – so was wie der Internetknotenpunkt Frankfurt fürs Geldverdienen – sind im April um 30 Prozent eingebrochen. Ein wirtschaftspolitischer red flag. Und vielleicht erinnert sich der/die ein/e oder andere Leser*in: Genau deswegen hat die Bundesregierung letzte Woche das mit 130 Milliarden Euro größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Menschheit verabschiedet.

Im Nachrichtengeschäft 2020 stehen selbst die gigantischsten wirtschaftspolitischen Moves in direkter News-Konkurrenz zu Rainer Wendt, Xavier Naidoo und Prof. Dr. Drostens Corona-Podcast. Und noch das stärkste Konjunkturpaket kann man sich im Prinzip schenken, wenn es nicht von einer ordentlich designten Kampagne begleitet wird. Aus dem Paket muss eine reichweitenstarke Story werden. Auch bei den großen Parteien weiß man das, und in den Social-Media-Kellern rauchen an so einem Tag natürlich die Köpfe. Wie kommuniziert man den deutschen New Deal reichweitenstark in eine ohnehin schon ziemlich aufgeheizte Netzgemeinde?

Die CDU setzt wenig überraschend auf eine nüchterne, fast sachliche Kommunikation ("Kraftpaket", Deutschlandfarben, Einbettung in plattformübergreifende 360°-Kommunikationskampagne), vergisst dabei aber – ganz Volkspartei – nicht die fast 25 Prozent CDU-Wähler*innen unter 45 und arbeitet mit einem Smartphone-Akku-Emoji in Schwarz-Rot-Gold. Mit dem Deutschlandzeichen setzen die christdemokratischen Netzstrategen aufs visuell richtige Pferd, man kennt die Farben aus dem Kleingartenverein und von Fußballübertragungen, die Message dringt durch: Lasst uns das Ding hier gemeinsam rocken, lasst uns Deutschland wieder aufladen!

Ganz anders die Stimmung im Willy-Brandt-Haus: Hier beherrscht wieder einmal die Angst vor der eigenen Courage die Gemüter – ein Mindframe, das den Sozialdemokraten auf ihrem Weg nach oben des Öfteren im Weg steht. Dabei ist der Auftrag klar: Wie schafft man es, die erfolgreiche Rausverhandlung der 100-Euro-Prämie für einkommensschwache Familien als sozialdemokratischen Punktsieg zu verbuchen? Erlösung kommt einmal mehr von Finanzminister Olaf Scholz, der einen erlösend-geilen Claim ins Spiel bringt: "Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen." Wumms, das ist sexy, das hat Wucht, das ist hashtaggy. Scholz legt den Genossen den Kampagnenball quasi auf den Elfmeterpunkt, #Wumms trendet zum Erstaunen der SPD, hier hätte man mit einer verlängerten Kampagne anknüpfen können, solange die Nummer noch heiß ist. Stattdessen ruhte man sich auf dem kurzen Fame aus und legte nicht nach. Ärgerlich! Zumindest brachte sich der Hanseat mit seinem originellen Einfall wieder in die Pole-Position für die SPD-Kanzlerkandidatur!

Liebe Grüße und erfolgreiches Kommunizieren im Web wünscht euch euer: Dax Werner

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Inside TITANIC (26)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Redakteurin Ella Carina Werner über die herzerwärmenden Augenblicke des Alltags.

Es gibt sie noch, die zauberhaften Momente. In der beliebten "Zeit"-Rubrik "Was mein Leben reicher macht", in der Leser/innen ihre Lieblingsmomente ausbreiten, summieren sie sich Woche für Woche mittlerweile zu Tausenden. Von "Im Morgengrauen in der siebten Stunde lausche ich auf dem Markt unserer alten Stadt einer Amsel" über "Wenn der Barista mit dem Milchschaum ein perfektes Herz auf den Cappuccino malt" bis "an einem kalten Winterabend Gustav Mahler hören" ist alles dabei, was den Bildungsbürger heute so bewegt.

Dass es die kleinen Dinge sind, die die größten Glücksmomente ausmachen, weiß natürlich auch die TITANIC-Redaktion. "Wenn der Frühling wieder lässt sein blaues Band flattern durch die Lüfte, und es streifen das Land süße, wohlbekannte Düfte", sinniert Chefredakteur und Volksdichter Moritz Hürtgen und schiebt, fast flüsternd, hinter: "Und dann, von fern, ein leiser Harfenton!" "Der Moment, wenn ich am Sonntag morgen auf meine E-Bike mit einer Tüte warmer Dinkelbrötchen in die Arme meiner drei Söhne radele", weiß Grafiker Tom Hintner zu berichten. "Die sanften, stillen Minuten im Bordbistro in der fünften Morgenstunde auf dem Weg in die Redaktion, auf den Lippen des DB-Baristas ein liebes Lächeln", tut Paula Irmschler mit glänzenden Augen kund. "Schöne heiße Milch mit Honig, eingelassen in meine freistehende Marmorbadewanne. Dazu ein paar Badepralinen aus 80-prozentigem Single Highland Malt Scotch", kommt Genussmensch Martina Werner aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. "Einen Iced Latte im Barber-Shop ums Eck, wenn der Barbier Finn-Ole und ich über das spätromantische Klavierlied von Gustav Mahler disputieren", bringt Feingeist Leo Riegel seinen ganz persönlichen Best-of-Moment auf den Punkt. Und Epikureer Torsten Gaitzsch schiebt nach: "Ein Sprung in den Infinity-Pool meiner Wochenend-Datsche in Brandenburg, wenn ich einfach drauflos kraule, bis zum Horizont ..."

Auch Ex-Chefredakteure haben ihre besonderen Momente, darunter Tim Wolff: "Ich liege auf einer sattgrünen Wiese, über mir der königsblaue Himmel, unter mir die neueste Ausgabe der 'Zeit', deren Seiten verheißungsvoll rascheln. Umspielt vom Zwitschern einer Amsel, zaubert mir Harald Martenstein mit seiner Kolumne ein perfektes Herz in meine Gedanken", lobpreist der bärtige Hipster und wischt sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel.

Weitere berührende Momente gibt es an dieser Stelle von nun an Woche für Woche für Woche.

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Das Wunder von Hannover

Liebe Leser*innen,

die Stimme ist wie für das Medium gemacht: Sonor, verraucht, mit dem unverwechselbaren Zungenschlag spricht hier einer, den man seit Jahrzehnten aus der Politik kennt. Du lieber Himmel, denkt ihr jetzt, ein merkwürdiger Einstieg für eine neue Ausgabe von "Meditation und Markt", nicht wahr? Die Ursache ist denkbar einfach: Gerhard Schröder hat gemeinsam mit seinem Intimus Bela Anda das 39-Euro-USB-Mikrofon ausgepackt und bei Spotify auf Upload geklickt: Der Altkanzler ist jetzt offiziell Podcaster! Und in jedem der laut Google-Suche 608 Internet-Artikel über den Start von "Gerhard Schröder – Die Agenda" taucht dieser eine große poetische Satz wortwörtlich auf, den ihr, liebe Leser*innen, bereits oben im Intro zu dieser Kolumne genießen durftet: Der nachdenklich-erregte Satz von der Stimme, die "wie für das Medium gemacht" scheint, unverwechselbar Schröder eben; ein Satz jedoch, der sich auf der Zielgeraden noch mal auf die Kerntugend der journalistischen Distanz besinnt und stirnrunzelnd feststellt: Man kennt ihn seit Jahrzehnten aus der Politik. Spätestens hier quillt der aufrührerische Unterton in dem Wort "Jahrzenten" zwischen den Zeilen hervor, Ageism pur. Wer so schreibt, wütet auf Twitter.com auch gegen den "alten weißen Mann".

Dennoch: Ist es nicht ein außerordentliches Mirakel, dass mindestens 608 Autor*innen exakt derselbe Satz einfällt, sobald sie gebeten werden, dieses neue Produkt in Augenschein zu nehmen? Ich zögere nicht, diesen Vorgang konkret zu benennen: ein paranormales Ereignis. Mehr noch: das Wunder von Hannover.

Wie man im Fußball mitunter das "Glück erzwingen" muss, indem man beispielsweise "den einfachen Pass spielt", ging jedoch auch diesem Wunder einiges an Vorarbeit voraus: Für den Launch haben sich Gerhard Schröder und Bela Anda starke Medienpartner ins Boot geholt. Nicht nur das "Handelsblatt" und Arcor machten auf ihren Homepages mächtig Appetit auf des Altkanzlers neuesten Mediencoup, auch die "Nordwestzeitung", Stimme.de, "Die Harke", Radio Euroherz, Radio Bamberg, Redaktionsnetzwerk Deutschland, "Neue Westfälische", "Rheinische Post", "Der Patriot" und einige andere Premium-Outlets berichten wohlwollend. Glück ist eben planbar. Oder wie wir in der Medienbranche sagen: Du brauchst ein geiles Grundrauschen, um dann Druck auf das Thema zu arbeiten.

Und dann brauchst du noch ein geiles Produkt. Und das liefern Schröder und Anda, keine Frage. Schon beim mit kultiger Technomusik unterlegten Teaser zappelte ich nach wenigen Sekunden am Haken: "In den späteren Episoden sind auch Gespräche mit Dritten geplant, wie zum Beispiel mit Vertretern aus Kunst und Kultur." Weiß nicht, wie's euch geht, aber ich hab bei den Worten direkt Bilder im Kopf, Stichwort visuelles Erzählen. Und aus einem skeptischen Hörer wird so fast wie von selbst ein Gefährte, ein Kumpan: Wird es dem Held dieses Epos, Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder, gelingen, im Laufe des Podcasts ein Gespräch mit Vertretern aus Kunst und Kultur zu organisieren? Wen könnte man fragen? Wer hat Zeit? Fallhöhe, Heldenreise, intrinsische Motivation: Alles da, was ein modernes Drama braucht. In Zeiten, in denen jeder Deutsche durchschnittlich 2,5 Podcasts produziert, denken Schröder und Anda das Format neu from scratch: Der Podcast als Audio-Reise, als Mithör-Abenteuer, als – in Anlehnung an Borges: gelenkter Traum.

Lasst uns wieder gemeinsam träumen. Zusammen mit Gerhard Schröder.

Herzlich, Euer Dax Werner

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt