Newsticker

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Inside TITANIC (9)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Redaktionspraktikant Adrian Schulz über eine kreuzbiedere Langweilerbude.

Eigentlich ist es "ganz cool" in der Redaktion, wie man heutzutage sagt, besonders als Neuling, Frischling, Praktikant. Natürlich wurde früher, unter Gernhardt, Knorr, Kühne und Konsorten, mehr gefickt und gesoffen, wie man allenthalben hört; aber ich war da ja noch gar nicht am Leben, kann mich also gar nicht authentisch reinficken, äh, -fühlen in diese Heiterkeit, die damals geherrscht haben muss.
Heute sind privat alle sehr ernst und werden böse, wenn man nicht grüßt. Chefredakteur Moritz Hürtgen lässt mich jeden Morgen mit einer Zeigefingerwackelgeste antanzen und Bericht erstatten, wie denn meine "Mood" sei und welche "Achievements" ich mir für heute vornähme. Um Punkt 12 Uhr gehen dann alle in Hürtgens Büro und schalten gleichzeitig gemeinsam ihr "Satiregesicht" an. Ein regelrechtes Spektakel beginnt nun, bei dem die eine Hälfte der Redaktion notorischen Witzzwang ausagiert – "Was darf Satire? Alles außer Tiernahrung!" –, während die andere zu Komikprofessoren mutiert und das von ihren Kollegen Gesagte pausenlos auf Humorpartikel und ihre Funktionen hin zerlegt: "Schöne Merkelpointe, aber schon oft gehört. Und kommt mir etwas schnell geschrieben vor. Vielleicht muss man die Rampe noch anders bauen, dass die Fallhöhe ..." Es handelt sich also, mit anderen Worten, um eine neoliberale Totalegal-Agentur wie jede andere auch, allerdings noch nicht ganz auf der Höhe der Zeit und mit sehr wenig Geld, das, mangels Alternative, in fünf Tonnen gut gemachtes Kioskfleisch von Redaktionsversorger "Wurst-Backwaren-Milch" täglich investiert werden muss.
Und da sehe ich auch schon, wie Chefredakteur Moritz Hürtgen von seinem halben Schreibtischstuhl (sehr wenig Geld) aufsteht und mir sagt, dass ich mit dieser meiner "lieblosen Metasatire" die "Teambalance" gefährden würde; und fragt, ob denn meine "Values" noch stimmten? Pflichtbewusst hole ich, wie ich es am ersten Tag meines Praktikums gelernt habe, die Cheerleader-Puschel aus dem Inneren meines ergonomischen Stehpultballes hervor und brülle, während ich, scheinbar wie nebenbei, mit Hürtgen zugewandtem, motiviertem Lächeln auf den Lippen brutalste Verrenkungen meiner Gliedmaßen vornehme: SATIRE --- DARF --- ALLES --- SATIRE --- DARF --- ALLES --- SATIRE --- DARF

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Niemand ist mehr sicher

Ungemütlicher Branchenfunk aus Berlin: Der Finanzinvestor KKR steigt bei Springer ein und will den ganzen Laden auf links drehen. Die Kiste muss so langsam wirklich mal profitabel & zu Ende digitalisiert werden und Tausende Arbeitsplätze sind plötzlich auf dem Prüfstand (jedoch erst mal nicht die Chefredaktionen: "Da wird es vielleicht Verkleinerungen, aber keine spektakulären Veränderungen geben", Döpfner), auch bei "Bild", aber vor allem bei der "Welt".

Natürlich greift man bei dieser Nachrichtenlage instantly nach den low-hanging fruits: "Staatliche Soforthilfe für die Springer-Männer aus Berlin!", "Tja, euren Job regelt dann wohl jetzt auch der freie Markt, was?" oder "He Ulf, wie schmeckt Dir Deine eigene Medizin?" Fertig ist die Kolumne, abschicken, Feierabend.

Die Wahrheit ist: Das ist mir zu billig. Zu uninspiriert. Das bin nicht ich. Und ganz so einfach ist eben auch nicht.

Denn auch in dieser Kolumne habe ich wieder einen sogenannten Hot Take untergebracht. Von einem Hot Take spricht man, wenn man das Gegenteil von dem zu verargumentieren versucht, was einem der gesunde Menschenverstand und die Mehrheitsmeinung auf Twitter bezüglich dieses oder jenen Sachverhalts sagt. Also, einmal anschnallen bitte: Wenn "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt am Ende dieser Umstrukturierungen tatsächlich seinen Job verliert oder plötzlich die Leserbriefe bei "Auto Motor und Sport" beantworten muss, dann, ja dann werden auch wir unsere Jobs auch auf kurz oder lang verlieren. Perspektivisch zumindest.

Oder anders gesagt: Wenn Ulf fällt, fallen wir auch. Denn Ulf ist – and I take no pleasure in saying this – wenn man mal alles, was er so den lieben langen Tag von sich gibt, mal außer Acht lässt, genau dieselbe verkrachte Existenz wie wir: Irgendwas mit Geisteswissenschaften studiert, kurze, sehr intensive Technophase, dies & das, und dann mit Ende 20 beim Blick auf den Kontoauszug bisschen Panik bekommen, Endstation Festanstellung. Und jetzt sitzt man in irgendwelchen Büros mit großen Fenstern, verdammt zur Wertschöpfung, zur Leistung, zum Funktionieren. Aber wir spüren's doch recht deutlich: Irgendwie ist da nichts mehr, keine Wut, kein Furor, keine Idee. Immer nur derselbe eine Joke. Nichts regt uns mehr wirklich auf. Stattdessen vertreiben wir uns den Tag mit Mario Sixtus, Ralph Ruthe und ca. 2000 weiteren deutschsprachigen Nutzer*innen auf Twitter-dot-com und schreiben für ein paar Favs minütlich ins Internet, wie wir unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich bewerten. Und Ulf munter mit dabei.

Und das alles vielleicht nur, um der brutalen Wahrheit nur ein paar lange Augenblicke mehr aus dem Weg gehen zu können: Die Einschläge kommen näher. Niemand ist mehr sicher, da kann dein Podcast noch so gut laufen. In Zeiten, in denen selbst die Markt-Ultras vom Markt weggeregelt zu werden drohen, gilt es, zusammenzurücken. Auch unsere Jobs, die ganzen Projektstellen und befristeten Verträge, in denen wir uns so tummeln, könnten morgen schon wegrationalisiert werden, weil sie in den Tabellenkalkulationen von Menschen, die früh genug aus Bitcoins raus sind, keinen Sinn mehr ergeben. Wenn's hart auf hart kommt, sind wir eben alle nur noch kleine Pixel auf einem Macbook-Retina-Display eines 25jährigen Controllers mit drei Abschlüssen und ohne jede Fantasie.

Ich, nein: WIR müssen irgendwas tun. Ein erster, kleiner Schritt: Anfang Dezember werde ich in Kooperation mit Wolfram Kons vom RTL-Spendenmarathon eine Charity-Gala auf N24 auf die Beine stellen, damit der Redaktionsbetrieb der "Welt" aufrechterhalten werden kann. Weitermachen. Irgendwie. So lange es geht. Helfen Sie mit.

Vielleicht bekommen wir sogar Johannes B. Kerner.

Ihr: Dax Werner

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Nur kein Gedäh! – von Martin Knepper

Poesie der Proteine

Die Lieder, Comedy-Nummern, Cartoons und Kolumnen der letzten Jahre, die sich um Pizza-Bestellungen, Wagyu-Rinder, Erlebnisse mit veganer Küche oder den obligaten Chinarestaurant-Witz mit Ente #43 drehen, sie sind im Grunde Wiederaufnahmen einer schreiberischen Ahnenreihe von Courths-Mahler und Marlitt, Fontane und Thomas Mann, bei denen das Essen stets auch zur Abschilderung sozialer Distinktion dient; die dampfende Kloßschüssel, der Wein, der in kristallnen Gläsern funkelt, der Duft der Weihnachtsgans, das steht alles in einer Tradition, die auch beim ersten Sex mit Helmut Kohl nach dem Verzehr eines "Puddings" (der eigentlich eine Mousse ist) noch nicht an ihr Ende gekommen ist, im sich fortschrittlich gebenden Lager jedoch fast nur noch in ironisch gebrochener Form sich zu thematisieren wagt. Die den Verdauungsvorgang einleitenden Rituale, die zu den wenigen zählen, mit denen wir täglich konfrontiert werden, sie können, so scheint es, nach Grass' fünfzigstem Gang in die Pilze nebst Kosung des Köchinnenhinterns nicht mehr für sich stehen und verraten doch immer noch viel über existentielle Aufschwünge und Schwundstufen der Zivilisation. Unverstellte Verzehrgeilheit wird kompensatorisch durch Fernsehköche genossen und umgehend wieder in kritischer Distanz verarbeitet; anschließend jedoch Bereitung und Verzehr eines Ramen zum 1000-Zeichen-Event aufgebläht. Und alles laviert nur um den eigentlichen Sündenfall herum, der an dem Tage geschah, als der erste Mensch für sein Essen bezahlen musste. Die Folgen können wir bis heute beileibe nicht nur in Sachsen (Saure Flecke) und Brandenburg (Klemmkuchen) sehen.

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Life & Style mit Antonia Stille

Life: Aperol, save the Queen 

Um so viel vorwegzunehmen: Dies ist (leider) kein gesponserter Text. Das beworbene Produkt war höchstens indirekt an seiner Entstehung beteiligt. Aber von vorne. Habt ihr auf dem (Bild-)Schirm, was gerade in Großbritannien/UK/England/London abgeht? Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber, so sagen es zumindest "Spiegel" und "Heute-Show": Das britische Unterhaus der Stars hat jetzt Sendepause. Der wuschelköpfige Sendedirektor hat die Handbremse gezogen, und deshalb steht das Parlamentsflugzeug still. Meine Meinung: Die Pause ist eine Chance. Wanne-Eickel an London: Entspannt euch einfach mal, dann wird das schon mit Europa! Offensichtlich haben jahrelanger Bier- und Essigkonsum das britische Parlament in den Untergang getrieben. Aber das muss nicht das Ende vom Leid, äh, Lied sein. Ich kenne ein Hausmittelchen, das mich noch schwupp-di-wupp durch jede kleine und große Demokratiekrise getragen hat: Aperol Spritz, der Aperitivo, der so ikonisch italienisch schmeckt, dass selbst Jamie Oliver sich seinen Namen nur im Flüsterton auszusprechen traut. Aperol Spritz ist die unangefochtene Queen der Getränke und muss sich dafür nicht mal wöchentlich mit Boris Johnson zum Tee treffen. Egal, ob ein gescheitertes Update das MacBook Air oder ein böswilliger Wischmob das Parlament lahmlegt – wenn man leicht einen spritzen hat, sieht die Welt gleich ganz anders (verschwommen) aus. Deshalb, liebe Engländer: Knallt euch einen Aperol in die Birne, steckt euch ein paar Eiswürfel in die Ohren und genießt, wie eure Sorgen langsam gemeinsam mit eurem Hörvermögen dahinschmelzen. Und wenn das rote Gold (Farbe der Hoffnung!) dem feinen britischen Gaumen zu sehr nach Europa schmeckt, kann immer noch ein Schuss Essig oder ein Beutel PG-Tip Abhilfe schaffen. Jeder kann Aperoliker sein.

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Inside TITANIC (8)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Torsten Gaitzsch über eine verbrechensfreie Zone.

Ich habe ja mal als junger Hüpfer so ein Work-&-Travel-Dings gemacht – das würde ich am liebsten gar nicht zugeben, denn heutzutage machen so was nur Bonzenkinder ohne Flugscham und Bento-Redakteurinnen, die sich nach der Rückkehr über "die große Leere" ausheulen und darüber schreiben, dass sie seit dem WWOOFing-Gap-year auf der Lamafarm nur noch auf spanisch träumen, aber vor 15 Jahren war das halt gang und gäbe; na ja, jedenfalls wurde mir im Rahmen dieser Reise einmal in einem Hostel eine Schachtel Speiseeis gestohlen. Aus dem Gemeinschaftskühlschrank! Mit meinem Namen beschriftet! Obendrein so eine richtig geile Sorte, "Rocky Road" oder "Hokey Pokey", mmhhh! Diese Schandtat fällt locker in die Top 20 der größten Ungerechtigkeiten, die ich je erfahren musste, und war so INFURIATING, dass ich noch heute regelmäßig voller Ingrimm daran denke. In der TITANIC-Redaktion könnte sich dergleichen nicht zutragen. Was hier einmal im Kühlschrank landet, bleibt auch dort, es ist wie in Las Vegas. Selbst Dinge, die von einzelnen Redaktionsmitgliedern vergessen oder der Allgemeinheit vermacht werden, pflegen darin weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus zu lagern. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich im Frostfach ein Viererpack Semmelknödel, das irgendwer im Frühjahr dieses Jahres auf dem Wochenmarkt gekauft hat, und im Herzen des Kühlschranks ruht auf einer Untertasse seit – I kid you not – unserer letzten Weihnachtsfeier ein Stück Butter. Eine Schweizer Bank, deren Privatschließfächer zur Neige gegangen sind, könnte ruhigen Gewissens unseren Kühlschrank zwischenmieten, denn selbst Edelmetallbarren und Wertpapiere wären in dieser inter- oder transdimensionalen Niedrigtemperatur-Ausbuchtung auf alle Zeit sicher.

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Thread über Threads

Mein Vater hatte mal eine VHS-Kassette vom Freddie Mercury Tribute Concert im Wembley Stadion 1992 und irgendwie lief diese Kassette sonntags öfter mal bei uns im Wohnzimmer. Wie hypnotisiert starrte ich dann auf den Bildschirm, wo Axl Rose oder Zucchero Queen-Hits interpretierten, derselbe Bildschirm, auf dem ich nur Stunden zuvor Super Mario oder Fifa gespielt hatte. Manchmal fand mein Vater sein IG-Metall-Feuerzeug nicht schnell genug und zündete sich seine filterlose Reval an der einzigen Kerze im Wohnzimmer an. Dann war es immer an meiner Mutter, ihn zu ermahnen: Er wisse ja hoffentlich, dass jedes Mal ein Seemann stirbt, wenn er sich die Zigarette an einer Kerze anzündet.

Auch wenn die Zukunft des Rauchens inzwischen im E-Zigarettensegment liegt (Stichwort junge Verkaufskategorie & hohe Handelsspanne), lässt sich immer noch im volkswirtschaftlichen Ton mahnen: Jedes Mal, wenn ein Twitter-Nutzer einen Analyse-Thread – also mehr als zwei Tweets hintereinander mit Punkt und Komma – über eine Landtagswahl ins Netz schiebt, verliert ein/e Politikwissenschaftler/in Projektmittel für das nächste Semester. Ein hochproduktives Sprüche-Pattern, um seinen Mitmenschen auf den Geist zu gehen!

Auf den Geist sollen mir in dieser Kolumne aber vor allen Dingen Threads gehen. Neben dem ordoliberalen Approach beider Bonmots, in denen so was wie Disruption oder Innovation bedauerlicherweise noch gar nicht mitgedacht werden kann, zündet mich an den großen Erklärthreads zur Sachsenwahl und Brandenburgwahl am Wochenende besonders an, wie sehr man sich an den eigenen Mutmaßungen hochrauschen kann, so dass man diese Minuten nach der ersten Hochrechnung als wissenschaftliche, peer-reviewte Befunde verkauft. In vielen Erklärthreads wird der bzw. die ostdeutsche Wähler/in zu einer Aufziehpuppe, an der mal der Neoliberalismus, mal die Medien, mal die AfD kräftig ziehen, und schon kommen 27 Prozent für die AfD raus. Oder wie der Nutzer @turboateng on point zusammengefasst hat: "Jörg schönborn hats grad bestätigt: das wahlergebnis kann mit der einstellung der buslinie 12 im kreis schmöckwitz-siebengau vollständig erklärt werden."

Woher kommt das? Ich erinnere mich, dass ich als Bub vor dem Einschlafen oft noch wach lag und leise dieses Gitarrensolo oder jenen Refrain von diesem Wembley-Konzert nachsang. Vielleicht ist das ja bei Wahlanalysen genauso: Wir sind hypnotisiert von der Expertenaura, wenn im Fernseher dieses oder jenes Wahlergebnis wieder mal mit Stress in der GroKo, schlechtem Ifo-Geschäftsklimaindex oder einfach zu vielen Nazis wegerklärt wird. Wir sind die kleinen Jungen und Mädchen, die noch wachliegen, obwohl morgen Schule ist, und davon träumen, mal was im Fernsehen erklären zu dürfen.

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Nur kein Gedäh! – von Martin Knepper

Smoke gets in your eyes

Die Tabakkonzerne, so hört man, wollen sich in naher Zukunft aus dem zunehmend unersprießlich gewordenen Geschäft mit Analogkippen zurückziehen und auf das konzentrieren, was sie am besten beherrschen, das Geldverdienen. Zu groß das Risiko, stets aufs Neue durch Menschen verklagt zu werden, die im Irrglauben an die gesundheitsfördernde Wirkung des Rauchens 50 Jahre lang am Tag ihre drei Päckchen weggeschmurgelt haben, sich plötzlich mit Atembeschwerden oder unerwünschtem Zellwachstum konfrontiert sehen und den Hersteller aus enttäuschter Liebe erfolgreich auf die Zahlung einiger Trilliarden (in Europa: Trillionen) Dollar in kleinen, unnummerierten Scheinen verklagen. Solche Wandlungen des Kerngeschäfts sind gar nichts so Seltenes, man denke an Nokia, vom Gummistiefel zum Handy (und wieder zurück). Auch Tankstellen, so heißt es, wollen sich schon bald statt auf mobilitäts- und CO²-fördernden Kraftstoff ganz auf den Abverkauf von Sushi und Bier verlegen. Überall weht Rauchern der Wind ins Gesicht (der Nebentisch wird sich dennoch beschweren); Analogbücher aus Raucherhaushalten sind im Antiquariat praktisch unverkäuflich, und Lesern mit der obligaten Sartre-Fluppe wird empfohlen, ihre Bücher nach dem Ableben gleich mit kremieren zu lassen. Als Traditionsnikotinisten bekümmert mich ein solcher Trend zutiefst; die allseits angepriesenen Verdampfer vermögen mich nicht zu locken, sie sind mir gleichsam elektronischer Tofu, wo meine Bronchien nach Lungenmett letzen. Beschimpft und ausgegrenzt wandele ich seither unruhig durch die Welt, letzte Reservate von Freiheit und Risiko suchend in einer Welt der Enge und Lebensgier. Und finde sie ausgerechnet hinter einer Zapfsäule, wo ich mit dem Tankwart hastig eine Zigarette verdrücke und mich mit ihm erinnerungsselig über Eimerrauchen und Stummelantennen austausche.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt