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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: NS, 1a

Der Deutsche Oskar Gröning, der „Buchhalter von Auschwitz“, wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt, hat, weil er steinalt ist, um Gnade ersucht. Das war der Morgenzeitung Anlaß für ein Pro und Contra.

Kollege Prantl, Überraschung, war dafür: „Es leben nur noch ganz wenige von denen, die vor langer Zeit verbrecherischen Dienst getan haben im Schlachthaus der Weltgeschichte … Er ist wohl der allerletzte überlebende Täter der NS-Vernichtungspolitik … Es wäre dies nur Recht, angesichts der Ungeheuerlichkeit der NS-Verbrechen … Heinrich Wefing von der ,Zeit’ hat in bezug auf den Gröning-Prozess geschrieben: ,Am Ende aber, wenn es um die Zumessung der Strafe geht, steht immer ein Individuum vor den Richtern, ein Mensch, welch ungeheuerliche Taten er auch begangen haben mag. In Lüneburg stand der Mann Oskar Gröning vor Gericht. Nicht die NS-Gewaltherrschaft an sich.’ Das gilt auch jetzt in bezug auf das Gnadengesuch Grönings. Es ist verständlich, wenn viele Opfer oder deren Nachkommen die NS-Täter in Haft sehen wollen – wenn und weil es nicht mehr anders geht, auch als Hundertjährige …  Die Zeugin Eva Mozes Kor, Überlebende von Auschwitz, hat im Strafprozeß dem Angeklagten Gröning die Hand gereicht. Der Staat kann das nicht. Er kann nur gnädig sein“.

Kollege Kreye war dagegen: „Deutschland ist das einzige Land, in dem Verbrechen der NS-Jahre noch vor Gericht gebracht und bestraft werden können … Die Täter der NS-Verbrechen haben ihren Opfern gegenüber niemals Gnade gezeigt … Ginge Oskar Gröning nun ins Gefängnis, wäre dies ein Signal an alle anderen NS-Verbrecher, daß sie ihrer Schuld nicht entkommen … Rechnet man durch, wann die jüngsten Täter geboren wurden und welche hohen Lebenserwartungen Menschen heute in Europa haben, dann steht die Welt in der Pflicht, das größte Verbrechen der Menschheit noch bis in die 2030er Jahre zu verfolgen. Nur dann kann die Menschheit zeigen, daß sie auch die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Kambodscha, Burundi, Ruanda, Bosnien, Syrien, im Irak und all den anderen Ländern sühnen will.“

„Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn hundert Leichen beisammenliegen, wenn fünfhundert daliegen oder wenn tausend daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht und ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.“ Himmler, 1943

Mein Vorschlag zur Güte: Sperrt ihn ein, den deutschen Verbrecher aus dem deutschen Schlachthaus, den Täter der deutschen Gewaltherrschaft und gnadenlosen deutschen Vernichtungspolitik, auf daß alle anderen deutschen und von Deutschen angestifteten Verbrecher dies als Signal empfangen, daß sie ihrer Schuld am größten Verbrechen gegen die Menschheit, einem Verbrechen, erdacht und ins Werk gesetzt vom Reich der Deutschen und diesen Deutschen selbst, nicht entkommen. Steht allerdings die Welt in der Pflicht, das größte Verbrechen ihrer Menschheit gegen die Menschlichkeit zu sühnen, damit die vielen anderen Verbrechen im Schlachthaus der Weltgeschichte nicht in Vergessen geraten, von Kambodscha bis Burundi, von Ruanda bis Syrien, dann soll er sein ein freier deutscher Mensch, der sich zu schade sei, stellvertretend überstaatlich als NS-Verbrecher in den Kahn zu gehen.

Laßt ihn von mir aus laufen. Aber Euch nicht.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Zu Tal

Nun war es fast passiert: daß schlicht nichts los war. Ein neuer Ausfall des mächtigsten und evendöll lustigsten Mannes der Welt („Why are we having all these people from shithole countries come here?” – Kommentar CNN.com: „his new rock bottom“), ein vom FAZ-Blogger und Herrenreiter Don Alphonso lustvoll dokumentierter Zickenkrieg im Me-Too-Milieu (Leserkommentar: „Da werden Weiber zu Hyänen!“), die Erfolge der SPD bei den Koalitionsverhandlungen (das Auspeitschen von Arbeitslosen wird mit einer Übergangsfrist verboten); so daß ich fast die Kolumne hätte schreiben können, die davon handelt, daß peak idiocy vielleicht nunmehr erreicht sei und Frieden einkehre, wenigstens unter Umständen und krankhaften Optimismus unterstellt.

Aber dann diese zwei harmlosen Sätze aus der Online-FAZ, und wieder ist alles perdu: „Rodeln macht Spaß, es fördert Körpergefühl und Kondition. Falls Schnee liegt. Das pure Erlebnis liefert nach unserem Geschmack das Hightech-Material Holz.“

Wieviel Tor- und Gemeinheit in diesen Sätzen, und wer geglaubt hatte, etwas Unschuldigeres als Rodeln (in der Nicht-Rennversion) könne es kaum geben, der sieht sich wiederum getäuscht. Wann hat das angefangen, daß nichts mehr unternommen werden kann ohne Zweck, und wie gräßlich die Vorstellung, daß, wo früher Kinder harmlos talwärts schossen, sich jetzt die Entscheider einen Schlitten aus dem Hightech-Material Holz besorgen, um per pures Erlebnis Körpergefühl und Kondition zu trainieren? Falls doch noch jener Schnee ins Mittelgebirge rieselt, dessen regelmäßiges Ausbleiben die Herrschaften genau jener instrumentellen Vernunft zu verdanken haben, mit der sie sich so widerstandslos, ja begeistert „identifizieren“ (Horkheimer): „Der Prozeß der Anpassung ist jetzt vorsätzlich und deshalb total geworden. … Anpassung wird daher zum Maßstab für jeden denkbaren Typ subjektiven Verhaltens. … Für den Durchschnittsmenschen ist Selbsterhaltung von der Raschheit seiner Reflexe abhängig geworden“, weshalb er sie, der „Tempo-Gleichschaltung“ (Günther Anders) zu genügen, in einem fort trainieren will und, unterm Bann allwaltender Sportifizierung, mit Autos, die noch als nominelle Kleinwagen vor Muskeln kaum fahren können, in die Berge prescht, die längst nicht mehr als Natur verlangt werden, sondern als Zirkuspark und Abenteuerspielplatz für den sich im Anders’schen Sinne zum superioren „Gerät“ hinaufsehnenden Restmenschen: Ist Holz nicht Hightech, ist es gar nichts.

„Beat today.“ Reklameslogan für Körperfunktions-Überwachungsgerätschaften, 2017f.

Die Verrenkungen des „heutigen Leistungssubjekts, … das sich selbst Gewalt antut, das mit sich selbst Krieg führt“ (Byung-Chul Han) ist die Rückkehr der Horkheimerschen „totalen Ausbeutung“ in die Menschen, die sie veranstalten, und daß die optimalsüchtigen Fans der „zweiten Natur“ (Lukács) sich beidem, Ausbeutung und Selbstausbeutung, so freudvoll zur Verfügung stellen, ist sowohl Folge als auch Motor der reflexionsfeindlichen, weil negationsaversen „allgemeinen Positivierung der Welt“, in der sich „sowohl der Mensch als auch die Gesellschaft in eine autistische Leistungsmaschine“ (Han) verwandelt haben: „Gerade die überspannte Anstrengung, die Leistung zu maximieren, schafft die Negativität ab, weil diese den Beschleunigungsprozeß verlangsamt.“

Und wenn was nicht sein darf, dann ja wohl das, und daß wir um die Folgen positiv unbekümmert sind, liegt in der Logik der Sache: „Jetzt braucht es nur noch ein wenig Schnee. Und falls uns der Klimawandel den Spaß verdirbt, schlittern wir halt künftig von Sanddünen hinunter“ (FAZ).

Sie haben fast alles kaputtgekriegt; und sich halt auch. Es ist nur konsequent.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Los geht’s

Die neue österreichische Regierung, lese ich, „dreht die Zeit zurück“ („Tagesspiegel“) und verläßt den Weg zum Bevormundestaat: „In der Präambel ihres Programms steht der Satz: ,Wir müssen der staatlichen Bevormundung ein Ende setzen.’ Und vier Sätze später gleich noch einmal: ,Statt Bevormundung von oben herab geht es darum, den Dienst an den Österreicherinnen und Österreichern zu leben.’ Es geht um das Ende der tatsächlichen, empfundenen oder bloß behaupteten Gängelung der Bürger eines Landes durch dessen Obrigkeit, durch den Staat mit seinen Gesetzen, durch Leute in den Großstädten und deren Moralismus, durch ,Gutmenschen’ und die Sprachschöpfungen von Feministen und Gender-Experten. Vor allem die Wähler der FPÖ beklagen das. Und der Regierung geht es darum zu zeigen, daß tatsächlich eine neue Zeit angebrochen ist in Österreich. Kurz vor Weihnachten sprach der neue Verkehrsminister in Interviews davon, über eine Lockerung des Autobahn-Tempolimits von 130 Kilometern pro Stunde nachzudenken.“ Das absolute Rauchverbot in der Gastronomie ist bereits kassiert.

Aber nicht nur die WählerInnen (kleiner Scherz!) der FPÖ beklagen das; auch der österreichische Kulturprofessor und Bestsellerautor Robert Pfaller schimpft auf die allwaltende Askese und beklagt den Verlust von „Lust- und Genußpraktiken, die, wie das Tragen von Pelzen, das Autofahren, das Austauschen von Komplimenten, die körperliche Liebe, das Rauchen, das Verschwenden von Zeit oder das Essen von Fleisch, heute für viele Zeitgenossen, sei es aus hygienischen, moralischen, politischen oder ökologischen Gründen etc., nur noch abstoßend sind“; und weil, wichtiger, „pedantische Oberaufseher“, „Oberlehrer“ und „Mimosen“, mithin die Moralisten und Sprachreglerinnen aus den „liberalen, wohlhabenden Innenbezirken“ der Großstädte das so verlangten.

„Die Transparenzgesellschaft ist eine lustfeindliche Gesellschaft.“ Byung-Chul Han, 2012

Und zwar, und das ist die Pointe von Pfallers frischem Buch „Erwachsenensprache“, als neoliberale Agenten. Gleichheit sei nämlich ganz und nicht dasselbe wie Diversität, sondern ihr reines Gegenteil: Die unterm neoliberalen Diktat schwindende materielle Gleichheit werde durch eine bloß symbolische ersetzt, in welcher zwar immer mehr Menschen immer weniger haben, dafür aber über einen Reichtum an Empfindlichkeiten und Identitäten verfügen, deren umfängliche Anerkennung lediglich die perfide Kehrseite des Umstands ist, daß die neoliberale Gegenwart vieles anerkennt, den Menschen als Humanum aber ganz gewiß nicht. Korrektheit sei deshalb neoliberale „Propaganda“ und überdies ein Distinktions- und Konkurrenzmittel der linksliberalen Mittelschicht, um „falsche“ Lebensweisen und „das rebellische, vulgäre und ungehörige Sprechen sämtlicher anderer zu diskreditieren“. Tatsächliche, konkrete Gleichheit und „politische Selbstbestimmung“, so Pfallers Schluß, könnten nur da gedeihen, wo es mit der Korrektheit ein Ende habe und wieder das Argument zähle, nicht die Person.

Das ist bedenkenswert, einerseits; Verwandtes habe ich selbst schon geschrieben (und später relativiert). Andererseits sind das die Sorgen der FPÖ-Kundschaft und ließe sich umgekehrt argumentieren, daß Rasen und Fressen („Die Spezialität des Hauses kommt in einer Art Blechtrog: ein Meter Österreich mit Schweineschnitzel, Rindsgulasch, Blunzengröstl, Eiernockerln und Würstchen“, „Tagesspiegel“) ja auch bloß konsumistische Sedativa sind und „Genuß“ unterm Kapitalismus nicht das ist, was vielleicht Adorno darunter verstand. (Ein akademisch-moralischer Großstadteinwand wiederum, gewiß; aber warum sind die Menschen jetzt plötzlich freie Genußwesen, wo sie doch sonst Charaktermasken sind?) Die Leute, schreibt Pfaller, würden systematisch zu Jammerlappen gemacht, die wegen jedem Pups zur Diskriminierungsstelle liefen; aber müssen nicht allenthalben die Kinder schon „stark“ werden (wegen Drogen, Markt usw.), und ist der resiliente Sport- und Outdoortypus nicht mindestens genauso zeittypisch wie Pfallers Gendermimose? Und ist das Mittelschichtspublikum, das sich nicht von akademischen Verbotsbeauftragten gängeln lassen will, beim Jammern (nämlich übers „Verbot“, Auto zu fahren und Fleisch zu essen, was ja nun ein Witz ist) nicht vorne mit dabei? Und zutiefst dankbar, daß wer die Schuld an Ausbeutung und Armut ausdrücklich nicht in den klassenspezifischen Konsum- und Ellbogengewohnheiten (als nämlich durchaus moralfernen) erkennt, sondern bei den Eierköpf*innen und dem Ami ablädt, der den PC-Quark aus den üblichen sinistren Motiven angerührt hat?

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“ Wittgenstein, 1918

Sündengeiß Diversität also. Was aber ist mit der Bewußtseinsindustrie, der täglichen Konsum- und Systempropaganda und jenem „Klassenkampf der Mitte“, geführt von der „großen Koalition der Wohlstandsbewahrer“ (Stephan Lessenich), denen Gleichheit (oder gar Sozialismus) zirka tausendmal weniger wichtig ist als die Möglichkeit, die optimale Schule fürs Kind zu finden und ohne Gewissensnot den Osterferienflug buchen zu können? Hat man sich in der guten alten präneoliberalen und vorkorrekten Zeit wirklich pauschal „erwachsener“ verständigt, wenn man Schauspielerinnen wie Helen Mirren in Talkshows männlicherseits auf ihr Dekolleté ansprach (SZ, 5.1.) oder Spaghettifresser wie Tonio Schiavo in Herne vom Dach schmiß? Gibt's nicht auch queere Facharbeiter auf dem Land, und kriegt etwa die Antifa Systemablehnung und *-Kultur nicht auch zusammen? Und wenn nur das Argument zählt, warum hält es Pfaller dann mit dem 9/11-Verschwörungstheoretiker Daniele Ganser?

Das sind so Fragen. Aber sie zu stellen ist ja Teil des produktiven, systemüberwindenden Dissenses, der wieder möglich werden soll. Ich bin dabei.

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Gärtners kritisches Silvesterfrühstück: Stadtluft, unfrei

Ich wollte nicht darüber schreiben. Ich schreibe über so vieles, da kann ich mir vorbehalten, es auch einmal gut sein zu lassen, zumal dann, wenn so viel Drängenderes auf dem Programm steht, etwa Deutschlands erste „Influencer-Akademie“ (kein Witz) in Berlin (sowieso kein Witz) – „auf dem Lehrplan stehen Selbstvermarktung, Erlös- und Leistungsmodelle, Kapitalbedarf, Kostenplanung und Personal Coaching. Was sich die Influencer der ersten Stunde selbst beigebracht haben, kostet hier mehrere tausend Euro“ (bento.de) –, die allfällige Sorgen, den Bildungsstandort Deutschland betreffend, begraben dürfte.

Aber dann sagt mir wer, dessen Rat ich schätze, es sei doch vielleicht nicht von vornherein falsch, wenn sich Nachbarschaft ein wenig organisiere; Laufgruppe, na ja, das brauche es sicher nicht, aber gemeinsame Straßenbegrünung, evtl. sogar -reinigung? Wo hier immer alles herumfliege? Ich besehe mir nochmals den professionell gemachten Vierfarb-Flyer, der gestern im Briefkasten lag, und sage, was ich von Leuten halte, die auf ihre „Kieze“ stolz sind, und daß ich sicherlich keinen Wert darauf legte, bei der Gründung eines solchen „Kiezes“ mitzutun, und Straßenbegrünung, erst recht -reinigung seien öffentliche Ordnungsaufgaben, und dafür sei Stadt da, daß diese Aufgaben von Verwaltungsseite übernommen würden, und alles andere sei dann eben „Unser Dorf soll schöner werden“, und hätte ich nicht erst vergangene Woche von „provinzieller Urbanität“ geschrieben? Wo bleibe denn die Wohltat städtischer Anonymität? Sei es nicht arg genug, daß man permanent von Manufaktur-Personal geduzt werde? Und sei es etwa in Berlin nicht längst so, daß sich „Kiez“ mit „Revier“ übersetze und als Heimat gegen beispielsweise „Erlebnistouristen“ (Christiane Rösinger, Schwaben/Berlin) verteidigt werde? Wie ja Kiez, positiv verstanden, doch Milieu (nicht bloß juste milieu) sein müßte, gewachsen und wachsend aus Altem, Neuem, Bedeutsamem, Egalem, und eben nicht das saubergentrifizierte Quartier, das sich die besserverdienenden Insassen dadurch romantisieren, daß sie sich einen Stammtisch einfallen lassen? Wo sie über nichts anderes reden als über sich bzw. die drei Straßen, die sie zum lokalen Tribeca machen wollen? Anstatt die Welt zu einem Ort, wo man Tümeleien aller Art nicht mehr bedürfte?

„… und Franz fühlte sich so wohl und glücklich, in der kleinen beengten Stube so selig und frei, daß er sich kaum seiner vorigen trüben Stunden erinnern konnte …“ Tieck, 1798

Diese und ähnliche Fragen habe ich gestellt, und ich stelle sie hier abermals und will sie aber als Fragen so stehen lassen; denn der (unter Garantie junge) Mann, der die Initiative anführt, wohnt ja naturgemäß um die Ecke, und weder will ich mir Feinde in allernächster Nachbarschaft machen noch sog. zivilgesellschaftliches Engagement denunzieren. Wenn der Kiez-Stammtisch hier Bäume pflanzt, bin ich dafür; aber wo ich herkomme, hatte die Welt zwei Kilometer im Quadrat, und es fällt mir im Traum nicht ein, da, wo ich bin und wo sie gottlob größer ist, mein Vollglück wiederum in der Beschränkung zu suchen.

Wo das neue Jahr, wenn nicht alles täuscht, doch beschränkt genug werden wird. Kommen Sie, bitte, gut hin.

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Gärtners kritisches Weihnachtsfrühstück: Die heilige Familie

Das will ich mir jetzt aus Barmherzigkeit verkneifen, die Bahn mal wieder zur Rede zu stellen dafür, Dutzende Milliarden in technophilen Entscheider-Träumen zu versenken, damit es sich noch energischer kreativen Zeitarbeitsplätzen hinterherrasen läßt, während unser Intercity von D. nach H. schon mit einem Wagen weniger einfuhr und nur glückliches Geschick verhinderte, daß es der Wagen war, für den unsere Reservierung galt. (Es gibt ja Leute, die die gegenwärtigen Verhältnisse für Krieg halten. Immerhin die Flüchtlingszüge haben wir schon; oder jedenfalls manchmal.) Hinter Kassel stand dann plötzlich diese junge deutsche Familie im Abteil, die wegen der üblichen Anschlußzugsprobleme und eines Ausweich-ICE, der unseren Zug überholt hatte, ihre Plätze erst zwei Stunden später in Anspruch nehmen konnte (und auch mußte), und das Erstaunliche war, daß die Herrschaften, die auf diesen Plätzen saßen, die Plätze sogar ohne Murren, ja geradezu verständnisvoll hergaben; wenn schon sonst nichts, macht doch die Bahn als Schicksalsgemeinschaft die Leute freundlich, wenigstens manchmal und untereinander.

Also diese Familie, zwei frühe Dreißiger, zwei Kinder, vielleicht drei und eineinhalb, und wir hatten uns nie gesehen und haben bloß zwei freundliche Sätze miteinander gewechselt; und trotzdem erkannte ich sie: weil es nämlich exakt die Familie war, die gemeint ist, wenn die Mittelschicht von der Mittelschicht spricht.

Die Frau: auf diese provinzielle Weise urban (oder eben umgekehrt), Berlin oder Posemuckel, das läßt sich wirklich kaum mehr sagen; Akademikerin, was im weitesten Sinne Soziales, evtl. Umwelt. Kocht am liebsten Sachen aus Omas Rezeptkladde, hat aber auch ein Dutzend bunt aufgemachter Kochbücher im Regal, z.T. geschenkt gekriegt. Die Kinder mit verdünnt ambitionierten Namen; der Ältere bereits in Tatzenjacke, das Logo so groß wie sein Kopf. Sie liest Rolf Dobelli und Nele Neuhaus, ist kritische Facebook-Nutzerin und geht nach den Tagesthemen ins Bett, sie muß früh raus, der Kinder wegen. Sie redet sehr freundlich mit ihnen.

„Aber eines trüben Tages sieht man heller und fragt, ob es denn richtig ist, den Weg, der von Gott wegführt, so zielbewußt mit keinem Schritte zu verfehlen.“ Karl Kraus, 1914 („In dieser großen Zeit“)

Der Mann nimmt, kaum daß er sitzt, das Telefon in Betrieb. Es geht in seinem Gespräch um eine Promotion. Das Telefon ist etwas zu groß für Soziologie, er sieht auch nicht so aus; eher Ingenieur, Medizin vielleicht. Er hätte gern einen großen Audi. Sie fahren Bahn nicht aus Überzeugung, sondern weil es vor den Feiertagen Sinn macht. Als der Mann immer weiter telefoniert, weist seine Frau ihn darauf hin, daß er den Mitreisenden störe, aber nicht generell, sondern beim Vortrag vom „Karpfen Kilobald“: Elternsolidarität. Im Kitabeirat sitzt sie nicht, aber wenn auf dem Elternabend diskutiert wird, ob das Sportprogramm grundsätzlich im Freien stattfinden soll, dann ist sie dafür, weil Bewegung an frischer Luft Kurzsichtigkeit vorbeugt. G8 fand sie trotzdem problematisch.

Trump hassen beide, weil er das Klima kaputtmacht. Im Februar fliegen sie in die Sonne, da halten sie es in der Kälte nicht mehr aus. Im Supermarkt kauft sie Biofleisch. Eine Jamaika-Koalition wäre mal was anderes gewesen, auch wenn der Mann findet, daß die Grünen eine Verbotspartei sind. Sie freut sich auf ihre Eltern, er findet es ein bißchen früh, schon am Mittwoch hinzufahren.

Dies alles weiß ich nicht und weiß es doch, und was ich auch weiß, ist, daß das der Angelpunkt des Landes ist. Ich wünsche angenehme Tage.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Lügenpresse

Es ist ja nicht so, daß die Deutschen ihre Muslime von Herzen lieb haben: Sie wählen Erdoğan oder sind gleich Islamisten, und ihretwegen gibt es Problemviertel und Problemschulen. Verzichten können wir auf Türken und Araberinnen aber nicht, und nicht bloß wegen Döner mit allem oder weil ihr Weissu-ich-schwör-Deutsch dafür sorgt, daß der Lecker-perfekt-von-daher-Argot der Mehrheit wie Hochsprache klingt. Die muslimische Parallelwelt wird gebraucht, damit wer, etwa in Neukölln, stellvertretend israelische Flaggen verbrennen kann, weil der deutsche Bildungsbürger, die deutsche Israelkritikerin das ja bloß im Leserbriefteil ihrer Zeitungen dürfen, die die kanakischen Restschüler, wie die Morgenzeitung wußte, leider nicht lesen:

„Ein paar Jungs in schicken weißen Turnschuhen zünden ein weißes Tuch an, das einen Davidstern zeigt. ,Geil’, sagt Mohammed. Er selbst ist in Berlin geboren und aufgewachsen, seine Eltern stammen aus Libanon. Woher er seine Ansichten habe? Mohammed versteht die Frage nicht. Neuer Anlauf. Wie informiert er sich? ,Internet.’ Zeitungen? Nie eine gelesen. Seine Zeitung sei der TV-Sender Al-Jazeera.“

„Gibt es aber überhaupt eine vernünftige Art, über den arabisch-jüdischen Konflikt zu sprechen? Wenn man als Nichtjude nach dem Antisemiten-Methadon ,Israelkritik’ süchtig ist, natürlich nicht.“ Biller, 2014

Und das ist dann das Problem, daß die jungen Herrschaften nicht Zeitung lesen, z.B. die in Nahost-Angelegenheiten so fabelhaft objektive SZ. Die Leserbriefseite vom Dienstag, wo nach Trumps Jerusalem-Entscheid des Tobens kein Ende war – wegen Juda, nicht Trump –, ist mir versehentlich dorthin geraten, wo sie hingehört, ins Altpapier, aber viel eklatanter war die Reportage-„Seite drei“ mit einem langen Text über „die religiösen Verheißungen“, die sich in Jerusalem bündeln – eher neutral, die Korrespondentin, wie berichtet, ist neu – und einem kleineren darunter über die brennende Flagge von Neukölln und muslimischen Antisemitismus, und während hier ein kleines, zweispaltiges Foto den Flaggenbrand abbildet, ist das Aufmacherfoto ein vierspaltiger Klopper, 23 auf 19 Zentimeter, und zeigt, wiewohl es im Text um religiösen Fanatismus auf beiden Seiten geht, vier teils schreiend verängstigte Palästinenserinnen, die sich vor einem berittenen israelischen SEK-Polizisten an eine Hauswand drücken. „Jerusalem ist wichtiger als Eilat oder Beit El, weil es viel mit Religion zu tun hat“, sagt der Historiker Moshe Zimmermann im Text. In der Bildunterschrift sagt er: „Die Mehrheit der Palästinenser ist eingeschüchtert.“

Denn wie immer die Geschichte wirklich geht, so geht die Geschichte (im doppelten Sinn): Der Jude mit dem Knüppel hoch zu Roß, seine eingeschüchterten, unschuldigen Opfer an der Wand, und daß sie allesamt Kopftuch tragen, stört hier ganz ausnahmsweise nicht. (Im Fernsehen geht das genauso: Die verrückte jüdische Siedlerin mit den zehn Kindern kriegt einen ausführlichen Hausbesuch, dem verrückten Islamisten bleibt ein bißchen Pressekonferenz.) Und daß dann wer israelische Flaggen verbrennt, ist das ein Wunder? Und wie soll man das nennen, daß sich das auch genau andersherum erzählen ließe und daß das aber (Publizistikseminare, korrigiert mich bitte) nie geschieht, in München schon gleich gar nicht? Und was hat dieser reflexhaft manipulative Journalismus Al-Jazeera mehr voraus, als daß er bloß verhohlen antisemitisch ist? Und warum besorgen noch jüdische Expats das Geschäft ihrer liberalen deutschen Pseudofreunde? Die New Yorker Autorin Deborah Feldman, in Berlin ansässig, findet es „verrückt …, wie Israel hassende Muslime in Deutschland plötzlich gemeinsame Sache machen mit dem rechtsnationalistischen Flügel der AfD. Sie sagt: ,Es gibt leider so viel blinden Haß in der Welt. Warum?’“

„Gestern: Presse fabelhaft.“ Goebbels, 1933

Dieser Haß ist sowenig blind, wie er ausschließlich auf rechtsnationalistischen Flügeln zu Hause ist. Was er sieht, sieht er, und was er sehen will, kriegt er zu sehen. Ich weiß auch, wo. Pfui Teufel.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Der doofe Rest

Jedes fünfte Kind in Deutschland kann am Ende seiner Grundschulzeit nicht vernünftig lesen und schreiben, und bevor jetzt wieder das allgemeine Gequengel anhebt von wegen Iglu-Schock, Rückschlag im internationalen Bildungswettbewerb usw.: Ich find’s eigentlich ganz gut.

Weil, es ist doch so. Dieses fünfte Kind ist ja ohnehin keins von uns: Zuhause wird weder richtig (oder überhaupt) deutsch gesprochen, noch stehen (gute!) Bücher im Regal, und die Schule, nicht wahr, kann auch nicht immer alles reparieren, was im Elternhaus verbrochen wird. Die protestantische Idee ist doch, daß der liebe Gott es den Seinen nach deren Mühen zuteilt, und wenn ein Kind nicht lesen lernt, dann ist das nur gerecht; wie es umgekehrt ganz ungerecht wäre, wenn die Kinder, wo zuhause RTL oder Auslandssender läuft, genauso prima lesekompetent wären wie unsere.

Diese Kinder nach vier Schuljahren voneinander zu separieren ergäbe ja auch gar keinen Sinn, wenn sie alle gleich gut wären, und auf unseren Gymnasien, Entschuldigung, ist weiß Gott genug los, da muß man dann schon sehen, wo man die Mittel konzentriert. Ohne zukünftige Leistungsträger geht es ja wohl nicht! Und braucht denn wirklich jedes Kind ein Abitur? Also, unsere Kinder natürlich schon, das hat was mit der Geschichte des deutschen Bürgertums zu tun, das Leute ohne Abitur für Honks hält. Aber irgendwer muß ja schließlich auch Häuser mauern oder Müll wegfahren, und stand das nicht neulich in der Zeitung, daß in Spanien ein Mangel an Feuerwehrleuten herrscht, weil die Leute reihenweise durch den Eignungstest fallen, und war die berechtigte Frage des Redakteurs nicht, warum man Rechtschreibung können muß, um Häuser zu löschen? In derselben Zeitung war jetzt ein Riesenartikel über Amazon, und da liegen die einen Leute auf dem Sofa und bestellen den ganzen Tag Quatsch, und die anderen stehen, kaum macht irgendwo ein Vertriebszentrum auf, Schlange für einen Job, weil man für den „nichts können muß“ (Zeitung). Und beides gehört zusammen, volkswirtschaftlich, logisch, überhaupt.

„Wenn ich noch mal das Wort ,Bildung’ höre, gehe ich spazieren.“ Jürgen Roth, 2018

Es muß dieses Kind, das nicht lesen kann, und ein weiteres, das nur halbwegs lesen kann, auch darum geben, weil sonst die anderen drei nicht aus Haushalten kommen könnten, die sich als bildungsnah bezeichnen, auch wenn sie eigentlich von nichts eine Ahnung haben, aber einen Riesenfernseher mit „Alexa“-Steuerung. Super Interview mit Bono heute: „Können Sie denn nachvollziehen … weil alles transparent und nachvollziehbar war … Ich kann das nachvollziehen“, und derart limitiert daherreden und -übersetzen und trotzdem noch Elite sein geht ja nur, wenn andere noch viel weniger können. Oder eben nichts, hurra!

Also muß man gezielt dafür sorgen, daß die Blöden sogar noch blöder bleiben wie wir: Zu wenige Lehrerinnen hier, „Schreiben nach Gehör“ da, am besten beides, und schon hat man ein überaus nützliches Drittel Bevölkerung: für die stetig wachsende Nachfrage bei Paket- und Lieferdiensten, aber auch fürs Verachtenkönnen, wobei wir, systemisch günstig, bloß uns selbst verachten, weil wir uns sehen, wie wir wären, könnten wir nicht mehr.

Bis dahin freilich: Alles gut!

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg