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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Bilanzen

Gut möglich, daß es nur mir so geht, aber etwas zwingt mich, noch dann mit den Verfolgten zu sein, wenn es sich um Schufte handelt. In Ken Follets Spionageromanklassiker „Die Nadel“ fiebere ich wie selbstverständlich mit dem Nazispion, denn er ist der, hinter dem sie her sind, und hätte sich Barschel damals auf die Flucht begeben, ich wäre für Barschel gewesen, umständehalber. Vielleicht, weil wir immer auf der Flucht sind; und Träume ja auch immer so gehen, daß man verfolgt wird, und nie, daß man verfolgt.

Verwandter Mechanik mag es sich verdanken, daß mir Sigmar Gabriel plötzlich leid tut, obzwar ich mal beifällig den Kabarettisten Max Uthoff zitiert habe, er, Uthoff, würde in jedem Fall die Straßenseite wechseln, um mit Gabriel nicht den Fußweg teilen zu müssen. Und trotzdem ist da nun einer vor der Zeit beruflich am Ende, und zwar nicht seiner Politik wegen, die bald gegen faule Griechen, bald wider Israel löckte, sondern weil er seine Klappe einmal zu oft aufgerissen hat. Ein Spruch weniger, und Gabriel hätte die nächsten vier (oder acht) Jahre in der Welt herumfliegen und als Mann von Renommee in den Ruhestand gehen können.

Selbst für einen solch trainierten Verdauer muß das eine Herausforderung sein, zumal der Sozialdemokrat Gabriel dasselbe Problem hat wie meine Lieblingscharge Maybritt Illner, der stets ein stilles Entsetzen darüber im Gesicht klebt, mit welch komplettem Irrsinn („Maybritt Illner“) sie ihre Tage hinbringt, die aber mit dem Irrsinn nicht aufhören kann, weil sie ja bloß solange da ist, wie der Irrsinn anhält. Dreißig Jahre, schrieb Gabriel in seiner Abschiedserklärung, habe er dem Land und der Partei gedient, und in seiner letzten Woche als Außenminister stand in der Zeitung, daß Hartz-IV-Kindern in Deutschland 2,77 Euro am Tag für Lebensmittel zustehen, während in den Ballungszentren, sagt eine Studie, Privatschulen wie Pilze aus dem Boden schießen und im Verein mit immer mehr Höchstbegabungsinstituten dafür sorgen, daß der Auslesedruck nicht nachläßt. An anderer Stelle war zu lesen, daß die Bildungs-, Aufstiegs- und Verdienstchancen sogar noch am Großelternhaus hängen, und daß der legendäre deutsche Sozialstaat ohne Tafeln nicht liefe, ist auch keine Neuigkeit.

„Da lebe ich und lebe – aber wozu?“ Platonow, 1926/27

Man wird ja selbst dereinst Bilanz ziehen müssen, und sie wird bestenfalls durchmischt sein; aber dreißig Jahre SPD, und am Ende steht Klassenkampf in ungekannter Härte, da bin ich noch King. In Zeiten, wo Hunderttausende aus Syrien und sonstwo fliehen, soll man, in seinem warmen Arbeitszimmer sitzend, sowenig sagen, man sei auf der Flucht, wie daß vorm Fenster Krieg herrsche, wenn die Panzer im Viertel noch Alufelgen haben. Doch als Bilanz eines sozialdemokratischen Frührentners ist die Befreiung Deniz Yücels aus despotischer Haft zwar mehr als nichts, aber zu wenig, um nicht finden zu müssen, daß, wo man selbst nicht bleiben kann, rein nichts geblieben ist.

Aber was rede ich. Eben schickt mir die Edition Tiamat den zehnten als ersten Band der Wolfgang-Pohrt-Werkausgabe, und kaum blättere ich hinein, lese ich wieder den halb sarkastischen, halb belustigten Text über den „Linksradikalismus im Sozialstaat“ als „Revolution am Schreibtisch“, für die man „sogar Geld“ bekommt“, „solange jedenfalls, wie elegant formulierte Kapitalismuskritik ein Spaß für aussterbende Bildungsschichten bleibt“. Da ist es tröstlich, daß das keinesfalls der Gipfel der Sinnlosigkeit ist; aus dem Wirtschaftsteil: „Seit gut 100 Tagen steht die ehemalige Opel-Marketingchefin Tina Müller (,Umparken im Kopf’) an der Spitze von Douglas. … Tina Müller wechselte, kaum angekommen, das Top-Management aus, rekrutierte neue Leute, vor allem Frauen. Eine Videobotschaft an die Mitarbeiter zeigte sie dann kurz vor Weihnachten, wie sie in einem mit Douglas-Tüten vollgestopften Opel Adam durch Düsseldorf kurvte, dazu ,Last Christmas’ hörte, mitträllerte und versprach: ,Bei der Filiale, die das beste Weihnachtsgeschäft macht, steht bald der Adam vor der Tür.’ Sie schleuste auch ihre Mutter als Mystery-Käuferin in eine Douglas-Boutique, um sie sozusagen als verdeckte Ermittlerin herausfinden zu lassen, ob die Verkäuferinnen die Kundinnen auch wirklich so lächelnd umgarnen, wie sie, die neue Chefin, das vorgegeben hat“ (SZ, 8.3.).

Eine Frau mit Zukunft; sie ist danach. (Die Zukunft. Die Frau aber auch.) – Elegant formuliert, das muß ich mir lassen.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Einverstanden

Der Erfolg des Online-Handels, wissen Psychologen, beruht u.a. darauf, daß ein Paket wie ein Geschenk ist und die Leute sich freuen, jeden Tag Weihnachten zu haben. Arbeiten die Leute darüber hinaus in meiner Branche, sitzen also den ganzen Tag am Schreibtisch, um Dinge gut oder nicht so gut zu finden, kann es sich sogar fügen, daß sie Überraschungsgeschenke erhalten, etwa vom freundlichen Rowohlt-Verlag, der mir, weil ich wohl so was wie ein Multiplikator bin, das Buch des Washingtoner ARD-Korrespondenten Jan Philipp Burgard „Ausgeträumt, Amerika? Unterwegs in einem gespaltenen Land“ zur Verfügung stellt. Jan Philipp Burgard ist vorne drauf und blickt zufrieden von den Stufen des Lincoln Memorial herunter. Wir kommen darauf zurück.

Der erste Satz der vorderen Umschlagklappe lautet: „Amerika ist ein Land voller Widersprüche“, und solcher Erkenntnisse wegen reist das „journalistische Ausnahmetalent“ („Kress Magazin“) laut Umschlagtext „mehr als ein Jahr lang … kreuz und quer durch Amerika und spricht mit den Menschen“; die Reisekarte im Buch zeigt freilich, daß Dr. Burgard nicht kreuz und quer durch die USA getrampt, sondern brav ein paar Mal vom John Foster Dulles Airport geflogen und jedesmal wieder zurückgekehrt ist, man hat ja schließlich Beruf und Familie. Blick auf die hintere Umschlagklappe, von uns Profis U3 genannt: „ … geboren 1985 in Iserlohn, studierte Politik, Neuere Geschichte und Öffentliches Recht in Bonn und Paris. Als Producer im ARD-Studio Washington erlebte er 2008 den Aufstieg von Barack Obama und promovierte 2011 über dessen ,Jahrhundertwahlkampf’.“ Mit 23 Producer, mit 26 eine Dissertation, die vermutlich keinen akademischen Stein auf dem anderen läßt: hätte ein US-Freeway eine Überholspur, „Dr. Jan Philipp Burgard“ (U3) wäre drauf. „Nach Stationen bei den ARD-Tagesthemen, als Reporter für den NDR und das ZDF sowie als Referent des WDR-Intendanten wechselte Burgard 2016 in die Tagesschau-Redaktion. 2017 wurde er Korrespondent“ und gleichzeitig Buchautor, der uns an seinen Erfahrungen aus vielen Wochen als Korrespondent nun teilhaben läßt.

„Wir bescheidenen Übersetzer, / etwa von Fahrplänen, / Haarfarbe, Wolkenbildung, / was sollen wir denen sagen, / die einverstanden sind / und die Urtexte lesen?“ Eich, 1963

Und dann geht es los: „Meine Hände zittern nicht nur wegen der Kälte, als Anna und ich vor dem Lincoln Memorial in Washington aus dem Taxi steigen. Noch nie in meinem Leben war ich so aufgeregt. Anna ahnt nicht das Geringste. Ich glaube, in ihren Gedanken lesen zu können, daß sie lieber direkt ins Restaurant gefahren wäre, statt bei arktischen Temperaturen und zu später Stunde noch ein Monument zu besichtigen. Den ganzen Tag hat Anna mich von Museum zu Museum geschleift, aber angesichts der Minusgrade scheint ihr Wissensdurst ausgerechnet jetzt am Lincoln Memorial gestillt zu sein … Wahrscheinlich findet Anna meine Idee völlig verrückt, hier auf dem Weg zum Dinner noch haltzumachen“, weil Dr. Burgard seiner Anna (S. 5: „für Anna Maria“) nämlich noch einen Heiratsantrag machen will, damit sich sein persönlicher amerikanischer Traum erfüllt: „Inzwischen leben wir in Washington und sind stolze Eltern einer kleinen Tochter. Unser persönlicher amerikanischer Traum erfüllt sich.“

Warum müssen wir von derlei erfahren? Gut, Dr. Burgard mag gefunden haben, sein Kniefall vor Lincoln und der Umstand, daß er mit Folgen seiner Anna beigewohnt hat, sei immerhin lesenswerter als das, was an Brisantinformation folgt: „Die Route 66 ist viel mehr als eine Straße. Wer auf ihr unterwegs ist, sucht den amerikanischen Traum von grenzenloser Freiheit“ / „Das Weiße Haus im Kampf gegen die Medien“ / „Krank in Kentucky: Wenn Gesundheit unbezahlbar wird“; außerdem gibt es das, was Richard Sennett den „Terror der Intimität“ nennt, und vielleicht kann selbst ein erfolgsverwöhnter Mensch wie Dr. Burgard, aus dessen Hinterteil die Sonne so unverschattbar gleißend scheint, sein Glück einmal nicht fassen. Möchte freilich sein, irgend etwas in ihm ahnt, daß er eine völlig künstliche Existenz ist, ein Klon, das Ergebnis von Apparaten, die Apparate formen, die das ewig lange Danke am Schluß natürlich einleiten müssen mit „Only teamwork makes the dream work“. Und wir, die es nicht ein Zehntel so weit gebracht haben, sehen nach oben, an Dr. Burgard noch ziemlich vorbei, und grüßen Günter Eich: „Vor soviel Zuversicht / bleibt unsere Trauer windig“.

Wenn auch freilich verständlich.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Sieger

Vergangene Woche verteidigte im Sonntagsblatt der Altherrenkolumnist Klute den Altherrenkolumnist Martenstein, also eine Krähe die andere, falls das nicht krähendiskriminierend ist. Ich hab es nicht gelesen; man muß ja nicht tiefer in den Dreck fassen als beruflich nötig. Es ist dies nämlich auch eine Frage der mentalen Reserven, und als ich bei den Kollegen und Kolleginnen der Zürcher WOZ las, im zentralamerikanischen El Salvador sei es, unter dem wie stets seligen Einfluß der katholischen Kirche, Rechtspraxis, Fehlgeburten als (verbotenen) Schwangerschaftsabbruch zu werten und Frauen, die ihr Kind verloren haben, für Jahrzehnte wegen Mordes (!) ins Gefängnis zu stecken, war mein Maß eigentlich schon voll; plus ein paar Zeilen Erdogan, der Kollegen von mir gleich lebenslang in Isolationshaft schicken läßt, und dann geht es eigentlich schon nicht mehr.

Und so ist man geradezu dankbar, wenn das Tagesgeschäft Wahnsinn bereithält, zu dem einem wenigstens noch etwas einfällt. In Essen hat der Betreiber einer sog. Tafel sein Angebot für Nichtdeutsche gesperrt, gar nicht mal, sagt er, aus Ausländerfeindschaft, sondern um dem Andrang irgendwie Herr zu werden und weil die „deutsche Oma“ sich zwischen den migrantischen Männern, deren Zahl zuletzt sprunghaft gestiegen sei, aber doch auch fürchte. Fällt derlei vor, ruft das Morgenblatt verläßlich „den einzigen der hilft“ an die Tastatur, „der sprengt die Ketten fegt auf trümmerstätten / Die Ordnung, geisselt die verlaufnen heim / Ins ewige recht, wo grosses wiederum gross ist“ (Stefan George): „Das Problem besteht nicht nur darin, daß die Tafel in Essen auf anfechtbare Weise den großen Andrang zu sortieren versucht. Das Problem besteht darin, daß die Tafeln per se einen Zustand der staatlichen Unterversorgung perpetuieren und einer Gesellschaft, die massenhaft Lebensmittel wegwirft, ein gutes Gewissen verschafft; der Staat sieht zu, wie sich die Armen und Bedürftigen an den Tafeln drängen – und diese Tafeln müssen dann die Konkurrenz der Bedürftigen ausbaden.“ Tafeln seien „eine Schande für den Sozialstaat“, den der Doktor Prantl vor ein paar Jahren noch etwas präziser „Almosenstaat“ genannt hat.

„ … dann aber hat / das Hohle jener Formen dich geschreckt, / du griffst hinein und schöpftest Leere / und beklagtest dich. … Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles.“ Rilke, 1908

Lustiger- oder womöglich infamerweise darf direkt nebenan Kollege Schoepp, der an dieser Stelle schon einmal auffällig geworden ist, weil er seinen Kapitalismus „mit neuen Werten und Verhaltensweisen anreichern“ wollte, um „die soziale Marktwirtschaft … zu bewahren“, sich die „Welt von morgen“ ausmalen, in der es, bewahre, nicht mehr links gegen rechts geht, sondern „ein neuer Dualismus“ zu bestaunen sei, „nämlich der zwischen einem im weitesten Sinne liberalen und einem identitären Lager“: „Das ist eine direkte Folge des Sieges der freien Marktwirtschaft und des digitalen Dataismus. … Inzwischen wird die freie Waren- und Datenwelt von den meisten Menschen akzeptiert, wenn nicht begrüßt. … Auch diejenigen, die am Ende der Lohnpyramide stehen, brauchen den Packerjob bei Amazon, um zu überleben. Und andere Jobs hatten auch die Postmarxisten nicht zu bieten. … Allen Segnungen der Freiheit zum Trotz: Es gibt in vielen Menschen jene Sehnsucht nach Gerechtigkeit, familiärer Verankerung und Identität, die im Rausch der Datengeschwindigkeit eher wächst. … Empathie entwickeln, Menschen einbinden, die sich ängstigen um ihren Job in einer Welt, in der die Arbeit verschwindet – das aber müssen Liberale erst noch lernen; vielleicht ja von den Werten der alten Linken.“

Ich bin ja bloß ein mittelalter Linker, aber bevor ich unseren Liberalen beibrächte, wie sie Empathie entwickeln und Menschen einbinden, etwas, das zu lernen der Liberalismus ein Vierteljahrtausend Zeit hatte, möchte ich, zumal im Marx-Jahr, auf diesem anderen Dualismus bestehen, der, weil er so schön gesiegt hat, den Dualismus von neoliberal und völkisch zu einem von Ursache und Wirkung macht. Was Schoepp und Konsorten für die Welt von morgen halten, ist die Welt von vorgestern, und daß die Orbans, Erdogans und Weidels das mit dem Menscheneinbinden im Zweifel besser hinkriegen als die, für die Prantl den Seelsorger gibt, ist so sicher wie das Amen in jener Kirche, deren Reich, kommt’s dumm, dann wieder ganz von dieser Welt sein wird. „Das Scheitern der klassischen Linken aber war die Voraussetzung dafür, daß sich Rechtspopulisten nun als einzige Alternative zum Marktliberalismus aufspielen können“ (Schoepp), was als Analyse weniger verächtlich wäre, wenn sie dieses Scheitern nicht alle gewollt und beklatscht hätten; und es gar nicht erwarten können, bis etwa der venezolanische Busfahrer dem nächstbesten Caudillo Platz macht.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: The Art of the Deal

Die drei Fernseher in meinem Rückenstudio laufen natürlich stumm, und so mußte (oder vielleicht durfte) ich die ersten Bilder von der Freilassung Deniz Yücels ohne Tonspur sehen; und hätte den akustischen Teil vielleicht auch später übergangen, wenn mein Kolumnisteninstinkt sich vom Tagesthemen-Kommentar des Bayerischen Rundfunks nicht was versprochen hätte. Zumal da es in Tagesthemen und Heute-Journal wie auch tags drauf im Frühstücksblatt darum ging, ob das nun ein „Deal“ gewesen sei, schlimmstenfalls ein „schmutziger Deal“, wie ihn sich der Gefangene selbst ja verbeten hatte. Für den geschäftsführenden Außenminister, wußte ein Andreas Bachmann (BR), war es jedenfalls ein viel zu guter Deal:

„Wie anbiedernd ist es da, wenn sich Außenminister Sigmar Gabriel heute bei der türkischen Regierung auch noch für die Verfahrensbeschleunigung im Fall Yücel bedankt, nach 367 Tagen Untersuchungshaft. Für Gabriel dürfte die Freilassung des Journalisten eine seiner letzten Taten als Außenminister sein, die in guter Erinnerung bleiben. Entsprechend hat er den Tag heute ausgekostet, flog extra von der Münchner Sicherheitskonferenz nach Berlin, um beim Axel-Springer-Verlag eine Pressekonferenz zu geben. Ein wichtiges Treffen mit den Regierungen Frankreichs, Rußlands und der Ukraine hier in München wurde dagegen aus Termingründen abgesagt. Und so scheint es, aller Beteuerungen Gabriels zum Trotz, daß der Fall Yücel für ihn auch Teil des Kampfes um das Amt des Außenministers ist. Nutzen wird es ihm wohl nicht.“

„Do ut des.“ Aus dem römischen Recht

Politik geht, glauben wir der veröffentlichten Meinung, die etwa aus dem Kopfschütteln über die SPD nicht herausfinden will (Jasper: „würdelos“), ja ohnehin am besten so, daß alle sich immer einig sind und es Deals, ob nun schmutzig oder nicht, gar nicht bedarf; und wenn Zamperoni und Slomka sich nun furchtbar kritisch dabei vorkommen, nach einem Deal zu fahnden, und sich ausgerechnet ein BR-Mann, als wisse er nicht, wo’s verläßlich warm rauskommt (CSU), über sozialdemokratisches Anbiedern mokiert, dann wollen sie die saubere Politik als am besten gar keine. Dann fährt ein Bundesaußenminister zu einem Autokraten, führt einen Habermasschen Dialog, erreicht, was er will, und verabschiedet sich gleich im Anschluß in die Rente, damit ihm niemand unterstelle, er wolle von den Früchten des Erfolges naschen.

Der Widerwille vor der schmutzigen Politik, er sitzt so tief in deutscher Seel’, und fast möchte man zögern, ihr diese Wahrheit mitzuteilen: Politik ist immer Deal, und was Erdogan bekommen hat, ist die Rückkehr in den Kreis derer, mit denen sich verhandeln läßt, u.a., lesen wir, nach Vermittlung durch Exkanzler Schröder, dem „ein Händchen im Umgang mit Autokraten und Halbdemokraten nachgesagt“ wird (SZ), der also weiß, wie Deals mit Schmutzfinken funktionieren, und selbst bekanntlich mit eher dunklen Westen unterwegs ist. Was Deniz Yücel bekommen hat, ist die verdiente Freiheit, das Haus Springer kann sich als Hüter der Pressefreiheit aufspielen, die Medien dürfen ultrakritisch nachfassen, und früher oder später wird es auch wieder Ersatzteile für die deutschen Panzer in Diensten der türkischen Armee geben, ob da nun türkische Journalisten lebenslang in Haft sitzen oder nicht. Das kann man gern häßlich finden, möge aber nicht so tun, als sei es in einer Welt, „in der jede Pore des Lebens zur Ware gemacht wird“ (Stephan Lessenich) und „gerade das streng persönliche Handeln dem jetzigen Begriff der Moralität (als einer allgemeinen Nützlichkeit) entspricht“ (Friedrich Nietzsche), etwas Gott weiß wie Unerhörtes, ja Systemfremdes. 

„Ein einzelner Mensch zählt mehr als die Schöpfung.“ Aus dem Avot de-Rabbi Nathan, 1550

Falls nicht wiederum umgekehrt ein Schuh draus wir: daß sie sich dicktun, weil sie es alles in allem eben gar nicht häßlich finden.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ad acta

Unsere Eliten stehen ja neuerdings unter Beschuß; aber nicht wegen Lüge, DAX und Ausbeuterei, sondern ihrer kulturellen Hegemonie wegen. Der verläßliche, im Zweifel überaus linke J. Augstein: „Es gab einen Vertrag, der stand nirgendwo geschrieben. Sein Inhalt war einfach: Die sogenannten kleinen Leute duldeten die gesellschaftliche Liberalisierung, mit der sie in Wahrheit wenig anfangen konnten. Im Gegenzug machten die liberalen Eliten ihren Einfluß dafür geltend, daß Ungerechtigkeit und Chancenungleichheit nicht überhand nahmen. Die Eliten haben diesen Vertrag gekündigt. Warum haben sie nicht gesagt: Wir wollen keine Ehe für alle, solange es keine gerechten Löhne gibt. Wir wollen keine Gleichberechtigung der Frauen, solange Arbeiter befristet beschäftigt werden dürfen.“

„Ja, warum nur?“ frug da der liebe Kollege Mark-Stefan Tietze auf Facebook retour. „Vielleicht, weil die liberalen Eliten auch sonst gar nicht so viel Interesse an gerechten Löhnen und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen für Arbeiter zeigen? Und man auf Ehe für alle und Gleichberechtigung der Frau sonst bis zur Weltrevolution warten müßte?“ Im übrigen bestünden Augsteins sogenannte kleine Leute ja hier und da wohl ebenfalls aus Schwulen, Lesben oder Frauen; und also muß ich hier nicht ausholen, sondern kann diesen Quatsch und Stuß als von fremder Feder erledigt zu den Akten tun. Auch mal schön.

„Sprechen Sie leise, mein Mann ist zuhause.“ Ibsen, 1879

In einem anderen Fall schimpft nun Elite auf Elite. Nachdem der Vorsitzende des Daimler-Konzerns sich beim offiziellen China servilst dafür entschuldigt hatte, mit einem Satz des Dalai Lama geworben zu haben, verlor der (gute) Korrespondent des Morgenblatts die Fassung: „Das war ein jämmerliches Schauspiel … Der Kotau vor Peking ist eine Ohrfeige für jenen Rest der Welt, der erstens die Meinungsfreiheit und zweitens vielleicht auch den Dalai Lama ganz in Ordnung findet. Aber es geht ja gar nicht um Respekt. Es geht um die Angst und ums Geschäft.“ Ein „unwürdiges Schauspiel“ sah auch die FAZ, die eigentlich nichts dagegen hat, wenn es ums Geschäft und um die Angst geht (sog. Kapitalismus) und die es aber, sowenig wie der Münchner Kollege, nicht gewohnt ist, wenn es irgendwo einen Primat der Politik gibt.

„Der Vorfall ist lehrreich“ (SZ), aber nicht nur wegen „Chinas Streben nach Weltherrschaft“ (FAZ), sondern wegen des Blicks auf Roß und Reiter. Westliche Werte, jammerte München, habe Daimler „verraten“, als sei die Mönchsherrschaft, für die der sog. Dalai Lama steht, ein Vorbild, und gab wie von ungefähr einen Hinweis darauf, wie sich die westlichen Werte verstehen: als solche nämlich, die darauf gründen, daß die Politik vor der Wirtschaft zu kuschen hat und nicht etwa umgekehrt. Wie unerhört und skandalös, daß der Chef eines Weltunternehmens vor der Politik kriecht! Aber „Rückgrat zu verkaufen“ (SZ), nebbich: Wer auf Teufel komm raus verkaufen muß, der darf keins haben, und wer einer Gesellschaft vorsteht, die dem Verkauf zu Füßen liegt, der muß keins haben. Grad wenn sie weithin selbst keins hat: „Kunst an der Kanne: Kaffee darf man nicht einfach mehr so trinken. Schon die Zubereitung soll zelebriert werden. Stil, S. 53“ (ebd).

Und zum Teufel mit dem offiziellen China, aber zu solch einer Umkehrung der Verhältnisse wäre freilich zu finden, wollen wir von den Zetsches sowenig regiert werden wie von den Xis. Und also muß ich hier nicht ausholen, sondern kann diesen Quatsch und Stuß als von fremder Feder erledigt zu den Akten tun. Auch mal schön.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Hoch und höher

Daß es heute schon wieder um Hochbegabung geht, liegt daran, daß es ständig um Hochbegabung geht: Am selben Tag, da Bundeshalbbildungsministerin Wanka in Berlin ein „Pilotprojekt“ gestartet hat, das in der Schule wo nicht Crack, so doch Cracks fördern will: „In vielen Klassenzimmern aller Schulformen sitzen unerkannte Talente. Diese Schülerinnen und Schüler wollen wir frühzeitig entdecken und fördern“, und der Deutsche Philologenverband es präzisierend „begrüßte, daß Begabtenförderung zur Regelaufgabe in allen Schulformen, besonders im Gymnasium werden solle“ (Morgenblatt, Hervorhebung SG), tapezierte das Zentralorgan des zukunftsorientierten Bürgermilieus seine „Panorama“-Seite mit dem Besuch bei einer siebenköpfigen deutschen Bürgerfamilie, die komplett hochbegabt ist:

„Martin und Gudula Volbers … sitzen in ihrer Wohnküche in Havixbeck bei Münster und berichten mit leisem Stolz von ihren fünf Kindern, die alle auffällig intelligent sind. Max ist der Älteste … Der Bub sprach sehr früh in ganzen Sätzen und interessierte sich für Buchstaben. Er wirkte gewandter als andere in seinem Alter …  Das Thema Hochbegabung kam ins Spiel … Das Unerklärliche kommt oft nicht gut an. Und wenn ein Fünfjähriger im Kindergarten Bücher vorliest, wie Max Volbers das einst tat, dann ist das für viele unerklärlich … Max langweilte sich in der ersten Klasse. ,Er fing an zu provozieren, was doof ist, wenn man der Kleinste ist’, erzählt Vater Martin Volbers. Erst als er nach den Herbstferien in die zweite Klasse wechseln durfte, entspannte er sich. Und als ihm die Schule wieder zu leicht wurde, entdeckte er das Instrument, das seine rettende Herausforderung wurde: die Blockflöte. ,Gott sei Dank’, sagt Martin Volbers.“ Auch der Zweitgeborene war schlecht in der Schule, Lese-Rechtschreibschwäche, bis der Intelligenztest wußte, der Junge „denkt schneller, als er schreiben kann“; heute macht er eine Mechatroniker-Lehre. „Jonathan, heute 19, war 16, als er einem Professor die Entstehung des Universums erklärte. Wie Max studiert er am Mozarteum in Salzburg Blockflöte. Theresa, elf, und Catharina, neun, haben für ihre Berufsentscheidungen noch etwas Zeit. Und Papa Volbers, 54, Software-Architekt, weiß seit neun Jahren, daß er selbst hochbegabt ist.“

Früher, als ich Kind war, waren Einstein und Bernd Schuster hochbegabt, und bei Einstein wußte jeder, daß der nicht mal gut in der Schule gewesen sei. Bei Einschulung konnte von 25 Kindern meistens eins schon lesen, das war Statistik, und es soll vorgekommen sein, daß diese Kinder trotzdem brav im Leseunterricht saßen und sich freuten, daß sie was konnten, was andere nicht konnten; das machte es einfacher, die Dinge nicht zu können, die andere konnten. Wer provozierte und mit Stühlen schmiß, galt noch nicht als hochbegabt, sondern als psychisch auffällig, und wer einem Erwachsenen das Universum erklärte, der hatte die „Was ist was“-Bände 6 („Die Sterne“) und 16 („Planeten und Raumfahrt“) so oft gelesen, wie das in dem Alter vorkommt. Später, im Studium, kannte ich eine, die hatte drei Klassen übersprungen, studierte Zahnmedizin und hatte sie nicht mehr alle, und bei TITANIC waren dann sowieso alle hochbegabt, wenn auch vielleicht nach anderen Maßstäben.

„Als erste Zeitschrift überhaupt stellen wir an dieser Stelle unseren Lesern die faszinierende ,Sidis-Methode' vor, die aus duchschnittlich intelligenten Kindern Hochbegabte macht.“ This Week Magazine, 1952, zit. n. Zehrer, „Das Genie“, 2017

Heute, verstehe ich recht, sind Familien durch die Bank hochbegabt, jedenfalls wenn sie in Havixbeck bei Münster wohnen und nicht im Hasenbergl von München. „Nur zwei Prozent der Bevölkerung besitzen diese Eigenschaft“, schränkt die Zeitung ein, „leider weniger, als die meisten Eltern denken“, wie sie einen Jugendpsychiater zitiert. Man darf annehmen, daß sich dieser Wert über die Jahrtausende stabil gehalten hat, aber heute tut sich „die Gesellschaft“ angeblich „schwer mit Hochbegabten“ (SZ), die deshalb in Asylen oder Wohnmaschinen am Stadtrand hausen wie alle, mit denen sich die Gesellschaft schwertut. Was statistische Normalität ist (und freilich mit der Grenze, jenseits deren eins hochbegabt ist, schwankt; früher waren das mal 140, heute sind’s schon 130 IQ-Punkte), wird als irrer, fast schon bemitleidenswerter Spezialfall herausgemeißelt, und daß die Supertalente in allen Schulformen sitzen, ist nicht mehr als ein Disclaimer.

Denn Bildung ist immer die distinktorische Hauptwaffe des deutschen Bürgertums gewesen, das Norbert Elias als „politisch völlig ohnmächtig, aber radikal im Geistigen“ beschrieben hat; wer nur Latein und nicht Griechisch konnte, war, wie sich bei Hans-Ulrich Wehler nachlesen läßt, schon ein Prolet. An der Ohnmacht hat sich, wenn auch unter anderen Vorzeichen, nichts Wesentliches geändert, und was Bildung heute sei, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wissen gibt’s im Internet. Bleibt: das Talent, die Hochbegabung, die, wichtig, bloß vererbt werden kann und inskünftig in Spezialschulen isoliert wird, die so klassendiskret werden, wie es die Gymnasien kaum mehr sind. Aber auch wenn einer von uns Mechaniker wird, dann, weil er schlicht zu intelligent fürs Abitur ist. Muß man erst mal drauf kommen; und kann man freilich, wenn man nur hochbegabt ist.

Und die Welt, in dialektischer Weisheit, stündlich dümmer wird.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Die Blumen des Bösen

Eigentlich war diese Kolumne längst fertig, in der Wochenmitte in fünfzehn Minuten heruntergeklopft und des Inhalts, die Alice Salomon Hochschule Berlin, die Gomringers Avenidas-Gedicht nun wg. Sexismus von ihrem Gebäude pinseln lassen wird, sei schon darum verrückt, weil „sie nun wirklich alle Klischeevorstellungen, die man von Hier-werde-ich-aber-diskriminiert-Dödeln und -Dödelinnen haben kann, so sturheil bestätigt, daß man es nur einen Bärinnendienst nennen kann“, und weil sie mich zwinge, mich momentweise an die Seite Springers und aller zu verfügen, die vor der Korrektheitsdiktatur der allzeit Beleidigten warnen. Unter meine Zeilen setzte ich noch ein eng an Gomringer angelehntes Spottgedicht, und gut war es.

Nun ist es selten verkehrt, noch einmal drüber zu schlafen, und am nächsten Tag stolperte ich über Margarete Stokowski, die ich zwar mal eine „metropolitane Plappertrine“ genannt habe, die aber einen unbornierten Feminismus vertritt und in der Sache auf die Münchner Literaturprofessorin Vinken verwies: Die hatte im Deutschlandfunk von einem „sehr bewundernswürdigen Gedicht“ gesprochen, das aber nun mal sein Publikum habe bzw. halt nicht: „Das scheint mir Symptom für eine Welt zu sein, … in der die Frauen eben nicht mehr bewundert oder verehrt, sondern eher ausgenutzt, angemacht, ge- und verbraucht werden. Das hat mit dem Gedicht eigentlich weniger zu tun. Es ist trostlos, daß wir offensichtlich in einer Welt leben, in der solche Interpretationen … zum Zuge kommen. Das ist bedenklich, finde ich.“ Und fand ich ja neulich ebenfalls.

„avenidas / avenidas y flores // flores / flores y mujeres // avenidas / avenidas y mujeres // avenidas y flores y mujeres y / un admirador y // estúpidos“ Gomringer feat. Gärtner, 2018

Das soll andererseits nicht hindern, die Argumente wider das (öffentliche) Poem für mäßig instruktiv zu halten. Das eine lautet: Das Gedicht formuliere einen männlichen Blick auf Frauen und mache sie zu Objekten. Das zweite fand ich auf der Seite der Feministin Luise F. Pusch, die sich am reihenden „und“ rieb: „Gomringers Gedicht aus dem Jahre 1952 stammt aus einer Zeit, da wir in den Illustrierten noch Sätze wie den folgenden lesen konnten: ,Er (irgendein Playboy, Filmstar oder Prinz) liebt rassige Pferde, schnelle Autos und schöne Frauen’. Nach Jahrzehnten genervter Kritik von Feministinnen sind solche Sätze, die uns auf derselben Ebene wie Pferde und Autos ansiedeln, seltener geworden. Es sei denn, sie werden auf Hausfassaden auch noch verewigt.“

Dazu würde mir ja nun einfallen, daß schlechthin jeder Blick etwas zum Objekt macht (des Blickes nämlich) und ein Liebesgedicht oder ein einschlägiger Popsong ohne ein (und sei’s verhohlenes) Objekt der Sehnsucht gar nicht auskommen. (Sarah Kirsch: „Immer wollen dich meine Augen“.) Zweitens lassen sich die Reihen Pferde – Autos – Frauen und Straßen – Blumen – Frauen nicht gleichsetzen, wie ein Illustriertenartikel (Achtung, Textsorte!) nun einmal kein Gedicht ist, welches dazu neigt, eine Sinnebene mehr zu haben: Wenn es eine Chiffre für (männliche?) Sehnsucht gibt, dann ist es die Straße, und wenn es an dieser Straße Blumen (Schönheit) hat, sind wir eher bei Eichendorff als bei Weinstein. Dann Auftritt der Frauen, die sowenig „Blumen“ sein müssen wie, um in Puschs Analogie zu bleiben, Autos: Es gibt auf und an der Straße Blumen und Frauen, wie es Autos und Frauen gibt. – Freilich ist es nicht verboten, vielleicht sogar erwünscht, die Reihung als Griff ins Arsenal zu lesen, in dem Frauen schön sind wie Blumen, und „Blumen sind zu nichts nütze, aber schön sind sie – Zierpflanzen eben, keine Nutzpflanzen!“ (Pusch) – aber wenn Frauen in Gedichten nur als Nutzpflanzen vorkommen dürfen, sind sie dann nicht erst recht Objekte, mindestens für den Mähdrescher? 

„avenidas y flores y mujeres y / un admirador“ – wär’s eine Interpretationsübung, ich würde vorschlagen: Sehnsucht und Schönheit und Frauen und / einer, dem das Herz von all dem übergeht. So ein Minnesänger war ich mit 27 freilich auch. – Zum guten (oder nicht so guten) Schluß hat Kollegin Stokowski noch etwas sehr Kluges gesagt: „Ganz, ganz vielleicht könnte das mal eine Debatte sein, in der am Ende rauskommt, daß Leute Dinge unterschiedlich wahrnehmen, ohne daß jemand ,politische Korrektheit’ ruft, denn sobald dieser Begriff fällt, kann man meistens direkt schlafen gehen, ist gesünder.“

Danke sehr. Ich werd’ noch zum admirador.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg