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Dax Werners Debattenrückspiegel KW7

Liebe Leser_innen,

in der Spielfilm-Trilogie "Herr der Ringe" kam das Verfahren bereits erfolgreich zum Einsatz: Die sogenannte "forced perspective". Das Auge wird hier im Bezug auf die Größenverhältnisse bestimmter Schauspieler_innen oder Objekte zueinander mittels optischer Tricks getäuscht: So konnte beispielsweise der Zauberer Gandalf im Vergleich zum jungen Auenländer Frodo um einiges größer wirken, obwohl beide Darsteller im wahren Leben vermutlich nur einige wenige Zentimeter Körpergröße voneinander trennten.

Wie komme ich da überhaupt drauf? Nun, die nordrheinwestfälische SPD setzt in der visuellen Kommunikation rund um ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 15. Mai, Thomas Kutschaty, auf eine ganz ähnliche optische Zauberei. Denn der Justizminister des Kabinetts Hannelore Kraft I wirkt auf sämtlichen aktuellen Fotografien etwas, nun ja, zu klein (no front). Das Ziel solcher Gaukelei sollte klar sein: Kutschaty als Underdog zu inszenieren, als denjenigen, der es trotz aller Widerstände gegen den unnatürlich schönen und großen CDU-Erbprinz Hendrik Wüst, der sein Amt von Armin Laschet übernommen hatte, in die Düsseldorfer Staatskanzlei schaffen will. Eine Art Rocky Balboa aus Essen-Borbeck.

Einer von uns eben. Dieses Narrativ wurde auch gestern auf dem digitalen Parteitag der NRW-SPD bespielt, wo Kutschaty mit fast traumschönen 96,86 Prozent offiziell zum Spitzenkandidaten gekürt wurde. Doch viel interessanter als die neun Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen scheint mir der zur Schau gestellte Fuß-Schmuck des MP-Kandidaten: Statt italienischer Halbschuhe trug Kutschaty nämlich gemütlich-weißsohlige Sneaker aus der Deichmann-Grabbelkiste. So geht Bürgernähe!

Auch das Wahlkampfmotto der NRW-SPD, in seiner serifenbetonter Schriftart fast an Bernie Sanders berühmte 2016er Kampagne erinnernd, verspricht ähnlich blumig: "Für euch gewinnen wir das Morgen." Was ist das denn auf einmal? Ein auf fast sinnliche Weise nichtssagendes Versprechen, eine Meditation, vielleicht sogar etwas ganz Neues, nämlich: Die neue poetische Sozialdemokratie? Eine fast notwendig gewordene neue Poetik, da der Abschnitt "Kontroversen" in Kutschatys Wikipedia-Artikel derart langweilig ist, dass ich ihn auf dem Weg von einem Browser-Tab zum nächsten schon wieder vergessen habe? Da bin ich gedanklich nämlich längst bei Hans-Willi Körfges, dem NRW-SPD-Urgestein, das auf dem gestrigen Parteitag gekonnt vom Podium aus die Fäden zog. Hans-Willi Körfges, ein Name zum Niederknien: Mehr NRW geht eigentlich nicht. Warum hat er eigentlich nie um die SPD-Spitzenkandidatur gekämpft? Zum Beispiel mit dem Motto "Hans-Willi Körfges. Auch mir ist es manchmal zu viel"?

Fragen, denen wir ein andermal genauer nachgehen wollen. Wichtig allein: Für die Richtungswahl am 15. Mai an Rhein und Ruhr geht die SPD neue Wege. Warum nicht mal ein kleiner Mann mit einer großen Vision? Gegen Armin Laschet hätte Kutschaty vermutlich aus eigener Kraft gewinnen können, gegen Wüst braucht es neben einer erfolgreichen Bundes-SPD eben auch eine Story, die verfängt. Wie die vom Außenseiter aus Borbeck. Oder eben Frodo aus dem Auenland.

Poetische Grüße und eine starke neue KW wünscht euch: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW6

Liebe Leser_innen,

vielleicht habt ihr es ja mitbekommen: Eventuell ist bald wieder Krieg in Europa. Jedenfalls konnte man am Wochenende im Internet Nachrichten lesen, wonach eine russische Invasion der Ukraine nächste Woche Mittwoch am 16. Februar zu erwarten sei. Die genaue Uhrzeit des Angriffs wurde leider noch nicht verlautbart und laut Spiegel war auch auf die Frage, worauf "die scharfe US-Warnung fußt, in Berlin zunächst nichts zu erfahren. Allerdings hieß es, die US-Darstellungen seien sehr detailliert gewesen und mit vielen Quellen untermauert worden". Eine beruhigende Datenlage, mit der wir schon in der Vergangenheit stets gute Erfahrungen gemacht haben – würde Volker Pispers jetzt vermutlich schreiben! Er fehlt.

Gar nicht ruhig hingegen präsentiert sich die dahingehende Debatten-Lage derzeit in Deutschland. Während SPD-Urgestein Ralf Stegner nach seinem allmorgendlichen Musiktipp (Stefan Waggershausen - Leider nur Liebe) gestern Vormittag um 10 nach 11 die internationalen Wogen in der ihm typischen Lakonie zu glätten versuchte ("Olympiade und deutsche Erfolge in Peking laufen fast unter dem Radar der anderen Ereignisse.") und nur Sekunden später eine plötzlich völlig andere Baustelle beackerte ("Der HSV muss heute gegen das starke Team aus Heidenheim antreten. #nurderHSV"), hatte der Diskurs am Nachmittag schon eine ganz neue Ausfahrt genommen, der Internet-Star El Hotzo meldete nämlich über seinen Twitter-Account: "Nicht böse gemeint, aber ich werde ganz bestimmt nicht für die fucking NATO sterben." Gemütlich in die Couch mümmeln, Gag um Gag ins Internet jagen und sich so feige vor dem Tod auf dem Feld für den Nordatlantikpakt drücken? Geht gar nicht imho. Dachte sich auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die ohnehin noch eine Rechnung mit Hotzo offen hatte, und erwiderte: "Er hat bei mir ja leider El Blocko gemacht, aber die NATO wird alles dafür tun, damit auch eher stumpfe Tweets weiter in Frieden und Freiheit rausgehauen werden können." Volltreffer. Es reicht eben nicht mehr nur, sich lediglich zum größten Militärbündnis der Welt zu bekennen: Für uns Millennials ist es nun Zeit, auch mal den Kopf hinzuhalten. Damit unsere Kinder einmal in einer friedlicheren Welt twittern können.

Und ein weiterer Beleg dafür, dass die Zeiten der Scheckbuchdiplomatie endgültig passé sind. Das letzte Land, das eine Invasion von irregulären Streitkräften in Fantasie-Uniformen mit einer dicken Überweisung abwenden kann, ist Nordrhein-Westfalen: Hier hat die Landesregierung den Karnevalsvereinen nämlich 50 Millionen Euro "Entschädigung" versprochen, um eine Besetzung Ende Februar zu verhindern. Was in der alten Bonner Republik noch funktioniert, ist für die geopolitische Bühne jedoch kein probates Mittel mehr, hier müssen neue, kreative Lösungen her. Eine solche würde ich gerne in den Raum stellen: Was wäre denn, wenn der US-Präsident Joe Biden endlich aus dem Winterschlaf erwacht und das Putin-Problem ein für alle mal löst? Beispielsweise, in dem er "versehentlich" eine Drohne nach Moskau lenkt? Ein zugegebenermaßen very bold move, der sich im Anschluss jedoch sehr leicht mit einer menschelnden Anekdote framen lassen könnte: Sleepy Joe, so würde ichs verlautbaren lassen, ist ganz einfach mal wieder im situation room auf dem Joystick eingeschlafen. Kann doch passieren, Schwamm drüber.

Still tries to think outside the box: Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW5

Liebe Leser_innen,

die Gefährte heißen Oskar, Leni oder Elmar, in ihnen wohnen Lene, Tobi, Zoe oder Merlin, manchmal wird im Laufe der Erzählung noch ein Hund (Lotta oder Friedo) adoptiert und so aufregend, wie das bis hierhin klingt, präsentiert sich die internationale Community der Vanlifer auch im Internet. Und doch haben sie in den letzten Jahren nicht nur die Straßen Europas von den kaum noch besungenen, eigentlichen Asphaltengeln, den Truckern, erobert, sondern die Preise für Campervans und Kastenwagen um mindestens 30 Prozent ansteigen lassen. Dabei ist das Konzept #vanlife denkbar einfach: Den festen Wohnsitz aufgeben und fortan freiwillig samt Partner in einem umgebauten Kastenwagen leben und arbeiten. Flexibel, rund um die Uhr für Kunden und Auftraggeber erreichbar und im Idealfall regelmäßig für Social Media aufbereitet. Saisonarbeiter mit Master-Abschluss.

Wer sich wie ich in die YouTube-Bubble der VW-Bus-Umbauer stürzt, trifft nicht nur auf lauter Millennials mit Lehrereltern-Vornamen, die offenbar das ganze Jahr nichts anderes tun als IKEA-Kinderküchen defender-grün zu lackieren und in Fiat Ducatos oder VW T6s einzubauen, um damit anschließend durch europäische Niedriglohnländer zu dieseln, sondern gleichzeitig auf eine verheißungsvolle Welt voller Makramee und nichtssagendem Fingerpicking-Folk, die einen sehr direkt mit der Frage konfrontiert: Einfach das Zündschloss drehen, die Debatten Debatten und die Ampel Ampel sein lassen und sich in eine generische Fantasiewelt flüchten, in der für immer 2012 ist und Mumford & Sons gerade erst ihr zweites Album veröffentlicht haben, das wär’s doch, oder?

Wer würde da nicht schwach. Und wer könnte es uns zwischen den frühen 1980er bis zu den späten 1990er Jahren Geborenen übelnehmen? Die Wahrscheinlichkeit, dass von uns noch ein Impuls in der Größenordnung von Fridays for Future ausgeht, wird ohnehin jeden Tag geringer, gleichzeitig wird die Wirklichkeit jeden Tag komplizierter, also können wir uns doch genauso gut ins absolut Private zurückziehen, niemandem mehr mit unserem mutmaßlichen Harry Potter-Haus auf die Nerven gehen und uns von nun an nur noch jeden Morgen mit einer Drohne beim Kaffeetrinken auf dem Busdach filmen, während wir das Konzept der Kleinfamilie stabilisieren.

Überhaupt Kaffee. Ständig machen Vanlifer irgendwo Halt, grabbeln kurz 20 Minuten alle Zutaten aus dem Storage unter dem Bett mit Makramee-Traumfänger und filmen sich anschließend schnell zwei Stunden bei der Kaffeezubereitung. Dann wird der Kaffee in eine Emaille-Tasse aus dem eigenen Vanlife-Shop gegossen, um schließlich – ganz wichtig! – genießerisch mit beiden Händen umklammert zu werden. Augen zu und Selfcare. Der ästhetische Mix aus Patagonia-Fleecejacken, Norweger-Pullover, Man Buns, Manufactum und einem Schuss Schnellroda wirft die Frage auf: Sind Elitesoldaten der Bundeswehr und Bushcraft-Enthusiasten (Thema für eine andere Kolumne) vielleicht gar nicht die einzigen, die sich heimlich auf den Tag X vorbereiten?

Man weiß es nicht. Und während Tobi noch schnell ein paar Drohnenbilder vom Hund am Strand filmt, schaut Zoe mit leeren Augen in den Sonnenaufgang und fragt sich vielleicht gerade, mit welcher Tofuhersteller-Kooperation sie die Welt heute Mittag wieder ein kleines Stückchen besser machen kann.

Wünscht jedenfalls allzeit gute Fahrt: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW4

Liebe Leser_innen,

der Rückspiegel beginnt heute mit einer aktuellen Lage aus Sachsen: In Leipzig verirrten sich einige Dutzend Querdenkende gestern Nachmittag auf das Gelände einer Psychiatrie. Geht gar nicht meiner Meinung nach! Trotzdem hat diese Nachricht etwas in mir ausgelöst, etwas in Gang gesetzt.

Denn vielleicht, dachte ich mir, ist es an der Zeit, dass wir, das Team Wissenschaft, einen Moment lang innehalten. Selbstreflektion: Haben wir wirklich alles dafür getan, um die Querdenker_innen nicht zu sehr zu verärgern? Ihre Gefühle nicht zu verletzen? Was macht es mit einem Impfgegner, wenn Christian Drosten und Melanie Brinkmann plötzlich auch noch in seinen Lieblings-Satire-Sendungen im Öffentlich-Rechtlichen auftauchen? Sind unsere FFP2-Masken und unsere selbst auferlegten Kontaktbeschränkungen nicht gerade das, was Menschen in die örtliche Corona-Rebellen-Gruppe auf Telegram treibt, ja, ihnen am Ende gar keine andere Möglichkeit lässt? Dorthin, wo sie auf ehrliche Informationen ohne Paywall und Abofalle stoßen? Ich denke hier lediglich einmal laut nach. Vielleicht läuft ja jedes Mal ein neuer Impfgegner vom Band, wenn in Nordrhein-Westfalen wieder Eltern nach Luftfiltern schreien. Wissen wir’s denn genau? In der Wissenschaft gäbe es dafür sogar einen Begriff: Der Schmetterlingseffekt.

Auch ich musste dazulernen. Querdenker_innen sind eben nicht nur die generischen Bots mit Programmierfehler, zu denen ich sie in meinen Überlegungen oft mache; sie sind weder Glitches in der bundesrepublikanischen Matrix noch North Face Jacken tragende NPCs mit Globetrotter-Cowboyhut in einem zweitklassigen Rollenspiel-Adventure. Erhellend dazu war ein Interview mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Frank Richter diese Woche im ZDF-Morgenmagazin. Gefragt, wie sich die Proteste in seinem Bundesland zusammensetzen, analysierte er am Freitagmorgen: "Es laufen andere mit, die existenzielle Sorgen haben in dieser Pandemie. Da müssen wir genau hinschauen, viele Menschen sind ja auch in ihrer wirtschaftlichen Existenz gerade bedroht." Eine exzellente Beobachtung, die ich 679 Tage nach Beginn des ersten bundesweiten Lockdowns so noch nicht gehört habe. Da müsste man mal ran! Welche Erkenntnis kommt als nächstes: Menschen, die in der Pflege arbeiten, Kulturschaffende und Familien mit niedrigen Einkommen leiden besonders unter der Pandemie?

All das hat etwas in mir ausgelöst. Jedoch nicht nur in mir: Die neue Bundesregierung hat das Mantra der Coronaproteste, nach dem es sich bei der Krankheit ja ohnehin nicht um mehr als eine harmlose Erkältung handle, nun – etwas mehr als zwei Jahre nach dem ersten Ausbruch – endlich angenommen und durchseucht fröhlich vor sich hin. Wenn da nicht nur, ach, diese Lücke, diese entsetzliche Impflücke wäre. Jedoch, um es mit dem Satz zu sagen, den ich nun schon so oft in Talkshows gehört habe, dass ich ihn gerne als NFT verkaufen würde: "Die Situation ist eine andere als letztes Jahr." Auch Karl Lauterbach, noch vor kurzem von Lockdown-Twitter an die Spitze des Gesundheitsministerium gezwitschert, stellte erst vor ein paar Tagen zufrieden fest: Eigentlich liegen wir voll im Soll.

Wenn längst als widerlegt Geglaubtes sich plötzlich doch als richtig herausstellt schlägt bald vielleicht auch wieder die Stunde des Tübinger Modells und des Kult-Vakzins CureVac?    

Freut sich jedenfalls auf alles was noch kommt: Dax Werner  

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW3

Liebe Leser_innen,

die Nachricht überschattete das ansonsten recht vergnügliche Winterwochenende der rotgrüngelben Republik: Kay-Achim Heino Schönbach, noch vor ein paar Stunden Vizeadmiral der Deutsche Marine der Bundeswehr, hat ein "A" und ein "D" gekauft. Eine im politischen Berlin geflügelt gewordene Formulierung, mit der gemeint ist, dass ein key player im Staatsdienst seiner Entlassung zuvor kommt, denn "a. D.", diese Abkürzung steht für "außer Dienst". Regelmäßige Leser_innen dieser Kolumne wissen: So heißt auch die 2008 erschienene Biografie von Helmut Schmidt. Schon zwei, die fehlen.

Was war passiert? Bei einem zwanglosen Get-Together in Delhi hatte Schönbach seinen Gedanken freien Lauf gelassen, sinnierte, dass Russland die Ukraine angreifen werde, sei "Nonsens" und dass Putin sich nicht mehr wünsche als "Respekt auf Augenhöhe"; anschließend bezeichnete er sich selbst als "sehr radikalen römisch-katholischen Christen". Alles in allem also etwas, dass sich so oder so ähnlich vermutlich tagtäglich dort abspielt, wo zwei oder drei im Namen der Bundeswehr zusammenkommen. Diesmal lief jedoch eine Kamera mit: Das knapp anderthalbstündige Video zeigt sechs Anzugmenschen aus leicht untersichtiger Perspektive, die Stimmung ist locker bis leicht schwitzig, dem Sprechtempo der Runde nach zu urteilen ist vermutlich schon die ein oder andere Runde Fiete’s Möwenschiss oder Erich’s Rache kredenzt worden. Gehört so ein privates Partykeller-Video überhaupt ins Internet? Eine komplizierte ethisch-juristische Frage, auf die ich jedoch keinerlei Lust habe, näher einzugehen.

Schönbach ist nicht der erste, der über einen Mitschnitt seiner Privatmeinung aus dem Amt fliegt. Schon der unvergessene Horst Köhler beendete seinen Einsatz als Bundespräsident nach waghalsigen geopolitischen Ausführungen während eines Rückflugs aus Afghanistan. Im Gegensatz zur Causa Köhler wissen wir, die breite Bevölkerung, jedoch erstaunlich wenig darüber, was Vize-Admiräle eigentlich so treiben, wenn sie sich nicht gerade fernab der Heimat ein paar norddeutsche Kultschnäpse hinter die Binde kippen. Auch den Leitmedien blieb nichts weiter übrig, als Schönbachs Einsatzgebiet von der Bundeswehr- Homepage zu copypasten: "'Im Bundesministerium der Verteidigung und in multinationalen militärischen Gremien vertritt er die maritime Perspektive der Bundeswehr', heißt es auf der Internetseite der Bundeswehr", heißt es beim Spiegel.

TITANIC-Leser_innen wissen wie immer mehr: Der adrette 2-Meter-Mann Schönbach wirkte in seiner Laufbahn auf hoher See – sofern es sein Terminkalender zuließ – in über 300 Spielfilmen mit maritimen Thema mit, darunter "Haialarm auf Mallorca" (als Hai), "Fluch der Karibik 1 bis 3" (Stiefelriemen Bill), und "Das Boot" (Dieselheizer Schwalle), probierte sich jedoch auch eine Weile als Drehbuchautor und Regisseur ("Tschiller: Off Duty") und ist zusätzlich in einigen TKKG-Hörspielen als Bandenchef Peter Carsten zu hören, den jedoch alle nur Tim nannten. Vizeadmiral a. D. Kay-Achim Heino Schönbach: Ein Schauspielerleben unter dem Radar.

Rührt sich: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW2

Liebe Leser_innen,

kaum eine humanitäre Katastrophe nimmt uns gerade intensiver mit als das Abschiebungsdrama um Novak Djokovic, nichts elektrisiert auch mich persönlich derzeit so sehr wie das Duell zwischen der australischen Einwanderungsbehörde und dem Tennisspieler Novak Djokovic. Trotz zigfacher Grand-Slam-Titel ist es das Match seines Lebens, dramaturgisch befinden wir uns längst im Tie-Break: Erst gestern musste der Djoker erneut in Abschiebehaft und noch während diese Kolumne ins Internet gedruckt wird, trudeln mit Sicherheit zwölf weitere Eilmeldungen in nämlicher Causa ein.

Was ist es genau, das nicht nur uns einfachen Menschen von Nebenan, sondern auch und vor allem weite Teile der Medien derart in den Bann zieht, dass der gestandene Anchorman des ZDF-Morgenmagazins, Mitri Sirin (50), dieser Tage so weit ging und an der eigenen Regie vorbei eine Eilmeldung aus down under direkt aus seinem iPhone vermeldete? Meine Vermutung ist, dass sich in der Djokeriade Diskurse vereinen, in denen wir Deutschen seit jeher zu besonders viel Debatte neigen: Impfzwang und sichere Grenzen. Wem das noch nicht genug Diskurssprengstoff ist: Ein Bonusthema steckt in der Frage, wie schuldfähig ein Mann überhaupt sein kann, der 150 Millionen Euro mit Ballspielen verdient? Und darf man Menschen, die über derartige Vermögen verfügen, tatsächlich mit denselben Gesetzen um die Ecke kommen wie normalen Flüchtenden? Eine sowohl juristisch als auch ethisch komplizierte Problemstellung und damit wie prädestiniert für einen gemütlichen Ferdinand-von-Schirach-Abend im Ersten mit anschließendem Telefonvoting. Und nicht zuletzt geopolitisch gibt der Fall einiges her: Könnte es nicht sein, dass auch in diesem Migrationsdrama der belarussische Machthaber Lukaschenko mit dem Segen Moskaus die Fäden in der Hand hält?

Von welcher Warte auch immer auf die Debatte geblickt wird, eines muss klar sein: Als Gesellschaft dürfen wir nicht länger wegschauen, wenn ein Multimillionär in Schwierigkeiten gerät. In diesen Augenblicken sitzt ein Tennisspieler, von der australischen Regierung zum Staatsfeind erklärt, in einem menschenunwürdigen Abschiebehotel im Melbourner Stadtteil Carlton fest. Schlimmer noch: Eventuell darf er morgen beim Tennisturnier nicht mitspielen. Welcher Gott lässt so etwas geschehen? Warum sehen wir lediglich zu, wie ein Junge an seinem Traum gehindert wird? Und wo ist beispielsweise das zivilgesellschaftliche Engagement des sonst um keinen Facebook-Post verlegenen Tübinger OBs Palmer? Auch die Schauspiel- und Gauklertruppe um den Regisseur Dietrich Brüggemann könnte hier mit einem neuen Satireprojekt für awareness sorgen.

Das können wir besser. Hoffentlich heißt es dann bald wieder: Spiel, Satz und Sieg für die Menschlichkeit.

Euer Dax Werber

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW1

Liebe Leser_innen,

wie geht es genau zu in der Welt der Mahner, Debattenquerschläger und Innehalter, wie sieht es dort aus, wie organisiert sie sich? Davon verschafft die ARD-Doku "Die Selberdenker" (13.01., 23:00) einen plastischen Eindruck. Sechs Monate begleitet das Filmteam darin den Mann, bei dem die Fäden zusammenlaufen: Peter Hahne. Was viele nicht wissen: Der ehemalige ZDF-Mann und Autor von ungefähr 250 Monografien wie "Seid ihr noch ganz bei Trost! Schluss mit Sprachpolizei und Bürokraten-Terror" oder "Schluss mit euren ewigen Mogelpackungen! Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen" hat sich nach seinem Fernsehausstieg 2017 mit seiner kleinen Agentur "Hahne Consulting" neu aufgestellt.

Und er wirkt gar nicht so gereizt, wie es seine letzten Buchtitel vermuten lassen würden. So sehen wir den Brandenburger Firmensitz im Herbst, einen kernsanierten Bauernhof, die Sonne kitzelt noch zärtlich die Kameralinse, als aus dem Off schon mehrstimmiges Gelächter und quietschende Gummisohlen auf Holzparkett zu hören sind. Schnitt, nun sind wir im Büro und sehen die Quelle der Audiospur: Peter Hahne, Daniel Kehlmann und Svenja Flasspöhler bei einer lockeren Runde "Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen: Tokyo 2020" auf der Nintendo Switch.

"Wer braucht schon Spielplätze im Lockdown, wenn man sich den Sport auch einfach in die eigenen 12 Quadratmeter holen kann", fragt Kehlmann lächelnd und mit roten Wangen, dann wischt er sich etwas Schweiß von der Stirn. Da schaltet sich Flasspöhler ein: "Da Daniel, wieder eine Debatte: Brauchen wir diese nervigen Spielplätze überhaupt noch? Ich meine, die Technologie ist auch hier schon extrem weit." Hahne, inzwischen schon wieder in seinem Büro, brüllt herüber: "Starke Debatte bei euch da drüben. Ich buche euch zu Lanz!"

So gehe das hier jeden Tag, erklärt Kehlmann, während er sich eine Zigarette anzündet. Plötzlich sei da eine Idee im Raum und dann geht es Zack-Zack, drei Sekunden später säße er im Interview bei der Zeit. Er schnipst zweimal mit dem Finger, so eine Energie hätte er noch nirgendwo erlebt, auch nicht in New York. Plötzlich knirscht der Kies vor dem Haus, es ist Juli Zeh auf einem E-Bike und mit einem ganzen Karton voller Fahnen auf dem Gepäckträger. "Was hast du denn da, Jule? Die Korrekturfahnen für den neuen Briefroman von Thea Dorn?" Gelächter im Hof, jetzt kommt auch Peter Hahne dazu. "Ein ganz wichtiges Puzzlestück ist, so glaube ich, eben der Humor. Das verbindet uns hier, da ziehen wir die Energie raus, um überhaupt Widerstand machen zu können." Dann nimmt er Kehlmann in den Schwitzkasten und rubbelt mit der linken Faust in seiner Wuschelfrisur herum: "Na Burschi, schreib’ doch mal auch was über Widerstand, nicht immer nur über verklemmte Männer und Spiegel!" Kehlmann versucht sich aus der Umklammerung zu befreien, es gelingt ihm jedoch nicht. Die ganze Szene dauert einen Mü zu lange.

Aber auch das ist eben eine Stärke von "Die Selberdenker". Das Filmteam hält gnadenlos drauf, auch wenn es unangenehm wird. So auch in der letzten Szene: Peter Hahne läuft mit Headset in seinem komplett leeren Büro auf und ab und streitet sich mit dem art director für ein Fotoshooting: "Jürg, ich habe dir gesagt, der Strickpulli soll nach Schnellroda aussehen, nicht nach Querdenken-711 am Brandenburger Tor!"

Starke Einblicke, unvergessliche Szenen und, ja, ein bisschen mehr Verständnis für die Dorns, Kehlmanns und Zehs in diesen schwierigen Zeiten: Ich für meinen Teil habe mir "Die Selberdenker" schon rot in der Programmzeitschrift markiert. Ich hoffe, ihr auch.

Euer: Dax Werner

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Really, Winona Ryder?

Really, Winona Ryder?

In einem Interview mit der Los Angeles Times monierten Sie, dass einige Ihrer jungen Schauspielerkolleg/innen sich zu wenig für Filme interessierten. Das Erste, was sie wissen wollten, sei, wie lange der Film dauere.

Wer hätte gedacht, Ryder, dass Sie als Kind aus der Glanzzeit des Fernsehkonsums einmal die Nase rümpfen würden, weil junge Menschen möglichst wenig vor der Glotze sitzen und sich stattdessen lieber bewegen wollen? Davon abgesehen: Sind Sie sicher, dass sich die Abneigung gegen Cineastisches und das Verlangen, bereits beim Vorspann die Flucht zu ergreifen, nicht nur auf Werke beziehen, in denen Sie mitspielen?

Fragt sich Ihre Filmconnaisseuse Titanic

 Philipp Bovermann (»SZ«)!

Früher hatten Sie Angst vor der Klimakatastrophe. Heute sind Sie Mitte dreißig und haben dazugelernt: »Ich kann heute nur noch darüber staunen, wie wenig tief mich die Tatsache bekümmert, dass der Planet überhitzt, dass Arten verschwinden, Ökosysteme kollabieren, Regenwälder brennen, Meeresböden sich in Wüsten verwandeln. Menschen werden sterben, Menschen sterben schon heute, das Leid der Tiere sprengt alle Vorstellungskraft – aber jetzt stehe ich auf meinem Balkon, habe mir ein Leben aufgebaut, mit einem tollen Job, einer tollen Frau, einer tollen Tochter, unten auf dem Teich schwimmt eine Entenfamilie vorbei, und geblieben ist nur die sanfte Sorge, dass ich mir zu wenig Sorgen mache. Ich grusele mich vor mir selbst. Aber nur ein winziges bisschen.« Denn »vielleicht ist es rational, wegen des Klimawandels ruhig zu bleiben und sich auf das Leid im Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Welt wird schon nicht gleich untergehen.«

Nein, Kollege Bovermann, wird sie nicht, jedenfalls Ihre nicht. An den Menschen in Südostasien oder Osteuropa, betroffen von einem exemplarischen Regen aus der neuen Klimagegenwart, schwimmen derweil keine Entenfamilien, sondern ihre toten Töchter vorbei, während Sie sich so arg auf das Leid im Hier und Jetzt konzentrieren, dass es alle Vorstellungskraft sprengt.

Vorm ewigen Jungspießer gruselt’s da ein bisschen: Titanic

 Priwjet, Roderich Kiesewetter!

Priwjet, Roderich Kiesewetter!

»Die AfD ist nicht besser oder schlechter als das BSW. Beide sind Kinder derselben russischen Mutter«, sagten Sie der FAS.

Da haben wir aber einige Nachfragen: Wer sind denn die Väter? Hitler und Stalin? Oder doch in beiden Fällen Putin? Und wenn BSW und AfD dieselbe Mutter haben: Weshalb ist der Altersunterschied zwischen den beiden so groß? War die Schwangerschaft mit dem BSW etwa eine Risikoschwangerschaft? Und warum sollte es keine Qualitätsunterschiede zwischen den Parteien geben, nur weil sie die gleiche Mutter haben? Vielleicht hat Russland ja sogar ein Lieblingskind? Können Sie da bitte noch mal recherchieren und dann auf uns zurückkommen?

Fragt die Mutter der Satire Titanic

 Puh, Lars Klingbeil!

Gerade wollten wir den Arbeitstag für beendet erklären und auch die SPD mal in Ruhe vor sich hin sterben lassen, da quengeln Sie uns auf web.de entgegen, dass es »kein Recht auf Faulheit gibt«. Das sehen wir auch so, Klingbeil! Und halten deshalb jeden Tag, an dem wir uns nicht über Ihren Populismus lustig machen, für einen verschwendeten.

Die Mühe macht sich liebend gern: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

 Kurzzeitgenossen

Bei der Meldung zu Anton Bruckners 200. Geburtsjubiläum (4. September) und dem tags darauf sich jährenden Geburtstag Heimito von Doderers (5. September) mit Interesse bemerkt, dass beide Herren im Jahr 1896 kurz gleichzeitig am Leben waren: nämlich fünf Wochen und einen Tag lang, von Klein-Heimitos Entbindung bis zu Bruckners Tod am 11. Oktober. Solche ganz knapp verpassten Möglichkeiten der Seelenwanderung faszinieren mich. Was wäre gewesen, hätte man Doderer etwas später zur Welt gebracht, wäre Bruckners Geist schon ein paar Wochen früher »frei« gewesen? Hätte Wien / Ansfelden ein reinkarniertes Doppeltalent Heimtoni von Brucknerer überhaupt ausgehalten, hätte die literarisch-musikalische Welt unter dem Eindruck der »Strudlhofsinfonie«, des »Rondo in c-Moll für Streichquartett und einen Merowinger« (Alternativtitel: »Die tonale Familie«) oder der kurzen vierstimmigen Motette »Die Peinigung der Orgelpfeifelchen« vor Entzücken und Überwältigung alle viere von sich gestreckt, aufgegeben und ihren Kulturbeutel auf immerdar zusammengepackt? – Dass das Spekulieren über solche vergeigten Leider-nicht-Seelenwanderungen nur sehr ausnahmsweise Sinn ergibt, dämmerte mir aber, als ich ad notam nahm, mit welchen Gruselgestalten und potentiellen Reinkarnationsgefäßen seinerseits Doderer seine allerletzten Tage im Herbst 1966 verbringen musste: Stefan Raab (*20.10.66), David Cameron (*9.10.66), Caroline Beil (*3.11.66) und sogar noch haarscharf David Safier (*13.12.66, »Miss Merkel – Mord am Friedhof«; »Der kleine Ritter Kackebart«). Dann schon lieber die Seele mit in die Hölle nehmen.

Michael Ziegelwagner

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
09.10.2024 Lorsch, Theater Sapperlott Max Goldt
11.10.2024 Coesfeld, Stadtbücherei Gerhard Henschel
12.10.2024 Bad Lauchstädt, Goethe Theater Max Goldt
12.10.2024 Freiburg, Vorderhaus Thomas Gsella