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Dax Werners Debattenrückspiegel KW33

Hey Leute!

Das ist er also jetzt, mein neuer Sendeplatz. Dax Werners Debattenrückspiegel zum Wochenteiler. Für mich persönlich sehe ich mit der neuen Programmierung eigentlich nur Vorteile: Ihr, liebe Leser:innen, seid wacher, aufnahmebereiter, ja lernfähiger als am Sonntagmorgen, wo ich mich hin und wieder schon gezwungen sah, mit kurzen Hauptsätzen und leicht nachvollziehbaren Gedankengängen für eine gemütliche, nicht allzu schwere Grundstimmung zu sorgen. Zum sonntäglichen Kaffee im Bett musste es hin und wieder eben leichte Kost sein, kein Vorwurf an euch, wir sind alle nur Menschen. Das wird sich nun allerdings, eingedenk des neuen Produktionstermins mitten in der Woche, radikal ändern. Anschnallen, Schulterblick und rückwärts raus rangieren in Richtung Zukunft - schön dass ihr noch dabei seid, wir haben viel vor, let’s go!

Unser heutiger Ausflug führt uns nämlich über die A1 nach Bielefeld, genauer: in den Oetker-Park. Die sympathische Metropole in Ostwestfalen mit ihrem grünen Naherholungsgebiet mitten in der Stadt ist nicht nur der Ort, an dem El Hotzo zum größten Internetphänomen unserer Zeit reifte, sondern auch Motiv und Kulisse für gleich mehrere musikalische hidden gems, über die ich heute mit euch ins Gespräch kommen möchte.

Beginnen wir mit dem Lied "Don't Want To Waste Your Time" des inzwischen berühmt gewordenen Cartoonisten Ralph Ruthe. Das Video, von Ruthe mit seinem eigenen iPhone 4 gefilmt, spielt auf virtuose Weise mit der im selben Jahr (2013) auffällig werdenden Ästhetik des "normcore", also der Affirmation eines "generic taste (khaki cargo pants, pumpkin spice lattes, etc.)", und persifliert gleichzeitig den männlichen Blick auf den weiblichen Körper. Das fast schon meditative Stück ist seiner Zeit ein wenig voraus und nichts geschieht hier zufällig: Die Szenen im Oetker-Park Bielefeld mit einem Cameo des Meisters selbst wirken wie ein verschlüsselte Referenz, die nur Eingeweihten ein Licht aufgehen lässt.

Eingeweihten wie mir. Dass der Oetker-Park hier nicht zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Popmusik Kulisse wird für die überbordenden romantischen Gefühle eines Mannes, das weiß man, wenn man ein wenig mit dem Frühwerk von Jochen Distelmeyer vertraut ist. Denn der Frontmann der Akademiker-Band Blumfeld und Säulenheiliger all derer, denen noch was an einem gut getexteten Song liegt, veröffentlichte genau hier in Liebefeld mit seiner ersten Band "Die Bienenjäger" schon 1987 einen Song namens "Das Herz eines einsamen Jägers": Ein gut gealteter Indiepop-Song, dem man die Jahresringe nur an Zeilen wie "Was kann Eike Immel nur, was Uli Stein nicht kann?" ablesen kann. Denn auch hier ist es schon wie 26 Jahre später bei "Don't Want To Waste Your Time" ein "Tag der großen Gedanken", an dem der Erzähler die Angebetete mit dem "unendlich Anderen" bekannt machen möchte, die er nur kurz zuvor im "Oetker Park sah".

Fast wirkt es, als treten die beiden Songs so über die Entfernung der Jahrzehnte hinweg in einen konstruktiven Dialog miteinander. Und obwohl äußerlich so unterschiedlich, würden sie sich gewiss im jeweils anderen erkennen, nämlich als Werke von Anfängern zwar, aber eben von teuflisch begabten Anfängern, die im Prinzip beide von derselben Sache singen: Dem Wunder der Liebe in Bielefeld.

Nutzt den freigewordenen Sonntag nun für einen Ausflug in den Oetker-Park: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 31

Liebe Leser:innen,  

da bin ich letzten Sonntag fast vom Hocker gefallen: In der Halbzeitpause des EM-Finals hüpfte doch tatsächlich Bundeskanzler Olaf Scholz vors ARD-Mikro und analysierte die erste Halbzeit des Spiels Deutschland gegen England in gewohnt vager Manier. Das prominente Halbzeitinterview wird in der Regel relativ kurzfristig besetzt, oftmals mit Promis, bei denen es gerade vielleicht nicht ganz so gut läuft oder die zufällig in der Nähe der Kamera herumlungern. Doch das Interview mit Scholz reiht sich ein in eine ganze Serie merkwürdiger Kanzler-Momente.  

So besuchte er unter der Woche sehr zur Überraschung von uns politischen Beobachtern eine Gas-Turbine bei Siemens in Mülheim an der Ruhr. Das erinnerte mich wiederum daran, wie ich als Dreikäsehoch staunend den großen Passagierflugzeugen in Köln-Bonn von der Besucherplattform nachschwelgte. Wo sie wohl hinfliegen würden? Ein schöner Zeitvertreib für technikbegeisterte Kids am Sonntagnachmittag - aber mitten unter der Woche als Kanzler? Auch aus dem im Anschluss kolportierten Scholz-Statement wurde niemand wirklich schlau: "Es ist gewissermaßen klar und einfach", so der Kanzler. "Die Turbine ist da, sie kann geliefert werden. Es muss nur jemand sagen, ich möchte sie haben, dann ist sie ganz schnell da."  

"Klar" und "einfach" sind Beschreibungen, deren Bedeutungen schon im Kontext einer eBay-Kleinanzeige schnell verschwimmen können: Wer holt das feilgebotene Produkt wann wo zu welchem Preis ab? Eigentlich wird genau andersherum ein Schuh daraus: Bei Kanzler Olaf Scholz und der Sache mit dieser Turbine ist so gut wie nichts klar. Stattdessen legte er auf Instagram mit einer geheimnisvollen Botschaft nach: "Ich bin dankbar, die Turbine heute bei @siemens mit eigenen Augen gesehen zu haben." Wie bitte? Was besucht der Kanzler denn als Nächstes: Ausgemusterte Rotorblätter in einem Windpark in Schleswig-Holstein ("Danke für den Riesenjob!") oder einen Stapel Reifen in Stuttgart ("Ob Winter- oder Sommerreifen: Sie alle tun pflichtbewusst ihren Dienst fürs Vaterland.")?  

Wenn offenbar eh schon alles egal ist, würde ich ihn als NRWler gern noch mal in der WDR-Nachmittagssendung Hier und Heute mit ein paar schönen Bastelideen im Gepäck erleben - oder mit einer raffinierten Pasta samt hanseatischer Nachspeise bei Kochen mit Martina und Moritz.  

Wünscht euch ein bärenstarkes Rest-Wochenende: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW29

Liebe Leser:innen,  

in meiner Vorstellung sitzt die*der ideale Debattenrückspiegel-Leser:in am Sonntagvormittag mit einem köstlichen dampfenden Koffeinnektar auf der Couch, ready and loaded, sich den neuesten Rückspiegel mit einem wohlwollenden und einem kritischen Ohr von Alexa vorlesen zu lassen. So dampfend wie die Tasse Bohnentrunk in diesem angenehmen Bild muss man sich derzeit jedoch auch die Stimmung in der Ampel-Koalition vorstellen, insbesondere den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: Er will nun, nur 17 Jahre nach Einführung, "Hartz IV" ablösen – und zwar durch das neue Bürgergeld "Heil V". Das sorgt natürlich für Ärger in der Koalition. Wie kommt die Ampel sauber raus aus der Nummer? Eine Idee. 

Wenn es nach dem Willen des Arbeitsministers und früheren Schlagerstars Hubertus Heil geht, ist die Erfolgsstory Hartz IV ab dem kommenden Jahr Geschichte. Der Zeitpunkt ist mindestens merkwürdig: Der Chefarchitekt der Reform, Peter Hartz aus St. Ingbert, erfährt bekanntlich bundesweit immer noch gottgleiche Verehrung wie sonst nur Helmut Schmidt und Millionen Deutsche vertrauen auf die Grundsicherungsleistung - warum also das SPD-Aushängeschild schlechthin abschaffen? Wofür stehen die Sozialdemokraten nach dem Ende von Hartz IV überhaupt noch?

Fragen, die sich Hubertus Heil natürlich auch schon lange vor mir gestellt hat. Und reagiert hat: Das Bürgergeld wird sich hinsichtlich der Leistung vermutlich um nicht viel mehr als 50 Euro von Hartz IV unterscheiden, auch die Sanktionen sollen im Großen und Ganzen bleiben. Für die SPD-Kernwählerschaft ändert sich also im Prinzip gar nichts, sie können sich weiterhin daran erlaben, dass Menschen, die ärmer sind als sie selbst, tagtäglich terrorisiert werden.

Der einzige, der mal wieder nach dem Haar in der Suppe sucht, ist Christian Lindner und stellt sich in einem Interview quer. Der will nämlich weiter Sanktionen ohne Moratorium und erklärt: "Solidarität muss immer auch die Gegenleistung einbeziehen, die Hilfe der Gesellschaft nur so weit wie nötig in Anspruch zu nehmen." Und vermutlich weiß niemand besser Christian Lindner, was es mit einem macht, wenn man mehr Hilfe in Anspruch nimmt als man eigentlich braucht: Sein Startup Moomax meldete 2001 nach nur einem Jahr Insolvenz an, nachdem insgesamt 1,4 Mio. Euro Steuergeld ins Unternehmen geflossen waren.

Vielleicht mag er einfach viele Menschen vor dieser furchtbaren Erfahrung bewahren? Mein Vorschlag für eine schnelle Einigung zwischen der SPD und der FDP in Sachen Bürgergeld ist jedenfalls klar: In der Geschichte der Bundesrepublik hat es nämlich meiner Meinung nach noch keinen Konflikt gegeben, der sich nicht mit einem Tisch, zwei Stühlen und zwei köstlich zubereiteten bohnigen Wachmachern hätte lösen lassen können.

Gut Bohn: Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW27

Liebe Leser*innen,  

die letzten drei Male als ich in Markus Lanz reinzappte dauerte es immer nur wenige Sekunden, bis irgendwer in der Runde von "deutschen Panzerhaubitzen" redete. So bin ich in den letzten Wochen dazu übergegangen, mir statt der Live-Show auf YouTube ausgewählte Pre-Corona-Folgen Deutschlands erfolgreichster Talkshow mit Reinhold Messner oder Thomas Middelhoff anzusehen: Launige Runden vor Studiopublikum mit einem Markus, für den sauber gearbeiteter Boulevard noch nichts Schlechtes war, Wolfgang Bosbach in himmelblau auf links, weinende Unternehmer, Räuberpistolen vom Nanga Parbat.

Für uns Millennials, die zwischen der Gen X, die mit der Ampel das gesellschaftliche Ruder übernommen hat, und der Gen Z, die in jeder Hinsicht cooler und politischer ist als wir, zur langweiligsten Generation überhaupt geworden sind, ist das nun "die gute alte Zeit": Die Zehner Jahre, in denen wir noch werberelevante Zielgruppe waren, Indieparties mit mehr als 20 Gästen, Angela Merkel, Jogi Löw, Ironie. Inzwischen haben wir den Harald Schmidt gemacht und uns ins Private zurückgezogen, wo wir im Prinzip nichts anderes mehr machen, als gut gelaunt um unser eigenes Millennialtum zu kreisen.

Und auch wenn viele von uns treue Leser*innen des sonntäglichen Nils Minkmar Newsletters "Der siebte Tag" sind: Dass wir uns gerade in mehreren gigantischen Krisen zeitgleich befinden, droht man, drohe ich mit der oben beschriebenen Methode natürlich slightly zu verschlafen. Oder um es mit einem von Slavoj Žižek persönlich ausgedachten Zitat von Antonio Grasmsci zu sagen: "Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Minion-Memes."

Wie wird diese neue Welt wohl aussehen? Wird das Kliemannsland offiziell zur Sonderwirtschaftszone nach chinesischem Vorbild - also das, was es de facto schon länger ist? Streift sich Wolfgang Kubicki im Herbst mit den Kumpels aus seiner Stammkneipe die gelbe Weste über? Verpflichtet Christian Lindner Langzeitarbeitslose demnächst dazu, in der Eifel-Kaserne Gerolstein Munition zu zählen? Werden wir in unseren Co-Working Spaces MacBooks verbrennen, weil das immer noch günstiger sein wird als mit Gas zu heizen?

Wir wissen es nicht. Doch was auch immer passieren mag: Ich hoffe und bete, dass der "Markus Lanz Fan Kanal" auf YouTube online bleibt.

Einen schönen Start in die neue Woche wünscht euch euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW26

Liebe Leser:innen,  

es war sicherlich die bis hierhin aufregendste Reise, die ich am Donnerstag mit dem Neun-Euro-Ticket unternahm. Der Himmel verdunkelte sich bereits als ich mich von Wuppertal in Richtung Rheinland aufmachte: da oben braute sich was zusammen, so hatte es auch Kachelmann Wetter schon am Mittag verlässlich angetwittert. Über die DB Navigator App meldete der RE7 bereits entspannte 40 Minuten Verspätung und ließ so Raum für viele eigene Überlegungen und Gedanken. Kurzum: Es versprach schon früh, ein aufregender Bahntag zu werden.  

Langsam nahm das Unwetter Gestalt an und während ich nochmal durch ein paar meiner Lieblingsfolgen "Allgemein gebildet", den Politik-Podcast von Ralph Ruthe und Sally Starken skippte, machte der RE7 plötzlich außerplanmäßig Endstation in Neuss:  Umgestürzte Bäume sorgten dafür, dass zwischen Platz 54 der größten Städte Deutschlands und der Samt- und Seidenstadt Krefeld eisenbahntechnisch erst ein mal gar nichts mehr ging. Was tun? Als inzwischen erfahrener Neun-Euro-Ticketler spürte ich: Die Nummer hier würde vermutlich den ganzen Abend dauern, auch wenn die DB Family im Hintergrund mit Sicherheit schon an einer pragmatischen Lösung arbeitete.  

Ich plante on the fly einen smarten Workaround: Mit der U-Bahn bis Belsenplatz, von dort weiter mit der U76 bis ans Ziel. Sollten die anderen doch auf ihre Ersatzbusse warten, als Bahnfan musste man sein Schicksal eben manchmal auch in die eigenen Hände nehmen. Die U-Bahn war fast vollständig leer, nur vorne stand ein junger Mann direkt an der Fahrerkabine, leicht vornüber gebeugt und, wie ich später heraushörte, mit dem Fahrer in ein intensives Gespräch über Bahnsimulatoren vertieft. Was für eine bewundernswerte Obsession, dachte ich bei mir, machte aber weiterhin ein Gesicht, als würde ich den Politik-Podcast von Ralph Ruthe hören. Menschen, die den oder die Bahnfahrer:in trotz der unzweideutigen Rechtslage in ein Gespräch verwickeln, faszinieren mich schon, seit ich als kleiner Bub den ersten Fuß in eine Bahn setzte, schon damals fragte ich mich: Wie spiele ich dieses Level frei, ab wann stehe ich über dem Gesetz, wie werde ich selbst zum Outlaw?  

Plötzlich war jedoch auch mit der U-Bahn Schluss: Endstation Strandbad Lörrick. Ein Satz wie ein stressiger Kurzfilm frühmorgens im ZDF, nachdem man bei einer dieser  völlig nichtssagenden Lanz-Ausgaben mit Gregor Gysi oder Edmund Stoiber eingeschlafen ist.  

Inzwischen war es Nacht, wir hatten auf freier Strecke gehalten. "Bäume auf der Strecke, dieser Zug fährt zurück ins Depot. Ausstieg auf eigene Gefahr!" Unsicher stolperten wir über die Gleise in Richtung der womöglich vom Unwetter verwüsteten Stadt, wir organisierten uns in kleinen, schlagkräftigen Gruppen von je drei oder vier Menschen, die ganze Szenerie hatte etwas von "The Walking Dead". Endzeitstimmung in NRW.  

Unsicher rief ich in die Dunkelheit, ob jemand noch einen TITANIC-Kolumnisten in seinem Team bräuchte. Stille. Nur Schuhe, die durch nassen Kies stapften.  

Good night and good luck: Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW25

Liebe Leser:innen,  

sie gehören zu den Klassikern des politischen Humors: Videos von Politikern – es sind meist Männer – als Partylöwen, DJs und Dancefloor-Biester. Wir erinnern uns an Karl Theodor Guttenberg mit aberwitziger T-Shirt-über-Hemd-Kombination als DJ wahllos Regler an einem Mischpult verstellend. Oder Andreas "Andy" Scheuer, dem als Verkehrsminister irgendwann einfach alles so egal war, dass er damit begann, irrelevante Großraumdiskotheken in der bayerischen Provinz zu eröffnen. Einfach, weil er es kann. Jetzt macht ein harmloses Hochkantvideo von Friedrich Merz die Runde, in dem er auf einem Dancefloor selbstvergessen vor sich hin stapft. Und wieder dreht das Internet frei. Was fasziniert die Menschen so an der Kombination aus Politikern und Clubkultur? Eine Spurensuche.  

Zeit für meinen ganz persönlichen Gedankenpalast: Wer fühlt eigentlich noch irgendwas, wenn er den von Friedrich Merz selbstständig ins Netz gestellten Clip mit einem neuen Lied unterlegt und auf seinen Instagram Account hochlädt? Meine These: Niemand mehr. Das Weiter- und Um-Memen derart clever platzierten Menschel-Contents direkt vom Dancefloor des CDU-Sommerfests muss man sich heutzutage als einen weitestgehend automatisierten Vorgang denken. Und an keinem Punkt der Wertschöpfungskette wird auch nur eine Miene verzogen, denn das Lachen wird hier *räusper* nun ja, regelrecht outgesourct an gelb lachende Emojis.  

Vielleicht irre ich mich ja, aber mein Eindruck ist: Wir memen uns am geilen Merz-Video ab, aber können nicht so richtig sagen, warum. Und alles, was wir sagen können, ist dass wir’s nicht wüssten, uns aber irgendetwas befiehlt, dass wir’s müssten. Meiner Meinung nach muss das nicht sein. Ich zum Beispiel möchte Friedrich Merz ohnehin lieber als Menschen in Erinnerung behalten, der sich bei einem Obdachlosen, der sein Notebook an einem Taxistand fand und ordnungsgemäß zurückgab, mit einem Exemplar seines Buchs "Nur wer sich ändert, wird bestehen. Vom Ende der Wohlstandsillusion - Kursbestimmung für unsere Zukunft" bedankte. Oder 1997 gegen den Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe stimmte.   

Zieht sich jetzt ein paar Minion-Memes zur Erholung rein: 

Euer Dax Werner   

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW24

Liebe Leser:innen,  

diese Woche ist ein Google-Mitarbeiter entlassen worden, nachdem ein von ihm programmierter Chatbot seiner Meinung nach die Schwelle zum "fühlenden Wesen" überschritten habe. Die künstliche Intelligenz mit dem Namen LaMDA habe eine Seele entwickelt, so der Google-Ingenieur. Sein Arbeitgeber hält ihn wiederum offenbar für jemanden, der solange in die KI geschaut, bis die KI irgendwann in ihn zurückgeschaut hat. Anyway: Eine Nachricht, die mir willkommenen Anlass zum Sinnieren bietet.

Dass die Unterscheidung zwischen menschlichen Wesen und künstlicher Intelligenz an der Schwelle zum eigenen Bewusstsein immer schwerer fällt, beweisen nicht zuletzt Christian Lindner und Marco Buschmann von der FDP Woche für Woche aufs Neue und ganz unter uns: Ich frage mich, für wie viel Euro ich diese Punchline an Volker Pispers hätte verkaufen können, wenn dieser nicht im Februar 2021 auf pispers.com seinen Abschied von der Bühne bekannt gegeben hätte – allerdings ohne Datumsangabe.

Vermutlich ein letzter diebischer Spaß des Altmeisters, denn seither ist #Pispers nach meiner Zählung mindestens sechsmal auf Twitter getrendet, also im Prinzip jedes Mal, wenn ein Fan die Pispers-Homepage angesteuert hat, aus dem Nichts mit dem Abschiedstext konfrontiert wurde und diesen dann anschließend in den sozialen Netzwerken (Pispers würde natürlich sagen: asoziale Netzwerke) als Neuigkeit verkauft hat. Und ich sag’s mal so: Ein Bot hätte sich das Veröffentlichungsdatum ohne Mühe aus dem von Volker noch per Hand getippten HTML-Text gezogen.

In puncto KI "fährt" die Elektroauto-Firma Tesla einen anderen Ansatz: Wie die Washington Post diese Woche berichtet, ist der Tesla-Autopilot so programmiert, dass er sich Sekunden vor einem Unfall selbst ausschaltet, so dass der Fahrer und nicht Tesla die Schuld trägt. Versicherungstechnisch gewiss die geschmeidigste, wenn nicht gar: flutschigste Lösung, aber selbst für Elon-Musk-Verhältnisse wirkt das alles doch etwas sehr sketchy.

Und es erinnert mich an so einige Bonmots meiner Großtante, die in Sachen positiver PR den großen Agenturen von heute in nichts nachstand: Über einen ihrer Neffen, der im offenkundig angetrunkenen Zustand einen Autounfall fabrizierte, verbreitete sie den einprägsamen Halbsatz "Dem haben’se was in die Cola getan." Und ihr Satz "Irjendswann war der Gehirnskasten einfach voll" über einen anderen Verwandten, der entnervt das Studium abbrach, ist für mich immer noch die griffigste Definition dessen, was uns Menschen nun eigentlich von der KI unterscheidet – Google’s LaMDA hin oder her.

Flirtet jetzt eine Runde mit dem Chatbot auf der Musicstore-Homepage: Dax Werner

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt