Artikel

"Wir sind wie Kommissar Rex und Blondi!" – Julian Reichelt und Paul Ronzheimer im Interview

Seit "Zwei Nasen tanken Super" in den 1980er Jahren gab es in Deutschland kein so kongeniales Duo mehr wie Julian Reichelt und Paul Ronzheimer. Der "Bild"-Chef und sein Vize bumsen Springer seit vielen Jahren nach vorne – mit Klartext, heißen News und Stahlhelmjournalismus. TITANIC hat sie zum Interview getroffen.

TITANIC: Was ist das Geheimnis Ihrer Freundschaft?

Ronzheimer: Der Julian und ich sind wie Brüder. Wenn er mich nachts um drei anslackt, dann kann er sich auf mich verlassen. Ich slacke sofort zurück: "Hat auch noch Zeit bis morgen! Jetzt lass mich pennen, Arschloch!"

Reichelt: So ist es! Außerdem haben wir die gleichen Interessen: Fotos von Unfallopfern unverpixelt zeigen, Gehälter von Promis veröffentlichen und Selfies in Kriegsgebieten machen.

TITANIC: Wie sehen Sie beide sich: eher wie Pech und Schwefel oder eher wie Siegfried und Roy?

Reichelt: Eher wie Sisi und Franz. Und wie Affe Cheetah aus den Tarzan-Filmen und der Trigema-Schimpanse.

Ronzheimer: Ja, aber auch ein bisschen wie Lassie und Flipper, Dumm und Dümmer, Kommissar Rex und Blondi.

Reichelt: Und natürlich wie John Lennon und Joko Ono-Winterscheidt.

TITANIC: Bei "Bild"-Live waren Sie beide zu sehen, wie Sie sich zehn Minuten über eine Rede der Bundeskanzlerin streiten.

Reichelt: Ja, wir lieben den Streit, die leidenschaftliche Auseinandersetzung, den lebendigen Austausch.

Ronzheimer: Wir streiten über alles. Gerne auch länger. Aber es muss selbstverständlich um etwas Substanzielles gehen.

Reichelt: Letztens haben wir drei Stunden darüber gestritten, wer den letzten Nachtisch – abgestandenen Pflaumenquark – in der Springer-Kantine bekommt. Da ging's hoch her! Wir haben uns richtig in Rage geredet. Das Ausmaß der Eskalation war so natürlich nicht geplant.

Ronzheimer: Richtig! Aber ich finde: Sowas muss eine Demokratie aushalten!

TITANIC: Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?

Ronzheimer: Das war auf der Springer-Weihnachtsfeier 2008. Wir standen gemeinsam in der Schmuddelecke, redeten die ganze Nacht Klartext, fielen uns dauernd ins Wor…

Reichelt: … und dann war uns klar: Das zwischen uns, das ist wirklich etwas ganz, ganz Besonderes.

TITANIC: Haben Sie Vorbilder?

Ronzheimer: Also neben Julian sind das noch Heribert Faßbender mit seinem Kultspruch "Schaun mer mal" und Matthias Matussek.

Reichelt: Ich fand früher Eva Herman ganz geil, aber dann ist sie leider falsch abgebogen und zur ARD gewechselt. Heute gefällt mir die Andrea Kiwi vom ZDF am besten. Für mich ist sie die letzte echte Investigativ-Reporterin der Öffentlich-Rechtlichen. Wie die im Fernsehgarten immer dahin geht, wo es weh tut – beeindruckend! Erinnert mich immer an meine Zeit als Kriegsberichterstatter und als Praktikant im Büro von Kai Diekmann.

"Keine Klicks, keine Likes, keine Fucks."

 

TITANIC: Wie finden Sie die gedruckte "Bild" derzeit?

Reichelt: Keine Ahnung, ich habe schon lange nicht mehr reingeguckt. Ich kann einfach die Fresse von Franz Josef Wagner nicht mehr sehen. Aber der Sport soll ja so gut sein, habe ich gehört. Na ja, glaub ich nicht.

Ronzheimer: Um ehrlich zu sein: Die Printausgabe hat mich noch nie interessiert. Sie ist mir zu unseriös. Keine Klicks, keine Likes, keine Fucks. Und mir fehlen dort die Periscope-Live-Reportagen. Schade, da hat Springer leider die Entwicklung vollkommen verschlafen.

Reichelt: Aber das ändert sich jetzt, Gott sei Dank! Wir setzen auf Video-Berichterstattung, auch in der gedruckten Bild werden demnächst Videos erscheinen.

TITANIC: Kennen Sie Max Goldt?

Ronzheimer: Klaro, den zitieren immer alle in den sozialen Netzwerken, wenn mal wieder irgendetwas scheiße läuft auf der Welt.

Reichelt: Quatsch, Max Golf ist der mit der Generation Golf. So hieß mal ein Buch, glaub ich. Aber ich weiß es nicht genau, aus Büchern mache ich mir nicht viel. Die Ausnahme sind meine eigenen. "Kriegsreporter: Ich will von den Menschen und ihrem Privatleben erzählen" heißt eins, das gibt's aktuell für 1,95 Euro bei Amazon. Und bald kommt ein neues, der Titel lautet "Die 10 000 wichtigsten Deutschen und ihre Handynummern, Kontodaten und Lieblingskrankheiten". Erscheint im Supereselverlag, bitte kaufen.

TITANIC: Vielen Dank für das Gespräch. Wir schicken Ihnen das Interview noch zur Autorisierung. Bitte antworten Sie innerhalb von zehn Minuten.

Ronzheimer: Kein Problem!

Reichelt: Okidoki! Und falls noch was sein sollte: Sie haben ja die Handynummer von Paul.

Dimitri Taube

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/i nnen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick