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"Wir sind too big to fail und too sexy to land"
Nach langen Verhandlungen haben sich Bundesregierung und Lufthansa endlich auf ein milliardenschweres Rettungspaket geeinigt. In einem exklusiven Gespräch äußert sich Vorstandsvorsitzender Carsten Spohr zu dem Ergebnis und der Zukunft der Fluggesellschaft.
TITANIC: Guten Abend, Herr Spohr.
Spohr: Servus, Matrose.
TITANIC: Matrose?
Spohr: Ja, und ihr Schiff geht unter, doch mein Vogel fliegt weiter und ich bin sein Kapitän – hui!
TITANIC: Schön. Haben Sie zwischenzeitlich am Überleben der Lufthansa gezweifelt?
Spohr: Nein, natürlich nicht. Wir sind too big to fail und too sexy to land (zwinkert).
TITANIC: Die Lufthansa wird zu 20 Prozent vom Staat übernommen. Machen Sie sich Sorgen um die Unabhängigkeit Ihres Unternehmens?
Spohr: Ach, wissen Sie, wir haben uns ja ganz gut durch die Verhandlungen mit der Bundesregierung manövriert. Und sagen wir mal so: Ich bin auch bei der Kanzlerin nicht schlecht gelandet.
TITANIC: Ich sehe, Sie sind noch ganz Pilot der alten Schule.
Spohr: Was denn sonst? Pilotin? Sie sind mir eine. Reichen Sie mir doch mal den Tomatensaft.
TITANIC: Ich habe keinen Tomatensaft, Herr Spohr.
Spohr: Dann nehme ich einfach ein Hefeweizen und eine Packung Chips. Sind Sie auch im Angebot?
TITANIC: Nein. Andere Fluggesellschaften kritisieren die Staatshilfen und sprechen von Wettbewerbsverzerrung. Was ist Ihre Antwort darauf?
Spohr: Ach, flippedi-flappedi. Manchmal gibt es Abwind, manchmal Aufwind. Man muss nur wissen, wie man den Vogel wieder auf den richtigen Kurs bringt. Der Kranich will fliegen und das geht nicht mit gekappten Flügeln. Das hier ist übrigens ein Nichtraucherflug. Das war früher auch mal anders. Zeiten ändern sich (schnieft, über den Tisch gebeugt)!
TITANIC: Dafür, dass Sie jetzt tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, scheinen Sie aber ziemlich gut drauf zu sein.
Spohr: Entlassung klingt immer so fies! Niemand hat vor, Stellen abzubauen. Wir lassen die kleinen Vögelchen einfach raus aus dem Nest und hinein in die große weite Welt. Und so ein paar Saftschubsen mehr oder weniger … Nicht persönlich gemeint!
TITANIC: Hätte es nicht eine Alternative zu dem Stellenabbau gegeben? Wie wäre es zum Beispiel mit einer Verringerung der Manager-Gehälter? Sie verdienen über vier Millionen Euro im Jahr ...
Spohr: Warum wollen alle immer über Geld reden? Genießen Sie doch lieber den schönen Ausblick. Die Passagiere auf der linken Seite können jetzt die Alpen sehen.
TITANIC: Wir sind in Ihrem Büro, Herr Spohr. Die Lufthansa AG ist aus dem Dax geflogen. Ist damit eine Ära vorbei?
Spohr: Wer ist dieser Dax überhaupt? Den habe ich noch nie sauber eine A320 landen sehen. Ich bin ein guter Pilot, und ein guter Pilot kann mit Turbulenzen umgehen. Bitte anschnallen!
TITANIC: Okay, eine letzte Frage: Sie sind seit mittlerweile sechs Jahren Vorstandsvorsitzender der Lufthansa. Haben Sie Tipps an Nachwuchsmanager, die es einmal so weit bringen wollen wie Sie?
Spohr: Die Temperatur am Flughafen Teneriffa Süd beträgt aktuell 26 Grad. Also cremen Sie sich gut ein!
Antonia Stille