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Wer wird Deutschlands Parlamentspoet:in?

Die Schriftsteller:innen Dmitrij Kapitelman, Simone Buchholz und Mithu Sanyal machen sich in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung für eine Parlamentspoetin im Deutschen Bundestag stark – ein Posten, den es beispielsweise in Kanada bereits gibt. Dieses Amt könne "die sinnliche Welt des Fühlens, Sehens, Schmeckens, Metaphernfindens, der Synästhesie in den Bundestag bringen". Doch wer im Land der Dichter und Denker käme dafür in Frage? Diese Personen werden derzeit von den Buchmacher:innen favorisiert:

Jan Böhmermann
Der Moderator der ZDF heute-show gilt als Deutschlands bedeutendster Gegenwartsdichter. Sein Opus magnum "Sackdoof, feige und verklemmt" ist das wohl bekannteste Poem unserer Zeit, mit dem Böhmermann bereits bewiesen hat, dass er das nötige Gespür für den politischen Diskurs und diplomatische Gepflogenheiten mitbringt. Lediglich außenpolitisch könnte die Besetzung als fragwürdig empfunden werden.  

Julia Engelmann
Ihr größter lyrischer Erfolg ("Sugar Sugar Baby") liegt zwar schon ein paar Jahre zurück. Dennoch lebt die Prof. h.c. der Universität Bielefeld bis heute gut davon. Wie keine zweite hat die ewige Jungdichterin es verstanden, den kurzen Internethype um ihre Person zu melken wie ein CDU-Abgeordneter sein Bundestagsmandat. Besser als Julia Engelmann kann sich vermutlich kein Wortkünstler deutscher Zunge in die Seele der Berufspolitiker hineinfühlen und deren Sorgen und Ängste verbalisieren. Sie darf sich daher die größten Chancen ausrechnen. Einziger Wermutstropfen: Als Parlamentspoetin würde sie voraussichtlich auch singen.  

Sophie Passmann
Der Nachname der dritten Kandidatin endet ebenfalls mit "-mann", weshalb vielleicht gerade konservativere Volksvertreter darüber hinwegsehen könnten, dass es sich bei Passmann um eine Frau handelt. Bereits in jungen Jahren sammelte die Autorin, Influencerin, Schauspielerin und Kfz-Mechatronikerin Erfahrungen im Poetry Slam, für den sie bis zum heutigen Tage mit Leidenschaft brennt. Dieses Feuer hat das müde Polit-Berlin bitter nötig. Da sie laut Insider-Kreisen nach wie vor gern noch unter Pseudonym bei dem ein oder anderen Dichterwettstreit auftritt, hätte sie aber vermutlich keine Zeit für den Vollzeitjob im Parlament.  

Lisa Eckhart
Die umstrittene Dichterin Lisa Lasselsberger, die meist als Kunstfigur Lisa Eckhart in der ARD-Sendung von Dieter Nuhr (bürgerlich: Dieter Nur) in Erscheinung tritt, würde mit Sicherheit frischen Wind in den Bundestag bringen, wenn die AfD nicht schon drinnen säße. Leider ist sie aber Österreicherin. (Menschen aus Österreich ist nach schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit der Zugang zum deutschen Reichstag verwehrt.)  

Lisa Fitz
Die Grande Dame der deutschen Bühnenkunst wurde zwar wie die vorherige Lisa ebenfalls im Ausland (Zürich) geboren, ist aber in Besitz eines sehr alten deutschen Passes. Ihr Wikipedia-Artikel beinhaltet einen interessanten Abschnitt mit dem Titel "Politische Ansichten ab 2017", demzufolge sie deutsche Kabarettisten für "systemimmanente Hofnarren" hält und dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen zu irgendeinem Spinnerpreis gratuliert hat. Als Fundamentalopposition des klaren Verstandes wäre sie eigentlich prädestiniert dafür, mit wirren Strophen im Herz der deutschen Demokratie für belastenden Wirbel zu sorgen. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag wird Lisa Fitz jedoch kaum deutsche Parlamentspoetin werden können – ein weiterer Beweis für die Verlogenheit der Politik.  

Kurt Tucholsky
Der Säulenheilige der deutschen Wortarbeit gilt den meisten als tot. Tatsächlich tauchen indes immer wieder neue Aphorismen und Gedichte des Schriftstellers auf, die darauf hindeuten, dass Tucholsky noch am Leben sein könnte. Gerne hätte man seine Beobachtungsgabe, hörte man seine genialen Spitzen und Pointen, wie sie heute leider kein einziger Satiriker mehr zu schreiben im Stande ist, im deutschen Parlament. Allein: Um als Parlamentspoet arbeiten zu dürfen, müsste er sich als lebendig outen – unwahrscheinlich.  

Anton Hofreiter
Nebst wallendem Haar bringt der stimmgewaltig Anton Hofreiter auch eine enorme Passion für das Sinnliche mit, die keinem Verseschmied fehlen darf. Nachdem er bei der Ministerpostenvergabe eiskalt von den Grünen abserviert wurde, hätte der Troubadix der Herzen als offizieller Bundestagsdichter viel Zeit und Raum, seine Gefühle zu verarbeiten. Problematisch: Grünen-Politiker wie Claudia Roth, Cem Özdemir und Annalena Baerbock erleben tagtäglich bereits genug Hass und Hetze. Ein professioneller parlamentarischer Polemiker wie Hofreiter wäre daher vielleicht doch zu viel des Guten.  

Thomas Gsella
TITANIC-Dichterlegende Thomas Gsella wäre zweifellos und völlig unvoreingenommen die Bestbesetzung für diesen Job. Außerdem braucht der Mann Geld. Dennoch dürfte Gsella am Ende nicht das Rennen machen, da TITANIC schon jetzt zu viel Einfluss auf die Bundespolitik hat.

Cornelius W.M. Oettle

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg