Artikel

We gonna party like there is a gender – Die Geschichte der Gender-Reveal-Party

Gender-Reveal-Parties sind seit einigen Schwangerschaftszyklen ein großes Thema in den USA. Doch wie alles Wahre, Schöne und Gute kommt auch diese Idee eigentlich aus good old Europe. Besonders Deutschland hatte schon immer besonders schöne Bräuche, um die Binarität der Geschlechter zu feiern. Ein Überblick:

Schon die alten Germanen wussten, dass es etwas langweilig ist, Texte mit „schon die alten Germanen wussten“ zu beginnen. Dafür wussten sie aber sonst nicht viel, ihre Pränataldiagnostik war erstaunlich unterentwickelt. Aus diesem Grund mussten sie zu anderen Mitteln greifen, um zu erfahren, ob der lang ersehnte Häuptlingssohn auch wirklich ein Sohn wird. Die Schamanen versuchten im Rahmen eines großen Volksfestes, das Geschlecht am Laufe der Sterne abzulesen: Erlöschen alle Himmelslichter und fällt die Sonne vom Firmament, nachdem die Periode der Häuptlingsfrau ausgesetzt hat, wird es ein Mädchen, bleibt alles wie bisher und geht die Erde nicht unter, wird doch ein Junge geboren. Diese Methode war erstaunlich exakt, allerdings auch, weil neugeborene Mädchen direkt ertränkt wurden, um sich sofort wieder der Zeugung eines Häuptlingssohnes widmen zu können.

Auch im 18. Jahrhundert, zu Zeiten des Sturm und Drang, war es gerade gebildeten Menschen ein wichtiges Anliegen, Söhne zu bekommen: Damals war klar, dass man ein geborenes Kraftgenie sein musste, um dichten zu können, und Genies sind immer männlich, das bestätigt die Forschung bis heute. Um nicht so lange im Unwissen bleiben zu müssen, ersann man auch hier eine Methode: Schrieb Goethe in den Wochen vor der Geburt brillante Gedichte, wurde ein Junge geboren, waren sie eher mittelmäßig, ein Mädchen. Deswegen lässt sich in dieser Zeit auch nicht von "Partys" sprechen, sondern eher von sehr konzentrierten Gedichtanalysen, die schon damals als das Gegenteil galten. Dass Goethes Gedichte häufig von durchschnittlicher Qualität waren, erklärt übrigens nebenbei den großen Anstieg an Geburten weiblicher Babys in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nach Goethes Tod wurde niemand mehr geboren, das 18. Jahrhundert starb aus, wenn auch 30 Jahre zu spät.

Im Nationalsozialismus wollten die Deutschen unbedingt wissen, ob sie denn einen über- oder einen unterlegenen Herrenmenschen bekommen würden. Dies war ihnen besonders wichtig, weil sie ja sonst von nichts wussten, und ihnen sehr langweilig war. Das Geschlecht wurde feierlich im familiären Rahmen enthüllt, der Frauenarzt kam persönlich vorbei, um es zu verkünden: Brachte er einen Einberufungsbefehl, wurde es ein Junge, brachte er einen Einberufungsbefehl für den Vater, ein Mädchen. Die Freude war in jedem Fall groß.

Durch die Frauenbewegung der 60er Jahre kamen die alten Geschlechterrollen ins Wanken: Von nun an wurden Frauen nicht mehr für vorehelichen Sex kritisiert, sondern als prüde bezeichnet, wenn sie ihn nicht wollten. Wurde jemand in der Kommune schwanger, wurde dies mit einem mehrtägigen Lesekreis zelebriert. Dabei wurde die Schwangere genau beobachtet: griff sie weiter zu den Marx-Engels-Gesamtwerken, wurde ihr ein zukünftiger Revolutionsführer geschenkt, las sie gar nicht mehr, eine Hausfrau. Fing sie plötzlich an, sich für Simone de Beauvoir zu interessieren, würde sie das gefürchtetste Wesen der Studentenbewegung gebären: eine Tomatenwerferin.

Auch in der DDR sollte die Bekanntgabe des Geschlechts vor der Geburt gefeiert werden, damit die Bürgerinnen und Bürger nicht neidisch gen Westen schielten. Dort wurde das Phänomen allerdings als Genitalenthüllungsfete bekannt, weil Margot Honecker höchstpersönlich das Wort aus dem Englischen übersetzt hatte. Unentschlossen, was man mit diesem Begriff nun anfangen sollte, beschloss die SED, dass das alljährlich stattfindende FKK-Grillen der FDJ ab sofort diesen Titel tragen sollte. Der Begriff setzte sich allerdings nicht durch, da das eingängigere, wenn auch ungenauere „Pimmelrösten“ bereits weit verbreitet war. Auch dieser Brauch hat die Wiedervereinigung leider nicht überlebt.

Heutzutage muss eine Gender-Reveal-Party vor allem das sein, was alte Leute abfällig facebooktauglich nennen. Damit haben sie natürlich unrecht, solche Inhalte müssen vor allem auf Instagram funktionieren. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Um das Geschlecht des Kindes bekannt zu geben, werden rosa und blaue Luftballons gezündet, ganze Straßenzüge bunt angemalt und Mathebücher angeschafft oder verbrannt. Doch diese Bräuche gibt es weltweit. In Deutschland ist es mittlerweile besonders beliebt, das Geheimnis des Nachwuchses feierlich auf dem Oktoberfest zu enthüllen: Findet dieses statt, ist das Kind in der Union. Na dann prost!   

Laura Brinkmann

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt