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Cornelius W.M. Oettle: "Was will Putin"

Die meistgegooglete Frage unserer Zeit (nach "Wenn ich mit geöffneten Augen niese, fallen dann meine Augen heraus?", "Ist das Wort 'Wiederverschließbar' auf der Käsepackung denn nicht eine einzige Lüge?" und "Wie schreibt man 'meistgegoogelte'?") lautet: Was will Russlands Regierungschef Wladimir Putin? Und schreibt man seinen Vornamen mit W oder V? Zum Glück gibt's darauf jede Menge Antworten.  

Wladimir Putin hat unzählige Soldaten an die Grenze zur Ukraine geschickt. Aber warum? Das fragt der deutsche Journalismus seit Monaten schon in seinen Überschriften: "Was will Putin?" (Deutschlandfunk, Stuttgarter Nachrichten, extra3) beziehungsweise "Was will Putin wirklich?" (Stern, FAZ).  

Doch auch das Ausland rätselt mit: "What does Vladimir Putin want?" eruiert die Financial Times. "Que veut Vladimir Poutine?" will die Schweizer Tageszeitung Le Temps wissen. Und "Cosa vuole Putin?" grübelt die italienische Denkfabrik Istituto Affari Internazionali. Klar, dass man sich bei all der Fragerei irgendwann fragt: "Weiß Putin eigentlich, was er will?" (welt.de)  

Putin zu verstehen ist schwierig in einem Land, in dem "Putinversteher" als Schimpfwort gilt. Das 2015 im Kack-Kopp-Verlag erschienene Buch mit dem Titel "Was will Putin?" scheint die Frage offenbar nicht beantwortet zu haben, sonst würde sie jetzt ja nicht mehr so häufig gestellt. Der ehemalige Marine-Chef Kay-Achim Schönbach glaubte zu wissen, was Putin wirklich wolle ("What he really wants is respect"), weshalb Schönbach jetzt eben nicht mehr Marine-Chef ist. Und FDP-Soldatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat bei n-tv erklärt: "Putin will, dass wir uns in Europa an den Hals gehen". Aber jemandem an den Hals gehen wollen wir in Europa wiederum ganz bestimmt nicht. Außer vielleicht der FDP.

Ungewöhnlich kommt zunächst diese Schlagzeile des Redaktionsnetzwerks Deutschland daher:  

Beim Blick aufs Datum wird jedoch schnell klar: Das war schon am 22. März 2021. Also hat Putin wohl längst bekommen, was er wollte. Das titelt zumindest welt.de gut ein Jahr später am 10. Januar 2022: "Jetzt bekommt Putin, was er wollte" – aber was war das, also neben der Impfung? Mist: Der Artikel befindet sich leider hinter einer Paywall. Suchen wir also andernorts weiter.  

Zum Beispiel in Österreich. "Will Putin Krieg?" fragt das dort ansässige Nachrichtenmagazin Profil. Beruhigendes entgegnet der Deutschlandfunk: "Putin will keinen Krieg". Dagegen hält t-online.de jedoch gleich mit satten "9 Gründen, warum Putin einen Krieg anzetteln will".

Puh! Krieg?! Tja, "Putin will eben nicht als abwägender Schreibtischtäter daherkommen" (Redaktionsnetzwerk Deutschland). Wobei: Krieg wäre ja doch eine ziemliche Eskalation. Und auf eine solche, hört man aus Frankreich, will Putin ja verzichten, zumindest laut Monsieur Le Président:

Überdies erfährt man aus einer Bild-Schlagzeile: "Putin will 'negative Szenarien' verhindern" – und so ein Krieg ist ja wohl eher kein positives.  

Eine erfrischende Einschätzung hingegen hat Norbert Röttgen bei "Maybrit Illner" verkündet: "Putin will die Landkarte Europas verändern". Also vielleicht die Krim komplett abtragen und dafür neben Großbritannien oder wo wieder aufschütten? Aber wozu? Um die EU einzukesseln?  

Ausschließen lässt sich zumindest, dass Wladimir Putin ein Fan des Profifußballers Max Kruse ist, der in der Winterpause vom derzeit recht erfolgreichen Underdog Union Berlin zum in der Tabelle deutlich schlechter positionierten, aber besser zahlenden VW-Club nach Wolfsburg gewechselt ist. Denn: "Putin will mit Söldnern nichts zu tun haben" (Nordwest-Zeitung).  

Doch genug vom Sport. Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit: "Vor 30 Jahren ist die Sowjetunion zerbrochen, Putin will die Scherben irgendwie zusammenhalten" (RND). Hier Putin als Resteverwalter auf dem Scherbenhaufen, dort (bei der Deutschen Welle) eher als Elefant im Porzellanladen: "Er will, dass der Westen kapituliert".  

Cyka blyat! Gibt's denn niemanden, der so richtig viel darüber weiß, was Putin will? Doch, den gibt es: Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik.

"Russland will die EU entkernen und die Nato-Staaten auseinanderdividieren" liest man von ihm beispielsweise im Focus. Dem Bayrischen Rundfunk sagt er: "Russland will Europa dominieren". Gegenüber n-tv kommt er zum Schluss: "Putin löst aus, was er eigentlich verhindern will". Und dem MDR teilt er mit: "Putin will die USA aus Europa zurückdrängen." Sein Fazit: "Was Putin wirklich will, haben unsere Politiker nicht verstanden". Oh Mann, unsere Politiker mal wieder. Dabei liegt das doch wirklich auf der Hand.

Cornelius W.M. Oettle

 

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Briefe an die Leser

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt