Artikel
Warteschlangen-Clowns, Kinder-Enteignung, Pop-up-Spuren für SUVs: Die neuen Ideen von Franziska Giffey sind da!
Seit Dezember ist Franziska Giffey Regierende Bürgermeisterin von Berlin. Im 100-Tage-Bilanz-Interview erklärt sie, was die Hauptstadt jetzt dringend braucht.
TITANIC: Frau Doktor Giffey, Sie sind jetzt 100 Tage Regierende Bürgermeisterin von Berlin. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Giffey: Es läuft fabelhaft, und das, obwohl ich mit Grünen, Linken und der SPD regieren muss. Was mich am meisten überrascht: Es gibt immer noch einige Dinge, die in Berlin funktionieren! Heute Morgen zum Beispiel das Telefon in meinem Büro. Damit konnte nun wirklich niemand rechnen.
TITANIC: Bezahlbarer Wohnraum war ein wichtiges Thema im Wahlkampf. Hat sich da etwas verbessert?
Giffey: Ja, ich habe eine tolle neue Wohnung gefunden. Und ich werde sie auch bezahlen können, da müssen sich die Berlinerinnen und Berliner keine Sorgen machen.
TITANIC: Wie helfen Sie Menschen, die sich die Miete in Berlin nicht mehr leisten können?
Giffey: Meine Koalition hat gerade beschlossen, für diese Menschen mehr Applaus bereitzustellen. Davon profitieren übrigens auch Wohnungslose. Und 2023 sind sogar üppige Applaus-Boni vorgesehen.
TITANIC: Wie läuft es mit der Digitalisierung in der Verwaltung?
Giffey: Da sind wir überaus erfolgreich. Im Bürgeramt Berghain wurden erst im Januar zwei alte Faxgeräte gegen zwei neue ausgetauscht. Doch damit nicht genug. Das Standesamt Charlottenburg-Köpenick bekommt demnächst drei neue Espresso-Maschinen, höchstwahrscheinlich sogar mit WLAN. Darauf dürfen sich die Berlinerinnen und Berliner schon jetzt freuen. Und ich verspreche: In diesem atemberaubenden Tempo läuft die Digitalisierung in den kommenden Jahrzehnten weiter. Wir müssen dafür nur noch den E-Paper-Mangel in den Griff bekommen. Es gibt nämlich derzeit ein paar Lieferschwierigkeiten bei den PDFs. Aber das Problem werden wir lösen.
TITANIC: Welche Pläne haben Sie noch mit der Stadt?
Giffey: Einige wichtige Vorhaben werden wir zeitnah umsetzen. Beispielsweise benötigen wir dringend Pop-up-Spuren für SUVs, eine Obergrenze für Radfahrer, Juso-Bundestagsabgeordnete und Antifa-Schwaben sowie eine Einstellungsoffensive bei Warteschlangen-Clowns, damit sich die Menschen nicht mehr langweilen, wenn es mal wieder irgendwo länger dauert in Berlin.
TITANIC: Ihr Vorvorgänger im Amt ...
Giffey: Sie meinen Eisbär Knut?
TITANIC: Nein, Klaus Wowereit.
Giffey: Kenn ich nicht. Was war mit dem?
TITANIC: Er sagte einst: "Berlin ist arm, aber sexy." Gilt das noch?
Giffey: Currywurst, Hundehaufen, Dieter Hallervorden – mehr Sex geht kaum! Trotzdem habe ich das Gefühl, dass sich das Image der Stadt noch verbessern lässt. Ein neuer Name für Berlin könnte da helfen. Einer, der nach Abenteuer klingt und die Menschen neugierig macht. Wie wäre es mit "Pardon", einer Zusammensetzung aus Paris und London? Oder "Abbottabad an der Spree"? Oder "Neu-Wattenscheid"? Ich werde eine PR-Agentur beauftragen, sich darum zu kümmern.
TITANIC: Muss die Hauptstadt denn nicht mehr sparen?
Giffey: Doch, doch, aber nur in einigen unwichtigen Bereichen. Etwa bei der Bildung, bei Stimmzetteln und bei guten Ideen. Vor allem bei Letzterem möchte ich mit gutem Beispiel vorangehen.
TITANIC: Wo sehen Sie noch Sparmöglichkeiten?
Giffey: Beim Berliner Bär. Ich denke, wir brauchen ein Tier, das nicht so viel Futter und Platz benötigt. Eine Katze im Bärenkostüm tut es auch.
TITANIC: Als Bundesfamilienministerin haben Sie vor ein paar Jahren mit dem Gute-Kita-Gesetz für Schlagzeilen gesorgt. Was tun Sie jetzt als Regierende Bürgermeisterin für Kinder?
Giffey: Aus meiner Sicht habe ich genug getan. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Kinder uns etwas zurückgeben. Mit 40 Prozent des Taschengeldes könnten sie anfangen. So bereiten sie sich schon mal auf das spätere Leben als Steuerzahler vor. Wenn das nicht viel bringt, bin ich für einen Bürgerentscheid zur Frage, ob wir überhaupt noch so viele Kinder wie im Moment brauchen. Eine Enteignung von Kindern darf in diesen Zeiten ebenfalls kein Tabu mehr sein, auch wenn ich Enteignungen eigentlich kritisch sehe.
TITANIC: Werden Sie eigentlich noch auf Ihre Doktorarbeit in der Stadt angesprochen?
Giffey: Klar, das Thema bewegt die Menschen. Deshalb will ich bald eine Experten-Kommission einsetzen, die eine neue Doktorarbeit schreiben soll. Auf das Thema bin ich schon sehr gespannt.
TITANIC: Corona, Kriegsfolgen, Hertha BSC – wie groß sind angesichts der Lage derzeit Ihre Sorgen?
Giffey: Ach, geht so. Ich bin generell dafür, immer positiv zu bleiben. Der Krieg bietet ja auch neue Möglichkeiten. Ich kann mir zum Beispiel ein Guter-Krieg-Gesetz wunderbar vorstellen.
TITANIC: Haben Sie denn gar keine Angst, dass der Russe nach Berlin kommt?
Giffey: Nein, überhaupt nicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass Gerhard Schröder noch lange in Hannover bleibt.
Dimitri Taube