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TITANIC-Wahlanalyse: Zwei Kanzler für Deutschland

Es war eine historische Wahl am Sonntag in Deutschland: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik könnten künftig zwei Kanzler regieren – Armin Laschet in geraden Wochen, Olaf Scholz in ungeraden. Die Arbeitsteilung: Laschet soll für Fettnäpfchen, den Karneval und fürs Grinsen zuständig sein, Scholz für Banken, Brechmittel und die Raute. Auch sonst war die Wahl außergewöhnlich. TITANIC präsentiert die wichtigsten Daten und Fakten.

Comeback von CDU/CSU

24,1 Prozent erhielt die Union. Angesichts der Umfragewerte der vergangenen Wochen in den Linksrutsch- und Kinderreportermedien (ARD, ZDF, ProSieben) ist das ein grandioser, ja geradezu entfesselnder Erfolg. Ohne Armin Laschets unermüdlichen Einsatz bis zum Schluss und vor allem ohne sein achtköpfiges Zukunftsteam (Merz, Doro Bär, Merz, Merz, ein Faxgerät, Merz' Stirn, eine weitere Frau, Joe Laschet) wäre das nicht möglich gewesen. Mit diesem Ergebnis lässt sich in den kommenden vier Jahren in einer stabilen Zukunftskoalition eine Menge erreichen: engagiertes Nichtstun beim Klimaschutz, eifriges Abwarten beim Mindestlohn, mutiger Einsatz für einen Untersuchungsausschuss zur Frage "Wo waren Sie im Wahlkampf, Herr Walter-Borjans?" Die Daten verdeutlichen es: Gepunktet hat die Union vor allem bei über 60jährigen Sittichen und Papageien, bei gemäßigten "Bares für Rares"-Zuschauern und bei allen, die vergessen haben, wer Volker Bouffier ist. Die größten Verluste gab es bei Menschen und Hunden, die sich schon mindestens einmal mit Philipp Amthor fotografieren ließen. Auch einige Stammwähler verzichteten diesmal überraschenderweise auf das Kreuz bei CDU/CSU. Auf die Frage, warum sie nicht wie von 1849 bis 2017 wieder die Union gewählt haben, antworteten 35 Prozent: "Weil ich 2019 gestorben bin." 24 Prozent meinten: "Weil ich 2020 gestorben bin." Und 17 Prozent teilten mit: "Weil Herr Dr. Kohl im Wahlkampf nicht aufgetreten ist." Außerdem interessant: CDU und CSU hätten höchstwahrscheinlich mehr Stimmen bekommen, wenn sich Armin Laschet und Markus Söder im Wahlkampf versteckt hätten – aber richtig, nicht nur so halbherzig wie die Kommunisten-Konkurrenz (Kevin Kühnert, Saskia Esken).

SPD ist stärkste Kraft

25,7 Prozent – für die Sozialdemokraten und ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz ist das ein absoluter Toperfolg, besser geht es nicht. Das Resultat ist ein starkes Zeichen (wofür auch immer). Oder anders gesagt: Die Partei ist wieder da (wo auch immer). Ein Blick auf die vielen Faktenchecks zur Bundestagswahl zeigt: Die SPD war überwiegend bei Wählern beliebt, denen mittlerweile alles egal ist. 81 Prozent der SPD-Wähler stimmten der Aussage zu: "Ich wähle vor allem deshalb die SPD, um ein Linksbündnis zu verhindern." Die höchsten Kompetenzwerte bekamen die Sozialdemokraten in den Bereichen "Currywurst", "Pils" und "Weiß nicht". Darüber hinaus gab es für die Partei am Sonntag noch einen weiteren Erfolg: In einem Volksentscheid votierten die Berliner dafür, dass Franziska Giffey keine Doktorarbeit mehr schreiben muss.

Grüne als Zünglein an der Waage

Auch die Grünen haben mit 14,8 Prozent Grund zu feiern. Ihnen wird nun eine besondere Rolle zuteil. Um das Land nicht zu spalten, plant die Grünen-Spitze etwas vollkommen Neues: Sie möchte in fünf Dreier-Koalitionen gleichzeitig regieren (Jamaika, Ampel, Kenia, jamaikanische Ampel, südschleswigsche Kenia-Ampel). Die Vorteile liegen auf der Hand: So bekommen alle Bundesbürger direkt das, was sie am liebsten wollen: die einen Klimaschutz, die anderen Bundeswehreinsätze, und wiederum andere Bundeswehreinsätze gegen Klimaschützer. "In eine einzige Koalition passen nun mal nicht alle Kriege", brachte es Grünen-Co-Chef Robert Habeck in einem Statement am Wahlabend auf den Punkt. Er selbst will in allen fünf Koalitionen "Verantwortung übernehmen", und zwar als Verteidigungsminister, Finanzminister, Lüsterner-Blick-Minister, Ministerminister und Eselminister.

FDP-Direktmandat in Kubickis Stammkneipe

Auf die FDP kommt es jetzt ebenfalls an. Mit 11,5 Prozent erzielten die Demokratischen Frei-Liberalen ein Megaergebnis. Parteichef Christian Lindner hätte deswegen am Wahlabend beinahe wieder die 18-Prozent-Schuhe von Guido Westerwelle getragen, entschied sich dann aber bloß für die 11,8-Prozent-Unterhose von Rainer Brüderle. Die FDP hat – das wurde erst in der Nacht klar – sogar einen Wahlkreis erobert: Wolfgang Kubickis Stammkneipe. Allerdings hätten sich dort einige gewünscht, dass weniger Spacken (C. Lindner) und Dumpfbacken (F. Thelen) in den Bundestag kommen. Bemerkenswert ist: Vor allem bei Erstwähler hat die FDP einen guten Eindruck hinterlassen – insbesondere aufgrund der Themen "Dreitagebart", "Schwarzweiß-Fotografie" und "Warten auf Innovationen".

Die Verlierer

Eindeutig verloren hat bei dieser Wahl der Südschleswigsche Wählerverband (nur ein mickriger Sitz im Bundestag). Die Linkspartei hat ebenfalls schlecht abgeschnitten. Die wichtigsten Gründe: Kein einziger Linken-Politiker wollte sich bis zur Prognose um 18 Uhr zur NATO bekennen und bei Joe Biden im Weißen Haus anrufen und ihm einen guten Tag wünschen. Weit weg von ihrem Traumergebnis (18,18 Prozent) war auch die AfD. Immerhin: Die größten Zuwächse für die AfD gab es bei Deutschen, die gerne mal an Tankstellen herumballern würden. Und: Hans-Georg Maaßen könnte – nachdem er für die CDU in Südthüringen das Direktmandat verpasst hat – jetzt neuer AfD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag werden.

 

Dimitri Taube

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt