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Söders nächstes Opfer

Röttgen, Braun, Merz – wer soll uns Konservative künftig führen?
Ein Gastbeitrag von Robin Alexander.

Die CDU stellt sich neu auf. In der Opposition. Wolfgang Schäuble fordert die Aufnahme von Geflüchteten und Philipp Amthor bekennt sich zum Tempolimit von 120, gibt zusätzlich den Führerschein ab. Manche und mancher reibt sich da verwundert die Augen. Dieses Irrlichtern prominenter Parteivertreter ist charakteristisch, bezeichnend und symptomatisch zugleich für die Führungslosigkeit der Christdemokraten.

Die neue rechte Megaopposition aus CDU und AfD im Bundestag braucht rasch einen Anführer. (Sicher, es gibt noch eine weitere Partei im Parlament, die sich als bedeutender Gegenpart der Regierung begreift, aber der Südschleswigsche Wählerverband hat noch nicht genug politisches Gewicht.) Allerdings ist die Auswahl bescheiden, die Personaldecke hauchdünn. Der überragende Mann fehlt, die überragende Frau sowieso.

Die CDU bietet uns Konservativen derzeit drei Optionen. Die Spannung im politisch interessierten Deutschland ist kaum auszuhalten: Norbert Röttgen, Helge Braun oder Friedrich Merz - wer wird Markus Söders nächstes Mobbingopfer? Der Comictassenfan aus dem Süden ist bundesweit wohl der Einzige, der das Treiben seiner Schwesterpartei mit Ruhepuls beobachtet. Söder sei es im Grunde egal, wer unter ihm zum CDU-Vorsitzenden avanciert, hört man aus Franken.

Und wer weiß: Vielleicht gesellt sich ja sogar tatsächlich noch eine Frau zur Kandidatenrunde. Aber lassen Sie uns ehrlich miteinander sein: Eine Chance wird sie kaum haben. Es ist die CDU. Außerdem haben Laschet und Söder ja in der Vergangenheit bewiesen, dass Männer als Parteichefs einfach besser geeignet sind, weil Männer schlicht nicht so zickig sind und sich nicht ständig zanken.

Während Röttgen und Merz noch vom letzten Mal bekannt sein dürften, man muss im Kalender ja nicht allzu weit zurückblättern, ist mit Helge Braun ein neuer Sheriff in der Stadt, der zuletzt lediglich als Merkelmaskottchen in Erscheinung getreten war. Aber man tut ihm Unrecht, wenn man ihn auf seine Knuffigkeit reduziert.

Der in Gießen geborene Honorarprofessor Dr. Helge Reinhold Braun ist nicht nur der einzige Mensch, der einem Hund etwas abschlagen kann, weil er noch mitleiderregender dreinzuschauen vermag als der Hund selbst. Er ist auch ein seriöser Mediziner, der bereits Heilerfolge bei etlichen Patienten und Patientinnen vorweisen konnte, indem er die Krankheit einfach lieb gefragt hat, ob sie von dannen ziehen könne. Vielleicht kann er auch seine Partei therapieren. In dieser hat der Süßfratz einige Unterstützer, weil er laut einer Unionslegende der Auserwählte sein könnte, der es versteht, das kalte tote Herz eines bayrischen Ministerpräsidenten zu erweichen.

Doch ob er sich durchsetzen wird? Als Favorit gilt wohl eher Merz, der sich inzwischen für eine bessere Sozialpolitik einsetzt und sogar bereit ist, eine Frau auf das wichtige Amt der stellvertretenden Generalsekretärin zu hieven und dieses Amt sogar eigens für sie zu schaffen. Merz ist jetzt links. Zwar verlor er schon gegen Merkel, Kramp-Karrenbauer und Laschet, doch er gewann gegen Röttgen. Als christdemokratischer Menderes hat er sich einen Namen gemacht. (Menderes war der, der es fünfhundertmal erfolglos bei "Deutschland sucht den Superstar" auf RTL versucht hat, dafür aber später Dschungelkönig wurde. Ein weiteres wichtiges Amt, das Friedrich Merz im Falle einer Niederlage wohl als nächstes anzustreben gedenkt.)

Wer sich an der Basis umhört, der erfährt: Freundlich wirkende Kerle wie Braun und Röttgen werden es schwer haben, gegen Merz zu bestehen. Freilich sind sie nicht wirklich freundlich, sie sind ja in der CDU. Aber in diesem Umfeld kommen sie halt nun mal relativ nett rüber, gleich einem gewöhnlichen Versicherungsbetrüger unter lauter Investmentbankern. Das hat man in der CDU so langsam satt. Nach der Uckermarkoma und dem Lachsack aus Aachen soll diesmal einer an die Spitze, der authentisch und wahrhaftig all das verkörpert, was die CDU ausmacht: die Nonchalance eines Peter Altmaiers, die Geschäftigkeit eines Jens Spahns, die Trägheit eines Tilman Kubans. Wobei wiederum Merz all das Toxische nur ausstrahlt, privat ist er ein woker Typ. Diese Divergenz zwischen Schein und Sein ist das zentrale Problem.

Röttgen und Braun erscheinen uns CDUlern leider zu jovial. Sieht man sie neben Merz, so beschleicht unsereinen unweigerlich dieses altbekannte Gefühl, das man sonst nur bei Tierdokus über Gnus bekommt, wenn sich plötzlich die Hyäne ins Bild pirscht. Ein wohliges, ein erhebendes Gefühl. Selbst im Falle eines Triumphes würden Braun und Röttgen vermutlich recht bald wieder arminisiert werden, wie man im Jargon der Berliner Journalistenbubble sagt.

So kann sich die BRD also voraussichtlich auf einen abgefahrenen Showdown, ein vier Jahre währendes episches Kräftemessen zwischen den härtesten Kerlen von CDU und CSU freuen, bei dem nicht klar ist, ob alle Beteiligten überleben werden: Der schwarze Ritter gegen den dunklen Lord, der böse Wolf gegen den feuerspeienden Drachen, der diabolische Poltergeist gegen den uralten Dämon. Wer nun Söder und wer Merz ist, darüber ist man sich in Unionskreisen noch nicht einig. Klar ist nur: Ganz egal, wer gewinnt – Siegerin ist die Demokratie.

 

Cornelius W.M. Oettle

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt