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"Sie sprechen uns allen aus dem Herzen!" - Ein Waldspaziergang mit Hendrik Streeck

Wer Hendrik Streeck privat erleben will, muss ihn auf eine Gartenparty mit Richard Grenell einladen. TITANIC verabredet sich stattdessen mit ihm zum Waldspaziergang.    

Wenn man den "wohl bekanntesten Virologen Deutschlands" (RTL) zum Pressetermin treffen möchte und nicht im Auftrag von Bild oder RTL recherchiert, stößt man schnell auf die PR-Agentur "Storymachine". Was Hendrik Streeck nicht weiß: Auch wir pflegen eine innige Beziehung zu Kai Diekmann, seit jeher ist er ein Freund von TITANIC. Der ehemalige Bild-Chef teilt uns ungefragt mit, sein "Premium-Klient im Celebrity Endorsement skaliere auf einem Level, das non-comparable" sei. Die Mediation Diekmanns ist derart brillant, dass Streeck uns auf einen sechstägigen Segeltörn einlädt. Im letzten Moment können wir ihn von einem Bummel durch den schönen Bonner Stadtwald überzeugen.

Deutschlands "Top-Virologe" (Bild) trägt ein weißes Poloshirt mit der Aufschrift "Harvard Yacht Club Sailing", eine etwas zu weit hochgekrempelte Chinohose in Mintgrün und Horsebit-Loafer ohne Socken. Ein cremefarbenes Puffer Jacket wirft er gekonnt über die Schulter, der "Kaschmirschal Jona Dunkelgrau" aus dem Barefoot Living Store rundet die Garderobe ab. "Keine Angst", später werde er sich für das Shooting mit unserem Hausfotograf Tom Hintner umkleiden.

Souverän führt Hendrik Streeck seinen Hund Sam in Richtung Wald. "Der Golden Retriever ist nah am Welsh Corgi Pembroke", sagt er beiläufig. Dass der Anthony Faucis Lieblingstier ist, muss er nicht extra erwähnen. Dort, wo Sam in einer exklusiven RTL-Homestory noch "pubertäres" Verhalten an den Tag legte, bleiben wir das erste Mal stehen. Unser Gesprächspartner erklärt, dass Zucht und Ordnung in seiner Familie stets wichtig waren. "Aber man kann ja nichts für seine Herkunft. Mein Vater ist Soziologe - das hat mich lange runtergezogen." Unser dezenter Hinweis darauf, dass sein Großvater hochrangiger SS-Funktionär war, bringt den TV-Star nicht aus der Fassung: "Ich kannte ihn nicht. Aber ja, da haben Sie einen Punkt. Genau darum geht es in seriöser Wissenschaft: Es gibt kein Richtig oder Falsch!"

Auf dem Waldweg liegt ein toter Vogel, der es aus eigener Kraft nicht mehr auf einen Baum schafft. "Mit Hühnersuppe und Zitrone hätte man das vermeiden können", behauptet Streeck, packt zu und setzt das verendete Tier auf einen der unteren Äste. Er, der große Pandemieerklärer, erklärt sein Handeln anschließend mit großer Geste dem irritiert dreinblickenden Hund zu seiner Rechten. Doch Julian Reichelt, den wir zufällig getroffen haben, geht einfach weg. Sam zieht hernach an der Leine, sein Herrchen bleibt in der Rolle. Der Mischwald ist für Hendrik Streecks Habitus die perfekte Kulisse. Das Handy klingelt, es ist Alexander Kekulé. "'Kay?", "'Kay!", "'Kay!", "'Kay?", "'Kay!" Das Gespräch dauert keine 20 Sekunden. Kekulé (MDR) wolle ihn zusammen mit seiner "guten Bekannten" Katja Burkhard (RTL) zu einer gemeinsamen Telegram-Gruppe überreden. Doch er sei vorsichtig geworden, was den Umgang mit Öffentlichkeit angehe. Er lächelt gequält, bricht ein wenig Rinde ab und sekundiert: "Ich sage nur ein Wort: Jan Böhmermann. Das hat mich ein Stück weit erschrocken. Alles nur, weil ich die Frisur meines Opas trage? Hier ist ein Learning für die Medien: Es gibt visuell nicht 'die Wissenschaft'. Zumal der Haarschnitt von Drosten gefeiert wird, obschon der Britpop eine ähnlich dunkle Geschichte wie Deutschland hat." Streeck redet sich in Rage: "Diese gebührenfinanzierten Clowns sind gerade das, was Ratten während der Pest waren: Ratten! Eines möchte ich klarstellen: Ich habe mich niemals selbst als Überflieger-Wissenschaftler bezeichnet, sondern lediglich RTL nicht widersprochen." Apropos: Wir fragen, ob er mittlerweile die Zeit gefunden habe, alle Umzugskisten auszupacken. Er übergeht unsere Einlassung. "Ich wollte eigentlich Filmmusik komponieren, aber dann wurde ich Virologe, weil man da nicht so viel Verantwortung trägt. Sondern einen schicken weißen Kittel." Als er zu monologisieren beginnt, sprechen wir ihn auf die kürzlich beschlossene Priorisierung der PCR-Testvergabe, die verkürzten Isolations- und Quarantänezeiten sowie den beschnittenen Genesenenstatus an. Streeck flüstert: "Zugegeben, es ist eine Challenge, mich in dieser Phase der Pandemie nicht von Gesundheitsminister Lauterbach provozieren zu lassen. Ich sage mir: Es wird ein guter Sommer! Es sei denn, Joggingschuhe oder Obstlieferungen werden knapp." Seine Prognosen zur Inzidenzentwicklung seien immer von einem gesunden Optimismus "geschwängert" gewesen. Wenn überhaupt, dann sei das sein Interessenkonflikt.

An einer kleinen Holzhütte machen wir Rast. Hendrik Streeck öffnet Tupperdosen mit Kulles, Bergischen Waffeln und Pillekuchen. Dazu reicht er Ingwershots und Champagner "aus der Champagne". Uns interessiert, wie er andere globale Herausforderungen sieht. Wir äußern unsere Furcht vor einem Klimakollaps. "Sie sprechen uns allen aus dem Herzen! Doch ich denke, nicht jede Katastrophe darf uns schocken. Lesen Sie zunächst mein Buch übers Immunsystem! Und ich kann nur wiederholen: In der Wissenschaft gibt es nicht die eine Wahrheit. Vielleicht wird es irgendwann wieder kalt." Die Vermutung, dass er damit scherzhaft auf eine drohende Eiszeit anspielt, bestätigt sich nicht.

Streeck wirkt plötzlich gehetzt, als wir ihn daran erinnern, dass wir noch Fotos brauchen. An seiner Wohnung angekommen bittet der Liebling der Ü40-Sexbubble (Twitter) um Privatsphäre. Eine Stunde später tritt er durch die massive Holztür nach draußen. Sein "Spezi" Boris Palmer habe angerufen, den könne man schlecht abwürgen. Der Tübinger OB sei "der einzig zurechnungsfähige Politiker in THE LÄND."*

Als wir auf sein Outfit schauen, hebt er an: "Diesen Anzug wollte ich zur Heinsberg-Pressekonferenz tragen, doch mir wurde abgeraten: zu medioker." Nach ein paar brauchbaren Aufnahmen schließen wir mit der Frage nach seiner Motivation. Er wird zornig, spricht von Durchseuchung, Impfpflicht und Louis Pasteurs Diensten für die Milchindustrie. Dann rennt er just in dem Moment, in welchem er ein Testergebnis per Corona-Warn-App abruft, mit den Worten "Wir haben Sam vergessen!" zurück in den Wald.    

 

*Im Nachgang schreibt uns "Storymachine", dass Hendrik Streeck sich im Rahmen einer Imagekampagne des Landesmarketings vertraglich dazu verpflichtet hat, Baden-Württemberg als "THE LÄND" zu bezeichnen 

Martin Weidauer

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg