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Safety first: Horstchens Kaffeefahrt

Ein Einschreiben erreicht die Redaktion: Horst Seehofer (69, Stand: 2018) lädt zu einer Bustour durch Oberbayern. Als wäre das nicht schon fetzig genug, haben wir dem Vernehmen nach auch noch 5.000 Euro und Gratisverpflegung gewonnen. Ohne die Kolleg*innen zu informieren, schwinge ich mich in den Dienst-Tesla und brause gen Süden.

Ich blicke auf die sanften Hügel des Schambachtals, sie sind sanft und hügelig. Als Teil des Pressetrosses lausche ich Steve Alter, der noch vor ein paar Tagen "Sprecher der linksextremen Nancy Faeser" war und jetzt als "Lebensabend-Manager mit Akkreditierungsbefugnissen" in den Schoß seines väterlichen Freunds zurückgekehrt ist. Ein Journalist der Bad Tölz Times unterbricht den Gesandten des Gastgebers: "Wann gäd 's endlich moi los do?" Der PR-Profi ignoriert die Frage und kündigt vollmundig den Star des Tages an: "Es ist mir eine Ehre: Der Bayerische Ministerpräsident a. D., Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat a. D. und Träger des Karl-Valentin-Ordnens: Horst Lorenz Seehofer."    

Seehofer betritt im gestrickten Hufeisen-Pullunder den Iveco-Bus, gefolgt von seiner Frau Karin. Mit raumgreifenden Bewegungen besetzt er die komplette hintere Reihe. Seine Frau darf rechts vor ihm sitzen, wie sie damals seine Frau bleiben durfte, obschon er eine viel Jüngere hätte haben können. Er sagte seinerzeit sinngemäß, er lasse sich nicht von einer Frau verlassen, die nur wegen ihm seine Frau sei. Die Medienvertreter*innen belegen eine Hälfte des Busses. Von den normalen Leuten im vorderen Teil werden wir durch das Sicherheitspersonal des 1,93 großen CSU-Silberrückens abgeschirmt. Dieser greift zum Mikro: "Servus. Eines sei Euch versprochen: Beim Kaffeetrinken werde ich bis zur letzten Patrone gegen Sojamilch kämpfen!" Ein Alphatier mit Schmunzeltrigger - rüstig, renitent, realpolitisch. Horst Seehofer zwickt seiner Gattin überraschend fest ins Bein. "Na, kennt Ihr den? Der Schenkeltrick, versteht Ihr? Wir sind doch Rentner." Hernach stellt er seinen "Masterplan Mönchsdeggingen" vor: "Dort haben wir uns im 'Gasthof zur zünftigen Schweinesau' eingemietet. Mein persönliches Ankerzentrum. Da gibt es dann ein paar exklusive Informationen und was zu beißen. Die Herdprämie muss sich wieder lohnen, verstehst? So, nun genießt die anderthalb Stunden Fahrt. Jeder hat eine Zuhör-Obergrenze." Seehofer blickt zufrieden drein. Der muffige Bus ist seine Arena - hier ist er noch Heimatminister. Als uns ein Daihatsu die Vorfahrt nimmt, spricht er von der "Herrschaft des Unrechts". Vergleichbares sei in den letzten 200 Jahren nur den Sudetendeutschen angetan worden. Er erwähnt bei der Gelegenheit, dass wir die "unverspargelte" Landschaft seiner Initiative gegen Windräder zu verdanken hätten. Sodann habe ich Zeit, mir den Flyer der Vortragsreihe "Toxische Weiblichkeit, Genderterror, Pandemie - Wäre Franz Josef Strauß heute noch denkbar?" anzuschauen. Man wolle Konservatismus neu erlebbar machen und somit der "Spaltung der Gesellschaft durch Denkverbote entgegenwirken". Ich beschließe, der Sache eine Chance zu geben, da neben der bayerischen Politelite weitere meinungsstarke Speaker announced werden, u. a. Oskar Lafontaine und Heinz Rudolf Kunze.    

Als wir am Ziel unseres Ausflugs ankommen, verteilt Karin Seehofer bräsig und mit gequältem Lächeln Geschenkartikel. Auf diesen steht "HHSS", die Abkürzung für "Haus- und Heimsicherheit Seehofer". "Ein Start-up aus Ingolstadt", sekundiert die Angetraute des CEOs. Ich bemerke den Ausschlag an ihren Händen und versuche, die Stimmung aufzulockern: "Ist das die Mutter aller Ekzeme?" Frau Seehofer reagiert nicht darauf. Im großen Saal des Gasthofs findet nun die dem Essen vorgelagerte Informationsveranstaltung statt. Horst Seehofer betritt, erneut durch Herrn Alter und diesmal als "Ehrendoktor der Nationalen Agraruniversität der Ukraine" angesagt, die Bühne. Er wolle heute drei Produkte vorstellen: Pfefferspray, eine Taschenlampe und seine Memoiren mit dem Titel "Zuawida bin i ma ned - a Liabeserklärung". Das "revolutionäre" HHSS-Pfefferspray sei noch nicht im Handel erhältlich, ebenso wenig die "einzigartige" HHSS-Taschenlampe. Beide Artikel könne man nur hier in limitierter Auflage zum Vorteilspries erstehen. Die Reporter*innen der Augsburger Allgemeinen schlagen zu. Und kaufen drei Taschenlampen, nachdem die Prügelei mit der Konkurrenz von der Süddeutschen geschlichtet ist. Meine höfliche Nachfrage betreffs der im Brief versprochenen Gewinnsumme wiegelt Karin Seehofer brüsk und in den Dialekt driftend ab: "Hoid Dei Fresse Du Schmierfink!" Sie wirft Stifte und Feuerzeuge in meine Richtung. "Ihr vo da Build hobt damois de Affäre eafundn!" Ich verstehe nur die Hälfte, sie scheint zu denken, ich wurde von der Bild geschickt. Dann wird mir schwarz vor Augen. Als ich im 'Spital zur heiligen Angela des Angelikastifts Ziswingen' zu mir komme, steht Steve Alter an meinem Bett: "Ich darf Ihnen jetzt den CSU-Ehrenvorsitzenden und Amateurschaffner der Königlich-Bayerischen Staatseisenbahn ankündigen: Horst L. Seehofer, im Maßstab 1:1." Der Genannte betritt, mit einem Fürst-Pückler-Eis in der linken Hand, den Raum. "Die überwiegende Mehrheit von über neunundneunzig Prozent der Teilnehmer der Veranstaltung steht auf dem Boden des Grundgesetzes. Ordnen Sie Ihr Privatleben, Depp! Sie sind selbst schuld daran, dass Ihnen Karin meine Autobiografie an den Kopf geworfen hat." Er signiert eine Ausgabe des Buchs und verschwindet mit der Bitte um wohlwollende Rezension. Sein Adlatus bedeutet mir, dass der Bus nicht länger warten könne. Und dass Seehofer virtuos Keyboard spiele. Ferner fahre er ein modernes E-Bike, welches "schneller als jenes vom Söder" sei. Das solle ich anstelle der "Kontroverse" mit der Bayerischen First Lady a. D. im Artikel hervorheben.    

Nach einem vierwöchigen Krankenhausaufenthalt fahre ich mit dem Taxi zurück ins mondäne Schamhaupten und von ebendort im Tesla nach Frankfurt am Main. In der Redaktion blieb meine Abwesenheit unbemerkt, man habe gedacht, ich sei auf dem Klo. Der Dienstwagen wurde als gestohlen gemeldet und mittlerweile von der HUK-COBURG ersetzt. Das erklärt, warum Chefredakteur Hürtgen am Morgen grußlos in einem Model 3 an mir vorbeigerast ist. Per Mail entschuldigt sich Herr Alter für das "boulevardeske Setting" und bestellt mir "beste Grüße von der Karin". Anscheinend war alles nur geschickte Promo. Er akkreditiert mich zum nächsten Termin: "Ingolstadt – das Budapest des Westens. Von und für Ungarn-Aficionados. Proudly presented and secured by HHSS". In der Nachricht wird mir überdies ein Gewinn von 8.000 Euro garantiert. Ich sage sofort zu.   

Martin Weidauer 

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt