TITANIC Gold-Artikel
Qualmö in Malmö
Vom Umgang mit Covid-19 bis zum Verzehr geräucherter Rentierherzen: Die schwedischen Sonderwege sind lang, abseitig und verschlungen.
Während andernorts die Bürger brav zu Hause bleiben, sieht man zwischen Malmö und Mertajärvi butterblonde Menschen auf Wiesen übereinander rollen, zu Dutzenden sorglos ineinander verknäuelt. Ganze smaländische Familienclans saufen Glögg aus Sangria-Eimern mit nur einem Strohhalm. Polonaisen und Gruppenkuscheln, wohin man schaut.
Was jeder weiß: Schweden geht in der Corona-Pandemie einen Sonderweg. Cafés, Absturzkneipen, Saunaparks und Schulen sind durchgehend geöffnet, auch nachts. Staatsvirologe Anders Tegnell, auf den die schwedische Regierung blind hört, plädiert ansonsten für "Freiwilligkeit". Man gebe sich wie immer gerne liberal.
Was hingegen nur wenige wissen: Der "schwedische Weg", es gibt ihn nicht erst seit März 2020. Er ist jahrhundertealt, lang, sumpfig, von fauligen Birken umsäumt und führt geradewegs in den Abgrund. Schweden, das kalte, kauzige Ödland im Norden, ist seit jeher ein Territorium der Exzentriker und spleenigen Alleingänge. Die wichtigsten auf einen Blick. ___STEADY_PAYWALL___
Delikatesser
Während es im Rest der Welt eher geschätzt wird, frischen Fisch auf den Teller zu bekommen, schwören die Schweden auf verfaulten, genannt "Surströmming". "Gamle fisk! Rotten! Äkelig!" preisen Fischhändler ihre überreife Ware an und locken die Massen in Strömen. Der Staatsminister für Fischangelegenheiten, Sanders Fisknell, umschreibt die Volksdelikatesse mit drei Worten: "Läkka, läkka, läkka!" Die Skandinavische Fischallianz sprach bereits zahlreiche Rügen aus und machte mehrfach die Grenzen dicht, doch konnte die Perversion nicht stoppen.
Hinzu kommt: Nordeuropäer trinken bekanntermaßen gerne Alkohol. "Wir trinken mehr Alkohol", trumpfen die exaltierten Schweden auf. Doch während sich andere an Schwerbier laben, kippen die Schweden kistenweise Leichtbier (Lättöl). Der Trick: Man kann viel länger trinken, bis man "hakkadicht" ist, und solange distanzlosen Hobbys mit möglichst viel Körperkontakt (Armdrücken, Pogo auf Metal-Konzerten) nachgehen.
Demokrati
In Schweden gibt es Demokratie bereits seit Jahrtausenden. Blutfürsten, raffgierige Grafen und Gewaltherrscher aller Art gefielen den dortigen Bauern nicht so. Ausbeutung und Leibeigenschaft beruhten auf Freiwilligkeit. Im Rest Europas tyrannisierte der Adel das einfache Volk, erschuf aber auch die schönsten Burgen, Herrenhäuser und heutigen Sightseeing-Destinationen. Die Schweden zimmerten ein egalitäres Holzhaus neben das andere. Deshalb gibt es in Schweden heute leider nichts zu sehen.
Auch sonderbar: In Schweden tragen Kinder beim Luciafest am 13. Dezember brennende Kerzen auf dem Kopf. Die jährliche Anzahl an Brandopfern geht in die Tausende.
Säx
Gelebte Freizügigkeit gibt es im hohen Norden auch in anderen Bereichen, zum Beispiel auf dem Feld des Triebabbaus. In Schweden ist es erlaubt, an jedem öffentlichen Ort Geschlechtsverkehr zu haben, ob allein (Önani) oder zu mehreren (Säx), auch als "Jedermannsrecht" bekannt. Wichtig ist nur, dass sich die Beteiligten nicht näher als fünf Meter von Privatgrundstücken aufhalten, im Anschluss ihren Müll mitnehmen und nach 24 Stunden weiterziehen. Lediglich Versammlungen von mehr als 50 Personen sind in Covid-19-Zeiten nicht erlaubt, außer an Mittsommer, dem allgemeinen Fest von Kaos und Anarki.
Bakterier und Viren
Auch in anderen Seuchenzeiten ging Schweden sonderliche Wege, etwa im Umgang mit der Pest. Im Rest Europas verbarrikadierten sich die Menschen in ihren Holzhütten, verbannten Infizierte in Pesthäuser. In Schweden saß man derweil einträchtig zusammen, schwätzte und teilte miteinander das letzte Smörrebröd. "Einer für alle, alle für einen", skandieren die unbelehrbaren Esel, bis auch das letzte Bleichgesicht von schwarzen Beulen übersät war und 100 Prozent der Bevölkerung binnen drei Wochen verstarb. Glück im Unglück: Tausende Bewohner Nordsibiriens, das zu dieser Zeit aus allen Nähten platzte, wurden zwangsangesiedelt und man fing noch mal von vorne an.
Orwörmer
Seit 1982 gibt es in Mittelasien den "Zentralasiavision qo'shiq tanlovi", ein erfolgreiches "Pendant zum Eurovision Song Contest". Zu den konkurrierenden Ländern zählen Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Schwedistan, geduldet als Dauergast. Mit einer geheim gehaltenen Summe hat sich das Land der zahllosen ESC-Siege in diesen Wettbewerb eingekauft, um seine Überproduktion an radiotauglichen Pophits im Ausland abzubauen.
Säger
Viele bekannte Redensarten gibt es überall auf der Welt. Außer natürlich in Schweden. An Weisheiten wie "Hunde, die bellen, beißen auch", "Scherben bringen Pech" oder "Wer zuerst kommt, der hat nicht richtig ausgeschlafen" müssen sich Neu-Schweden erst mal gewöhnen. Warum dies so ist, bleibt, wie das gesamte Land, ein großes Schwedenrätsel.
Ella Carina Werner