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Pro und Kontra Weihnachtsfilme

Entweder man hasst sie oder man liebt sie: Pfeffernüsse. Nicht weniger umstritten sind all die Xmas-Romcoms, -Schnulzen, -Musicals und -Trickfilme, die während der Weihnachtszeit rund um die Uhr ausgestrahlt werden. Zeit für eine ausgewogene Abwägung.

Pro

Dimitri Taube, 37, hat sich Sissi und den kleinen Lord schon 500mal angeschaut – und hat immer noch nicht genug.

An Weihnachten bei der Familie sitzen und sich die unerträglichen Boomer-Witze des Vaters, die langweiligen Geschichten der Mutter oder den immergleichen Streit der Verwandten anhören – all das muss nicht sein. Man muss zusammen nur ein paar Weihnachtsfilme schauen. Da ist es von Vorteil, dass praktisch rund um die Uhr welche laufen. So kommt man beim obligatorischen Besuch bei der Familie überhaupt nicht mehr in die Verlegenheit, miteinander zu sprechen und einander zuzuhören. Und wer mindestens neun Weihnachtsfilme am Stück gesehen hat, ist emotional abgestumpft und damit hervorragend gewappnet für die kleinen und großen Peinlichkeiten während des Festes.

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil von Weihnachtsfilmen ist, dass in den meisten von ihnen weder Til Schweiger noch Lars Eidinger mitspielen. Ständig ballert Bruce Willis auf den kleinen Lord, auf Charlie in der Schokoladenfabrik und auf Kevin allein zu Haus – so will es die weihnachtliche Tradition. Und wenn man brechen muss, weil das Weihnachtsessen mal wieder so scheußlich geschmeckt hat, kann man das sicherheitshalber auf die Weihnachtsfilme schieben: "Nee, du, sorry, das hat wirklich nichts mit deinem Essen zu tun, aber siebenmal 'Drei Haselnüsse für Aschenbrödel' waren am Ende zu viel – da musste ich mich einfach übergeben."

Einbrecher abschrecken funktioniert mit Weihnachtsfilmen ebenfalls wunderbar. Wenn man aus dem Haus geht, sollte man unbedingt einen Weihnachtsfilm laufen lassen, am besten in unüberhörbarer Lautstärke. Potentielle Diebe werden sich erschrecken und denken: "Bäh! Was für ein erbärmlicher Haushalt! Hier gibt es garantiert nichts von Qualität zu holen! Schnell weg!"

Außerdem eignen sich Weihnachtsfilme bestens dafür, Kinder zu disziplinieren. Zum Beispiel so: "Wenn du nicht aufisst, wirst du den ganzen Tag mit dem Grinch verbringen!" Oder so: "Wenn du jetzt nicht sofort still bist, musst du dir noch mal Sissi anschauen, und zwar alle drei Teile hintereinander, und anschließend die Wiederholungen!" – Film ab!

Kontra

Torsten Gaitzsch, 40, möchte heuer keine Hobbits, Griswolds oder Krampusse auf der Mattscheibe sehen, sondern endlich mal im Feuerzangenbowlenrausch das Christmas-Album von Sun Ra hören.

"Dieses Weihnachten bleibt bei uns der Fernseher aus!" Wenn ich diesen Satz höre, umspielt ein Lächeln meine Lippen. Doch oft genug folgt der Aussage die Ergänzung: "Wozu haben wir schließlich Leinwand und Beamer?" In diesem Moment schwindet mein Lächeln, ja mir entgleiten regelrecht die Gesichtszüge – hättest du das nicht anders formulieren oder die Wörter so ausstoßen können, dass mir keine Zeit geblieben wäre, meine Mundwinkel zu heben, du Arschloch? Der ganze Aufwand umsonst. Was für eine emotionale Achterbahnfahrt! Darum unterhalte ich mich nicht mit anderen Menschen.

Die Menschen unterhalten sich nicht mehr, gerade in der Weihnachtszeit. Früher war das ganz anders, da sind wir durch die Straßen gehüpft wie junge Hunde, und wildfremde Passanten riefen einander zu: "Sag mir, was du dir gewünscht hast." – "Nein!" - "Ach komm, sag es mir." – "Nein, das tue ich nicht, dann geht's nicht in Erfüllung." – "Ich möchte es aber trotzdem wissen … Was wünschst du dir? Soll ich dir den Mond holen? Du brauchst es nur zu sagen, dann nehme ich ein Lasso und hol ihn dir vom Himmel runter. Das ist doch mal was anderes. Soll ich dir den Mond schenken?" – "Ja, gern! Und was dann?" – "Dann brauchst du keine Lampe mehr. Der Mond leuchtet nur für dich allein, du wirst niemals mehr im Dunkeln sein und dein Haar und deine Augen werden immer so glänzen wie jetzt." Und so weiter.

Für den Kommunikationstod sind unter anderem die TV-Verantwortlichen verantwortlich zu machen, weil sie ab Heiligabend ununterbrochen Weihnachtsfilme senden. Vom Glotzomaten kann man sich halt einfach berieseln lassen, muss geistig und emotional nichts investieren. Wenn zum zehnten Mal "Der Cringe", "Prinzessin Fanta Zero" oder "Bist du okay, Charlie Brown?" läuft, hat das Hirn Pause. Währenddessen setzt die Brettspielsammlung Staub an und so manche fruchtbare Diskussion über Impfpflicht und Identitätspolitik bleibt unausgefochten.

Macht man sich mal die Mühe, einen "Weihnachts-Klassiker" zu analysieren, stellt man fest, dass diese Streifen immer nach dem gleichen Muster ablaufen: Exposition, Konfrontation, Auflösung, dazwischen Werbespots aus der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Laaangweilig! Halbwegs erträglich waren allenfalls die Märchenfilme aus der Sowjetunion, aber die kann man sich inzwischen schenken, denn die fantastischsten russischen Märchen kommen heute aus dem Kreml, hehe.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt