TITANIC Gold-Artikel

Polytreff Spezial: Der Club der doppelten Verneiner

Willkommen im Club der doppelten Verneiner, einem neuen spannenden Swinger-Konzept, das gerade in Berlin Schule macht. Ein Frontbericht von Teja Fischer.

Fabian, wie er nicht wirklich heißt, ist jung, aber nicht mehr ganz. Sein Gang bereits watscheliger, die Hüften massiver, das Lächeln rühriger. Ich beobachte gespannt, wie er federnd in das Séparée wackelt, in dem zwei modisch tätowierte Studienrätinnen um die 30 bequem nebeneinandersitzen. "Den erkenn ich an seinem Gemächt wieder!" flüstert Sofia ihrer Freundin Anna ins Ohr, die ihre Scham mit allem bedeckt, das nicht ihre Scham ist. "Diesen Unterleib hab ich doch vorhin schon am Buffet gesehen." – "Warum nicht?!" grinst Anna zurück. Und eröffnet die Partie mit den Worten: "Keine Lust auf keinen Dreier?" – "Keinesfalls nicht!" antwortet Dirk, wie er auch nicht heißt, ein wenig zu laut.___STEADY_PAYWALL___

"Indem wir die Kommunikation beim Sex unter die Prämisse der doppelten Verneinung stellen, nehmen wir ihr die Beiläufigkeit, verlagern die Interaktion von körper- und grunzsprachlichen Mitteln wieder zurück in die filigranen Windungen unseres Intellekts, reiben uns so noch ganzheitlicher an- und ineinander – und potenzieren damit das Prickeln zwischeneinander um ein Vielfaches. Wir nennen es den Mentos-Cola-Effekt!"

Soweit also der Text, den ich in der Facebook-Einladung für den neuesten Polytreff der Hauptstadt-Bohème las. Der Name ist Programm im "Club der doppelten Verneiner". Ein spannendes neues Swinger-Konzept, das in Berlins florierender Konzept-Swinger-Szene direkt auf offene Ohren stieß. Aber funktioniert es auch?

"Gib's mir auf keinen Fall nicht!" höre ich Anna plötzlich in Richtung des halb kahlen Kopfes auf Höhe ihres Beckens sagen. "Ich tue nicht, was ich nicht kann!" druckst Fabian, der jetzt Thorsten heißt, zurück, während er höflich distanziert weiter an ihr herumschraubt. "Nicht, dass ich nicht wollte!" raunt er entschuldigend hinterher.

Sexarbeit und Kommunikation

Der kognitive Part der gemeinsamen, man könnte fast sagen, Sexarbeit, scheint bei ihm doch etwas zu sehr ins Zentrum des Vorhabens zu rücken und seine Schwellkörperpumpe dafür temporär herunterzudampfen. Eine Unwucht, die so nicht geplant war. Und nicht nur er kommt nicht richtig auf Temperatur, auch die anderen Männer vor Ort, Marc, Dennis, Lars, Berndt und wie sie alle (nicht wirklich) heißen, hinken in ihrer Performance den eigenen Erwartungen hinterher. Während Sofia, Anna, Lisa, Mara, Joni, Tina und die weiteren anwesenden Frauen weder mit der Nennung ihrer richtigen Namen noch mit dem Kommunikationskonzept des Abends ein Problem zu haben scheinen.

Natürlich achtet man darauf, dass die TeilnehmerInnen im Geifer des Gefechts nicht die Spielregeln vergessen. Ich studiere gerade die vertikale asiatische Schrift auf der Wade einer Protagonistin, den ich hier frei mit "Sorry, ist aus den Neunzigern" übersetzen will, als der sich wortreich an sie heranrobbende Ole plötzlich mit den Worten "Nichts für ungut, mein Lieber, aber du bist raus!" aus dem Etablissement komplimentiert wird.

"Whaaat?" fragt Ole den bis auf einen DDR-Volkspolizeihut ebenfalls unbekleideten Ordner darauf sichtlich überrascht, während sein eben noch aus sämtlichen Bärchenboxershortsnähten platzendes Geschlechtsteil nacktschneckenartig zusammenfährt. "Ich hoffe nicht, du kannst mir das nicht erklären!?" – "Drei Mal keine doppelte Verneinung! Du kennst die Statuten. Sorry, no sorry!" ergänzt der Offizielle und passt auf, dass dem bedröppelt vor sich hin motzenden Disqualifikanten auf dem Weg nach draußen nicht noch weitere Fouls entgleiten.

Versuche des Geschlechtsaktes

Wer hat sich diesen Schwachsinn nur ausgedacht? Das fragt man sich hier mit fortschreitendem Abend immer offener. Allenthalben beobachte ich verzweifelte Versuche des Geschlechtsaktes, die jedoch spätestens mit dem Versuch, in doppelter Verneinung zu stöhnen, wieder aufgegeben werden. Es will einfach kein richtiger Vibe zwischen den Teilnehmern aufkommen – nicht einmal, als man musikmäßig von den Einstürzenden Neubauten auf Mariah Carey umschwenkt.

Erstaunlich, wie schnell unser Apparat in die Knie geht, wenn er keiner mehr sein soll. Plötzlich jeden Dienst verweigert, selbst den an sich selbst. Vor allem den an sich selbst. Weil er in eigener Sache ja nicht einfach durch einen Extraschuss Stress, sondern gerade erst durch Abschwören von solch fragwürdigen Techniken aus dem Quark kommt.

Aus dem Quark kommen, die Hüften lockern, das Fleisch atmen lassen – ganz und gar ungewohnte Übungen für die in knallharter Trainingsverweigerung auf ihre grundlegenden Körperfunktionen heruntergedimmten Körper all der Irrlichter auf dieser Veranstaltung. Es dauert daher nicht allzu lange und die Gespräche, das Etablissement und der ganze Abend werden leiser.

Ob sich der Club der doppelten Verneiner in Berlins dynamischer polyamoröser Szene etablieren wird, bleibt also vorerst offen. Immerhin findet dieser erste Abend mit einer ausgelassenen Runde gemeinschaftlichen Masturbierens nach "Feierabend" schließlich noch zu seinem Happy End.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt