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Nachts im Reichstag

Ein italienischer Spycam-Ring hat sich europaweit in private und öffentliche Videoüberwachungssysteme gehackt und die Aufnahmen über Telegram zahlenden "Abonnementen" zur Verfügung gestellt. Bis das Ganze aufflog, gehörte TITANIC zu den Premiumkunden und konnte sich dadurch eine ganze Nacht an sensiblem Bild- und Tonmaterial aus dem deutschen Parlamentsgebäude sichern ...

Hinweis: Das Protokoll von enthüllungsjournalistischem Watergate-Format ist so heiß, dass wir nach der Veröffentlichung vermutlich erstmal in den Untergrund verschwinden müssen. Wenn Sie nicht im Knast landen wollen, lesen Sie folgenden Text bitte lieber auf dem Laptop ihres Kollegen, Nachbarn oder unliebsamen Familienangehörigen.

Tiefgarage im Regierungsviertel, 01.06.2022

18:34: Nach einer überlangen Erklärung des Bundesfinanzministers zur Schuldenbremse strömen Abgeordnete zu ihren Fahrzeugen. Motoren werden gestartet. Gepanzerte Luxuskarossen lenken Richtung Ausfahrt, Parkbuchten leeren sich. Ein goldgelber Retro-Porsche mit blauen Sportstreifen (Kennzeichen B-CL-2022) bleibt vorerst zurück.

18:40: Cem Özdemir betätigt quietschend die Bremsen seines Hollandrades, steigt vor dem Oldtimer-Schmuckstück ab und lehnt den Drahtesel an eine Betonsäule. Der Grünen-Politiker kramt in seiner Wildleder-Umhängetasche, geht neben dem Heck der Limousine in die Hocke und stopft eine Banane aus zertifiziertem Anbau tief in den Auspuff. Zwei weitere und eine Demeter-Gartengurke folgen. Den Abschluss bildet eine voluminöse Bio-Grapefruit, die Özdemir mit viel Mühe, aber scheinbar bestens gelaunt safttriefend in die rohrartige Öffnung quetscht.

18:42: Der Bundeslandwirtschaftsminister radelt fröhlich pfeifend ins Off.

18:48: Anton Hofreiter entriegelt mit einer Drahtschlaufe durch das nur wenige Zentimeter geöffnete Fenster die Tür des Sportwagens und nimmt nach einem prüfenden Seitenblick mit der Mittwochssausgabe der taz auf dem Fahrersitz Platz. Er schließt die Tür und bleibt unappetitlich lange im Innenraum, während  Front- und Heckscheiben zunehmend beschlagen.

19:15: Hofreiter steigt grinsend aus und entfernt sich sichtlich zufrieden aus dem Bild.

19:21: Umweltministerin Steffi Lemke entscheidet sich auf dem Weg zu ihrem Mercedes ECQ für einen Abstecher und zertrümmert nach kurzem Anlauf mit zwei wuchtigen Stiefeltritten ("Nimm das, Pfennigfuchser!") beide Außenspiegel des Gefährts.

19:30: Christian Leye, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken sinkt neben seinem innen wie außen übel geschändeten Porsche auf die Knie. Ein langgezogenes, markerschütterndes "Waaruum?" hallt als Echo durch das grottenartige Parkgelände.  

Reichstagsgebäude, Halle Erdgeschoss 

21:00: Der wild gestikulierende Kevin Kühnert ist mal wieder in einen Streit mit einem Nachtwächter, verstrickt, der dem ehemaligen JUSO-Vorsitzenden gerade das Wort redet. Wir schalten die dazugehörige Tonspur ein: "Davon abgesehen: Müsstest Du nicht schon längst im Bett sein? Wo sind deine Eltern? Wie bist du überhaupt hier reingekommen?"

K.K. (wütend): "Ich bin der Generalsekretär der SPD, verdammt nochmal!" 

Nachtwächter (berlinernd): "Na sicher, Kleiner. Und ick bin Kaiser Wilhelm. Abflug!"

21:02: Der verzweifelt protestierende Kühnert wird am Ohrläppchen zum Ausgang am Westportal gezerrt und dort zum dritten Mal in dieser Woche einer Sozialarbeiterin des Jugendamtes Berlin Mitte übergeben.

21:20: Karl Lauterbach trägt einen metallicfarbenen Hartschalenkoffer mit gelbem "Caution Biohazard"-Aufkleber und geht zielstrebig auf den brandneuen Snack-/ Getränkeautomaten zu. 

21:21: Lauterbach stoppt, stellt seinen Koffer aufgeklappt auf dem Fußboden ab und füllt den Münzschlitz mehrere Minuten lang mit Bargeld.

21:27: Der Gesundheitsminister hat mit 24 Schokoriegeln, 8 Flaschen Cola, 6 Tüten Lachgummis und gut drei Dutzend rohfleischigen Minisalamis die komplette Hexenküche aus dem tiefroten Bereich der Lebensmittelampel im Behältnis verstaut und bewegt sich mit seinem Abendessen unauffällig gen Ausgang.

21:29: Lauterbach fragt den Sicherheitsbeamten nach einer Zigarette, bedient sich aus der dargebotenen Schachtel und lässt sich Feuer geben. Er nickt lächelnd, durchquert die Schleuse und wird alsbald von Dunkelheit eingehüllt.

Reichstagsgebäude, Plenarsaal

21:40: Olaf Scholz, der während seiner Rede zum Bundeshaushalt für mehrere Stunden weggenickt ist, begegnet beim Verlassen des Plenarsaals einer weiblichen Reinigungskraft, die mit ihrem Rollwägelchen in die entgegengesetzte Richtung unterwegs ist. Sie vermeidet Blickkontakt und grüßt Scholz mit osteuropäischem Akzent: "Gutän Abänd, Här Bundäskanzlär." 

Während die Putzfrau ihm den Rücken zudreht und ohne Umschweife anfängt, summend den Fußboden zu wischen, sieht ein irritiert wirkender Scholz ihr angestrengt dabei zu. Schließlich schüttelt er den Kopf und geht weiter.

21:44: Die Raumpflegerin hat den Mopp im hohen Bogen über die Stühle geworfen und es sich mit einem Glas Spreewald-Gurken auf dem Platz der Bundestagspräsidentin gemütlich gemacht. Sie lässt ihre orthopädischen Schuhe achtlos zur Seite purzeln und streckt die nackten Füße wohlig seufzend auf dem Pult aus. Nachdem das rüstige Frauenzimmer auch Hornbrille, Perücke und falsche Zähne abgelegt hat, entpuppt sie sich als alte Bekannte.    

21:46: Angela Merkel öffnet ploppend den Bügelverschluss einer Bierflasche, rülpst und grüßt, das Getränk hebend, in den leeren Sitzungssaal. " ˈAmpelkoalitionˈ. Dass ich nicht lache. Prost, ihr Spacken, hehehe!".

22:30: Der Strahl einer Taschenlampe streift suchend über die Sitzreihen hinweg und stoppt plötzlich, als er von reichlich nackter Haut reflektiert wird. Zwei Köpfe, einer davon zerzaust und unrasiert, lugen überrascht über die, mit Unterwäsche behangenen, Rückenlehnen. 

22:31: Ein Wachmann, der Ben Stiller zum Verwechseln ähnlich sieht, lenkt den Lichtkegel peinlich berührt zur Seite. "Oh Gott! Entschuldigen Sie bitte, Herr Habeck. Ich habe nichts gesehen. Lassen Sie und Ihre …äh  …ˈFreundinˈsich bitte nicht stören."

22:32: Der Security-Mitarbeiter übergibt sich wenige Meter weiter herzzerreißend in den Granulat-Topf einer mintgrünen Yucca-Palme.

02:29: Die Tür eines Abstellraums in der Rigipswand öffnet sich knarzend. Björn Höcke schleicht mit einem Besucherausweis um den Hals auf Zehenspitzen zum Rednerpult. Dort angelangt verharrt er für einige Sekunden in stiller Andacht, schlägt dann die Hacken zusammen und performt mit dem rechten Arm das "verfassungswidrige Kennzeichen". Im Zustand vollkommener Glückseligkeit biegt er siegestrunken in den Flur. 

02:36: Der Bundesadler erwacht zum Leben und erhebt sich mit ausgebreiteten Schwingen in die Lüfte, um seinen Auftrag zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung auszuführen.

02:37: Aus dem Foyer ertönt eine Abfolge von schrillen Schmerzschreien und hochfrequenten Raubvogelrufen, die auf ihrem Höhepunkt jäh verstummen.

02:38-06:30: Ruhe im Karton.

Patric Hemgesberg

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt