Artikel

Ist das Kunst oder kann das weggeimpft werden?

Deutschlands Kunstszene pfeift in der Corona-Pandemie aus dem letzten Loch. Weil Museen und Galerien geschlossen haben und die vom Bund versprochenen Finanzspritzen bisher ausgeblieben sind, eröffnet der Düsseldorfer Akademieprofessor Gereon Krebber (48) jetzt eine Ausstellung im neuen Impfzentrum Bottrop. TITANIC hat ihn und seine Präsentation "Covid/B1-Remix" im Ruhrgebiet vorab besucht.

Freiwillige vor! Bildhauer Gereon Krebber empfängt die ersten Gäste seiner Kunstschau stilecht mit hochgekrempelten Ärmeln und Kanüle im Arm. Die sterile Atmosphäre des Areals wirkt bedrückend. Für Krebber hingegen ist die Trostlosigkeit Bottrops das Kunstideal schlechthin. "Ich gehe an Orte, die deplatziert sind. Die Deplatzierung ist eine künstlerische Geste"*, sagt er enthusiastisch. Beim Betreten des Impfzentrums inmitten eines Gewerbekomplexes zwischen ehemaligem Indoor-Golfcenter und "Fressnapf"-Filiale legt sich die Beklemmung wieder etwas. Die fensterlosen Wellblechwände der kargen Mehrzweckhalle verwehren den Blick auf die dahinter liegende Ödnis der perspektivarmen Industriebrache mit ihren 117 000 Einwohnern. "Kunst ist überall möglich, aber vor allem dort, wo sie deplatziert ist", wiederholt Krebber euphorisch sein Mantra. Befürchtungen, Impfwillige könnten auf seine Ausstellung allergisch reagieren oder gar einen anaphylaktischen Schock erleiden, hegt er allem Anschein nach nicht.

Auf rund 350 Quadratmetern hat Krebber seine Plastiken in Form eines Betonklotzes mit gähnender Öffnung oder eines halben Zylinders den baulichen Gegebenheiten angepasst. Auch sie wirken auf den Betrachter wie hastig aus dem Boden gestampft. Die Exponate sind so in Szene gesetzt, dass selbst die Sehschwächsten unter den impfpriorisierten über Achtzigjährigen sie nicht verfehlen können. Für Krebber ist die Positionierung seiner Kunstobjekte vor Sitzgelegenheiten und Toilettenzugängen ein wesentlicher Bestandteil der Installation: "Man wird als unvoreingenommener Besucher vor den Kopf gestoßen, Dinge zu erfahren, die man gar nicht erfahren will, weil man ja zum Impfen kommt." Medizinisches Personal, das sich um die Erstversorgung von Platzwunden und Oberschenkelhalsbrüchen der über seine Skulpturen gepurzelten Senior*innen kümmern könnte, wäre schließlich direkt vor Ort. "Aber vielleicht wundert man sich dann, was es mit dem komischen Wurmfortsatz aus Bauschaum auf sich hat." Ob er damit eines seiner Werke meint oder eine für den Abtransport in die nächste Unfallklinik angelegte Cervicalstütze zur Stabilisierung der Halswirbelsäule, bleibt Interpretationssache. Dass die Begehung seines "Covid/B1-Remix" im Bottroper Impfzentrum nicht nur von dem einen oder anderen hochbetagten Risikopatienten, sondern auch dessen Angehörigen eine gewisse Dosis an Opferbereitschaft fordert, gehört zu Krebbers Gesamtkonzept: "Beim Virus weiß man auch nicht, ob es tot oder lebendig ist, in uns wird es jedenfalls gefährlich lebendig."

Sogar Ähnlichkeiten zwischen den mikroskopisch kleinen Körperfressern und seinen seelenlosen Brachialskulpturen, u.a. namens "Graufleisch", vermag er auszumachen. "Ein Virus ist ein Zwischending zwischen lebendig und tot. Man weiß nicht, ob es ein selbstständiges Lebewesen oder eine leblose Materie ist, die sich auf Schleimhäute spezialisiert", doziert der Kunstprofessor, Zweitfach: Virologie, Drittfach: Schleimhäute.

Abschließend setzt Krebber noch einige Nadelstiche gegen das Kunstverständnis des Mainstreams: "Kunst muss invasiv sein, sich wie ein Geschwür überall einnisten." Einen Gefallen dürfte er sich der piekfeine Herr Künstler mit diesen Worten allerdings nicht getan haben. Sowohl Spritzenphobiker als auch durch Impfmythen verunsicherte Museumsgänger werden vor einem Besuch der kulturell aufgepimpten Corona-Fixerstube nun womöglich gänzlich zurückschrecken. Dabei fällt das Fazit der Preview durchaus positiv aus: Wer bisher noch nicht immun gegen bildende Kunst gewesen ist, sollte sich schleunigst für die Vernissage im Bottroper Impfzentrum registrieren lassen. 

 

*alle Zitate sind authentisch und dem Künstler nicht zwangsweise eingeimpft worden

 

Daniel Sibbe

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg