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Interview mit einem Datenvampir

Anfang des Jahres (2019) wurden Hunderte Daten von Prominenten, u.a. aus der Bundespolitik, gestohlen und öffentlich gemacht. Wer tut so etwas? TITANIC hat einen echten Datendieb getroffen 

TITANIC: Guten Tag, ich bin …

Gesprächspartner: Ich weiß, wer Sie sind.

TITANIC: Waaah! Woher?

Gesprächspartner: Ich bin Datendieb, schon vergessen?

TITANIC: Ach ja, stimmt.

Datendieb: Ihren Namen, Ihre E-Mail-Adresse und Ihre Telefonnummer habe ich mir im Vorfeld besorgt – indem ich sie aus der Mail herauskopiert habe, die Sie mir mit der Interviewanfrage geschickt haben.

TITANIC: In der Tat sehr geschickt, ja. Was ich sagen wollte: Ich bin sehr erfreut, Sie zu treffen. Wie darf ich Sie nennen?


Ludger P.: Nennen Sie mich Ludger P. Das steht für Ludger Pennrich.

TITANIC: Oh, ein Klarname. Ist das Ihr echter?

Ludger P.: Was denken Sie denn? Ich habe ihn jemandem geklaut. Der arme Kerl läuft jetzt ohne Namen rum.

TITANIC: Haben Sie deswegen ein schlechtes Gewissen?


Ludger P.: Es mag Sie überraschen, aber wenn man sich als Krimineller ernst nimmt, muss man das Gewissen manchmal zu Hause lassen.

TITANIC: Ist es nicht so, dass sich Hacker und Datendiebe als moderne Helden sehen, die einfach Schwachstellen offenlegen möchten, ohne sich zu bereichern?

Ludger P.: Haha, nee! Ich mache das hauptsächlich wegen der Kohle. Mit den Knax-Klub-Ersparnissen von Manuela Schwesig habe ich zum Beispiel online dieses schicke Portemonnaie gekauft …

TITANIC: Augenblick! Das ist mein Portemonnaie!

Ludger P.: Na gut, anderes Beispiel: Für die Adressen und Telefonnummern von Dienstleistern zahlen manche Firmen ein Heidengeld. Ich möchte keine Namen nennen, wobei: doch. Die "Gelben Seiten" sammeln solche Datensätze und bringen sie in Buchform in Umlauf, ganz legal. Ein Skandal, der aber niemanden zu interessieren scheint.

Büro ade: Als Datenvampir lässt sich heute praktisch von überall aus arbeiten

TITANIC: Das stereotype Bild des lichtscheuen Nerds Anfang 20, der mit einer Skimaske krumm vor einem Computermonitor sitzt, ist das noch zu halten?

Ludger P.: Ach, das stammt noch aus der Hoch-Zeit des Datenklaus, aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, da wurde vieles romantisch verklärt. Oftmals ist Datenklau schmutzige, unglamouröse, ehrliche Arbeit. Halt, streichen Sie "ehrlich". Nichtsdestotrotz: Da musst du manchmal dahin gehen, wo es wehtut, zum Beispiel zu Starbucks.

TITANIC: Wie sind Sie zu Ihrer "Profession" gekommen?

Ludger P.: Erstmals mit Datendiebstahl konfrontiert wurde ich ausgerechnet im Knast. Ich saß wegen einer Bagatelle ein, Doppel- oder Dreifachmord, weiß nicht mehr. Jedenfalls war das mein Einstieg in die Welt des Verbrechens, denn im Gefängnis trifft man unweigerlich auf andere Straftäter. Das mag Sie jetzt schockieren …

TITANIC: Daten als Konterbande, die heimlich im Waschraum oder auf dem Hofgang gegen Kippen und Pornoheftchen getauscht werden – ist das nicht ein ausgelutschtes Klischee?

Ludger P.: Lassen Sie mich doch mal ausreden, Mann! Oder soll ich Ihnen noch eine Personenangabe stehlen?

TITANIC: Machen Sie doch!

Ludger P.: Na schön … Ihre Augenfarbe ist … olivgrün. So, diese Information können Sie mir nicht mehr nehmen.

TITANIC: Menno.

Ludger P.: Also, eines Tages komme ich in den Speisesaal und sehe was? Meinen Twitternamen, mein Deliveroo-Passwort und meine Schuhgröße, mit Kreide an eine Wand geschrieben. Grinsend plaziert sich ein goldzahniger Grobian mit unrasierten dicken Wangen vor mich und flüstert: "Ick hab dir jedoxxt, Männeken!" Ich war eingeschüchtert, aber auch fasziniert. Sofort wollte ich von Knacki-Ede, so sein Name, wissen, wie man so etwas macht.

TITANIC: Und wie macht man so etwas?


Ludger P.: Man hofft und achtet auf die Unachtsamkeit der Bürgerinnen und Bürger. Sie glauben ja nicht, wie fahrlässig die meisten im Alltag sind.

TITANIC: Doch, glaub ich wohl. Der berühmte gelbe Post-it mit der PIN, der am Monitor klebt.

Ludger P.: Genau. Dabei sind gewisse Vorsichtsmaßnahmen ganz einfach. Beispielsweise kann man die PIN in verkehrtrummer Reihenfolge draufschreiben und das mit einem Rückwärtspfeil kennzeichnen.

TITANIC: Wenn Sie große Datenmengen abgeschöpft haben, informieren Sie dann eigentlich rechtzeitig das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik?

Ludger P.: In der Regel schon. Ob die Meldung ankommt, ist eine andere Frage, denn das Präsidium vergisst regelmäßig sein Skype-Kennwort. Zum letzten Mal, Herr Schönbohm: "bsi1234"!

TITANIC: Wie kommt es, dass beim jüngsten Hacking-Skandal keine Daten von AfD-Politikern geleakt wurden?


Ludger P.: Die verschlüsseln halt zu gut. Man spricht nicht umsonst von Kryptofaschismus.

TITANIC: Herr P., wir danken Ihnen für das Gespräch.

Ludger P.: Ach, nennen Sie mich doch einfach "Dietmar Dat". Hehe, wieso fällt mir das jetzt erst ein?

Torsten Gaitzsch

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg