Inhalt der Printausgabe
1.8. Heute mal wieder gefühlt wie eine Qualle: mal ein bisschen schwappend, aber im Grunde genommen leblos, ohne Eigensteuerung. Tröstlich die vielen Zuschriften betr. »Autobahnpilgern«. Begeisterung, Zuspruch, kreative Anregungen. Meine Prognose: Die Idee wird sich durchsetzen. (Ein Hit lässt sich nicht verhindern.)
2.8. Im Interview mit der GQ war zu lesen, dass der unbedeutende und seltsam gesichtslose Schauspieler Jeff Goldblum im Alter von 62 Jahren erstmals Vater (von Zwillingen) geworden sei: Charlie Ocean und River Joe. Peinlich. Wann begann eigentlich die Doppelnamenpest? Um die Jahrtausendwende, schätze ich.
3.8. Der dumme »Jahrhundertsommer« und kein Ende in Sicht. Heute wieder 34 Grad. Unerträglich heiß. Verzweiflung wie in den Sonnenländern. Gedanke: Nur in den Ländern des hohen Nordens ist die Liebkosung des Lichts sanft und weckt Freude. Woanders zerfrisst es alles. So wie manche den beständigen Wunsch haben, nach Süden, in die Länder der Sonne zu reisen, höre ich ununterbrochen den Ruf des Nordens. Die deutsche Sehnsucht (englisch: longing), fortwährendes Schmachten in der Tiefe des Herzens.
4.8. In&Out-Liste August. IN: Zigaretten ganz bis zum Filter rauchen. Tiere, die nicht größer als vierzig Zentimeter werden. DVDs. Leberfleckentferner »Mauli«. OUT: Erst nach dem Frühstück rauchen. Umsatzsteuererklärung verspätet abgeben. Glyphosat-Babybreis. Wundbrand. Anonyme Beerdigungen.
5.8. Heute mal wieder gar nichts erlebt. Auch schön. Nein: besonders schön.
6.8. Wie kommt man eigentlich auf die Idee, seinem Kind einen Doppel- oder gar Dreifachnamen zu verpassen? Lassen wir die Eltern selbst zu Wort kommen. Im Forum URBIA-WIR LIEBEN FAMILIE ist folgendes zu erfahren: Schnuffelschnute: »Man kann noch mehr schöne Namen vergeben und muss sich nicht nur auf einen beschränken.« Springkaese: »mir haben alle min. 2 namen in der fam., bei meine mann nicht! aber wir werden unser kind auch 2 namen geben, jeder kann sich einen aussuchen und so streiten wir uns nicht um den namen.« Windlicht 1980: »Ich finde es toll, weil mir meistens zwei Namen einfallen.« Youngmother_more: »Mehrere Namen können das Kind noch individueller machen, gerade, wenn noch mehr Bedeutungen dahinterstecken.« So ungefähr hatte man sich das auch vorgestellt.
7.8. Alltagsfrage: Darf ich im Sommer die Scheibe einschlagen, wenn ein Baby alleine im Auto sitzt?
8.8. Die Schatullen-Diät: Niemals aufessen. Immer hungrig vom Tisch aufstehen. Nie essen, worauf man gerade Appetit hat.
9.8. Mit Ficksahne verschmierte Kackschüsseln: Toyota Kaputti, Ford Probe, Citroën Hängtitt.
10.8. Westfälisches Storchenmuseum in Petershagen-Windheim besucht. Anschließend Mittagessen im Restaurant »Wolfskuhle«. Rollbraten mit Pfifferlingen und Petersilkartoffel. Während der Heimfahrt laut gebetet.
11.8. JEFF GOLDBLUM: Ab welchem Alter gilt man als sog. SPÄTZEUGER und sollte sich aus der Fortpflanzungsszene zurückziehen? Die Schatulle legt sich fest: VIERZIG IST (wenn man beide Augen ganz fest zudrückt) DIE ABSOLUTE SCHALLGRENZE. Lieber würzig mit vierzig als ranzig mit zwanzig? Von wegen! Beispiel: »Dass ihr Vater alt war, bemerkte Ina Hübener das erste Mal, als sie noch im Kindergarten war. Da kippte er in den Spalt zwischen Sofa und Couchtisch und kam nicht mehr hoch.« Zufall? Die Schatulle hakt nach.
12.8. Liste von Dingen, mit denen ich halbwegs zufrieden sein kann: 1) Dass ich die musikalische Speisekarte erfunden habe. 2) Dass mein Zahnarzt Dr. Offenbächer beim letzten Besuch nichts weiter gefunden hat. 3) Dass mir der Fachkräftemangel keine Sorgen bereitet. 4) Meine neue Klobrille, über die ich mich (immer noch) täglich freue. 5) Dass ich einfache Dinge wie frische Zimtschnecken und coffee to go schön finde.
13.8. SPÄTZEUGER: »Klaus Schönberg zeugte mit 59 einen Sohn. Im karierten Hemd sitzt der pensionierte Lehrer in einem hellen Einfamilienhaus und tippt imaginäre Brotkrumen von der blau-weiß karierten Tischdecke. Schönberg hat einen weißen Bart, weißes Haar und ein kugeliges Bäuchlein.« Durfte so einer noch Vater werden? Die Schatulle stellt Fragen, die manch einer unbequem findet. »Autismus, Schizophrenie, geringerer IQ: Das höchste Risiko, Mutationen auf die Kinder zu übertragen, liegt im Alter des Vaters. Ein 20- jähriger überträgt 25, ein 40jähriger bereits 65 Mutationen.« Wird schon gutgehen? Die Schatulle geht dorthin, wo es (nur noch) wehtut.
14.8. 1) Ein »Harnchinese«. Was genau ist das? 2) Geiler Begriff: »Abnehmender Grenznutzen«.
15.8. INTIMSCHATULLE WISSEN. Was versteht man eigentlich unter einer unechten Schwarmstadt? In Stichworten, der Schatullenleser soll die missing links selbständig herausprokeln. Also: 1) Es existieren einzelne Städte im Entleerungskeil (Rügen über Ruhrgebiet bis zum bayrischen Wald), Leipzig, Dresden, Jena. 2) Wenn jüngere Jahrgangskohorten in ältere hineinaltern. 3) Stichworte Kohortenanalyse, kumulierte Kohortenwachstumsrate Schwarmverhalten, Settlementverschiebung. 4) Im Osten wird um 33 Prozent weniger gestorben. In Leipzig Faktor 335, heißt, aus einhundert 10-14jährigen würden bei Konstanz des Wanderungsverhaltens in sechzig Jahren dreihundert 70-74jährige. Gecheckt? Ein schönes Puzzle ist das.
16.8. Werbung für Murmelgold (pflanzliche Salbe, auch Männergold genannt, chinesische Rezeptur): »Murmelgold sorgt dafür, dass deine Kronjuwelen glatt, weich und prall bleiben!«
17.8. ARD, »Verstehen Sie Spaß« mit Guido Cantz. Zu Gast der Ex-Profileichtathlet Dustin Kiel, der sich ein zweites, musikalisches Karrierestandbein aufgebaut hat. Er bezaubert mit seinen »Sizzling Forks« – den singenden Gabeln – regelmäßig ein Millionenpublikum. Auch heute ist der Publikumsliebling ganz klar der Star des Abends.
18.8. Schlagzeilen mit Schmackes: 1) TOTENGRÄBER HATTEN SEX MIT »BIG BROTHER«-LEICHE. 2) LEIPZIGER BELEGTE SICH MIT KÄSE – TOT! 3) BLUT-CRASH VON RUSSEN-RASER
19.8. SPÄTZEUGER: Man ist so alt, wie man sich fühlt? Genau eben nicht. Man ist so alt, wie man ist und keinen Tag jünger. Schockbeispiele alter Promi-Väter: Fritz Wepper, Jean Pütz, Niki Lauda, Bernie Ecclestone, Sky du Mont, Karel Gott, Donald Trump, Richard Lugner, Ulrich Wickert. Schwitzende, zitternde, von Arthritis verkrümmte Hände streicheln hilflose Menschlein, der Pesthauch stinkender Todesküsse nimmt Säuglingen die Luft zum Atmen, schreckliche Greise drücken gerade erwachte Leiber gegen ihren alten, fetten, von unzähligen Malen, Grieben und Flecken glasierten Körper – brrr, eklig, igittigitt.
20.8. Karriereschatulle: 1) Du stolperst nicht über große Berge, sondern über Maulwurfshügel. 2) Durch Vernunft existierst du, durch Leidenschaft brennst du. 3) Kannst du tanzen? Dann tanz doch mal aus der Reihe!
21.8. ET (Erscheinungstermin) meines Buches »Das Teemännchen«. Lange, kurze, ganz kurze Geschichten. High-End-Literatur, Gagdichte gleich Null. Ein Millionenseller wird das wohl nicht werden. Gedanke 1: Die am schwersten erträgliche Autorenexistenz ist die ohne Verkaufszahlen UND ohne Anerkennung. Gedanke 2: Das Leben eines jeden Menschen ist ein äußerst intensiver, todernster Kampf und somit objektiv spannender als jede blöde, weil ausgedachte Story im engen literarischen Sinn.
22.8. Meyer-Schulau berichtet von der Anschaffung zweier großer Bernhardiner, die er täglich persönlich bade.
23.8. Von einem Gewitter geweckt.
24.8. Slogans zur freien Verfügung (bitte zugreifen). Falls Sie zufällig Waage heißen und eine Anwaltskanzlei betreiben: Kanzlei Waage – damit Ihr (gutes) Recht keine Abwägungssache ist.
25.8. Nebenan Kindergeburtstag. Programm: Eier kaputt machen, sich in Margarine setzen, alles mit Marmelade vollschmieren, Gesicht in Tomatensauce tunken. Einfallslos. Waren wir früher auch so drauf?
26.8. SPÄTZEUGER:
Songtext Junge Früchte morscher Lenden:
Vor drei Jahren bist du zum ersten Mal Vater geworden
Mit über sechzig, dass du dich nicht schämst, fett und faltig wie du bist
Hast dein zerrupftes Teil in deine junge Frau reingehalten
Und sie mit uraltem, verdorbenem Samen vollgepumpt
Und sie musste mitmachen, weil du die Kohle hast,
Du Schwein
Wenn du mit deinem Sohnemann auf den Biomarkt gehst
Dann halten dich die Leute für Opa oder Uropa, schief und krumm und alt wie du bist
Dein kleiner fetter Filius ist schon jetzt
Genau so ’ne Nervensäge wie du, und sieht auch genauso beknackt aus
Ein kleiner, dummer und ein alter, dummer Zausel
REFR.: Alter Vater, Arsch mit Ohren, geh nach Hause, leg dich hin, alter Vater, schlechte Gene, mach ’nen Abgang, hör auf zu spinnen
27.8. Geiler Satz: »Liebe ist ein Gefühl, Durst auch.«
28.8. Im Teleshop Werbung für eine sog. Kükenpiekse, mit der sich (noch lebende) Küken einfach so aufpieksen lassen. Bedenklich, barbarisch, ekelhaft.
29.8. Relativ langweilige Titel: 1) Gebrauchter Tag 2) Zwischen parkenden Autos parken 3) Deutungsaudienzen
30.8. Songtext Junge Früchte morscher Lenden Teil 2:
Deine Frau ekelt sich vor deinen dünnen Spinnenbeinchen, und deinem Speckbauch in Gelee.
Wenn du kein Geld hättest, könntest du einpacken und mit irgendwelchen Omas Ententanz machen. Du hast deine Firma verkauft, um Zeit für deinen Sohn zu haben
Der will das aber gar nicht, weil der jetzt schon checkt wie peinlich du bist
Überlass die Fortpflanzung den jungen Böcken
Da kannst du nämlich nicht mithalten mit deinem Tropfglied.
Wichs dir einen ab im Ohrensessel, und halt endlich die Schnauze, du kaputter, alter Eierbock.
REFR: Alter Vater, Arsch mit Ohren…
31.8. Was ich mir wünschte: Unbeschwertheit. Einen ganzen Tag lang! Noch mal einen ganzen Tag Unbeschwertheit, ist das denn zuviel verlangt? Wahrscheinlich, sicher sogar, sehr sicher sogar. DIE ZEITEN SIND VORBEI! Notiz an mich selber: Träum weiter, alter Zausel. Man leidet nicht, wenn ein Glied abstirbt, sondern dann, wenn das Leben darin zurückkehrt. So schrecklich wahr. Einer der besten Sätze überhaupt, nur noch mega, nur noch hart und geil.
Nach Notat im Bett.