Inhalt der Printausgabe

Heinz Strunk
Intim­scha­tulle 67

»Labskaus für Klapskalli«

1.9. Endlich Herbst. Kühl, frisch, nüchtern. Mensch und Natur dürfen durchatmen. Habe außer kleineren Schreibarbeiten in den nächsten Monaten praktisch nichts zu tun, deshalb nach längerer Zeit mal wieder Bares für Rares. Horst Lichter mit seinem geilsten Satz: »Gibt es eine Schmerzgrenze nach unten?« Ganz gute Idee für einen potentiellen (Taschenbuch-)Bestseller: »Ich hab jetzt schon keinen Bock mehr«.

2.9. Im Promimagazin Intouch aktuelles Pic von Leonardo DiCaprio in Badehose auf St. Barth oder so. Er hat eine wirklich mächtige Wampe bekommen, mindestens zehn Kilo Übergewicht. 

Intouch kommentiert hämisch, DiCaprio habe in den vergangenen Jahren ordentlich angekörpert. Pass auf, wird noch besser. Es werden die 34 Frauen aufgezählt, mit denen er seit dem Jahr 2000 nachweislich was »hatte«. Fazit: MIT SPECK FÄNGT MAN MÄUSE. Genial!

3.9. Berühmte Menschen, deren Karriere erst nach dem zweiten Bildungsweg in Schwung kam: Charles Darwin, Franz von Assisi, Johannes Gutenberg, Alexander von Humboldt.

4.9. Ganz guter Verleser: SPAHN WILL KARNEVAL ABSAUGEN LASSEN.

5.9. Aus Albert Speers Spandauer Tagebüchern: »Die Reihenfolge, in der wir das Essen abholen, liegt im Ermessen der Wärter. Ihnen ist bekannt, dass jeder von uns merkwürdigerweise der Erste sein möchte. Das Maß der Sympathie entscheidet darüber, wen sie zuerst aus der Zelle lassen. Infolgedessen erhielt der Erste von mir drei Punkte, der zweite zwei, der dritte einen, während der letzte punktlos ausgeht. Meine Strichtabelle zeigt nun, dass Funk nach einer Woche mit neunundvierzig Punkten führt, Schirach 39, ich 36, während Heß nur 2 Punkte gutgeschrieben werden. Zum ersten Mal wird mir bewusst, dass der schwierige, kranke Mann seit 10 Jahren sein Essen als letzter bekommt.«

6.9. In-&-Out-Liste September

IN: Humor schwärzer als Lakritz (saucool); sanfte Protestsongs (Café-del-Mar-Style) gegen die Ausweitung des verkaufsoffenen Sonntags; die Mottofete Klassik trifft Rock, Smoking trifft Lederjacke (Hauptsache gute Laune); der neue Slogan von Bäckerei Schmidt – WIR BACKEN ES; mundzartes und gaumenfrisches Essen; Erdkröten (Explosionslaicher).

OUT: Systemische Burnout-Coaches (Geldschinderei); der dumme Spruch »schuldig weil nüchtern«; Lachsbrötchen im »Luftpumpen-Style«; bildungsferne Schichten mit Katzenvideos; »Vom Backpacker zur Wichsvorlage und wieder zurück« (was soll das?!).

7.9. Service-Schatulle: Lebensoptimierende Maßnahmen

  • Nicht beim Heavy Use Dress sparen. Bedenken Sie, wie viel Zeit Sie im Unterschied zum Smoking/Cocktailkleid im Schlafanzug verbringen! Gleiches gilt für Strümpfe, Unterwäsche, T-Shirts.
  • Holzblumen sehen täuschend echt aus! Nie wieder Blumenwasser wechseln! Nie wieder sich mit der Entsorgung schlecht riechender Schnittblumen herumärgern!
  • Tagesdecke! Fußhocker! Kissen, Kissen, Kissen!

8.9. Bekanntlich sagt die Schatulle grundsätzlich JA zum Freitod! Wenn’s nicht mehr geht, dann geht es nicht, sinnlose Jahre der Quälerei und Verzweiflung, die niemandem nutzen. Nur sollte man sich auf keinen Fall im Affekt das Leben nehmen (Trennung, Verlust des Arbeitsplatzes, Insolvenz, Schicksalsschläge aller Art). Nie spontan und noch dazu angesoffen »auf den Sims«! Rat der Schatulle: Reißen Sie sich zusammen und setzen Sie sich eine Galgenfrist von mindestens sieben Tagen, bevor Sie Ihre Absicht in die Tat umsetzen. In dieser Woche sollten Sie folgendes erledigen:

  • Machen Sie täglich Sport, halten Sie Diät und nehmen Sie mindestens drei Kilo ab.
  • Trinken Sie keinen Tropfen Alkohol, nehmen Sie keine Drogen.
  • Lassen Sie sich vom Arzt gründlich durchchecken.
  • Lassen Sie sich beim Zahnarzt eine professionelle Zahnreinigung verpassen.
  • Bringen Sie ihre Wohnung/Haus tiptop auf Vordermann.
  • Gehen Sie zum Friseur.

Wenn nach Ablauf dieser Frist noch alles beim Alten ist – et voilà. Ich schätze, dass es sich mindestens die Hälfte der Kandidaten nach derlei »lebensoptimierenden Maßnahmen« (siehe fortlaufende Rubrik in der Intimschatulle) anders überlegt. Für diejenigen, die weiterhin »wild entschlossen« sind: Insbesondere Männer neigen zu unappetitlichen, blutigen Varianten des Suizids: Erschießen, sich vor die Bahn werfen, von der Brücke springen, in ein Wildtiergehege klettern, wo sie von Raubtieren zerfleischt werden, sich von einem Zaungitter aufspießen lassen usw. Als ob es eine Art Ehrensache wäre, nach einem qualvollen Leben auch noch qualvoll zu sterben. Quatsch. Kaufen Sie ein sehr scharfes Messer/Skalpell (wenn Sie sich in der Badewanne dann die Pulsadern aufschneiden, spüren Sie praktisch nichts), horten Sie Schlaftabletten, besorgen Sie sich auf dem Schwarzmarkt eine Überdosis (irgendwas: Heroin, Kokain, Crystal). Machen Sie es sich bequem für Ihre letzte Reise. (Nicht umsonst gab es auch in finstersten Zeiten die Henkersmahlzeit), öffnen Sie eine Flasche Wein, stellen Sie Ihre Lieblingsmusik an. Und dann heißt es: Alles Gute und bis nie.

9.9. Einfach ein geiler Spruch: »Das kannst du dir am Arsch abfingern.«

10.9. BRAINSTORMING: Bandname Notaufnahme // Toter in Rückenlage // Betäubt und bestäubt

11.9. Karriereschatulle: Reiche investieren ihr Geld und geben aus, was übrigbleibt, Arme geben ihr Geld aus und investieren, was übrig bleibt. Leistung = Potential minus Störfaktoren.

12.9. In Walter Kempowskis Tagebüchern (Sirius) gelesen. 1) Die Firma Dr. Dralle ist eingegangen. Ist das nicht eine notierenswerte Nachricht? Dr. Dralles Birkenhaarwasser! 2) Vortrag über Holunder; es ist unglaublich, wie wenig ich weiß. Dass der Holunder (Holder) der Busch des Todes ist, dass Leute den Hut zogen, Hut ab vorm Holunder. 3) Optimisten sind potentielle Faschisten.

13.9. Tag des Getränkewirts.

Klaus J. Behrendt: Charaktertyp für Arme

14.9. Klaus J. Behrendt, der im Kölner Tatort den Kommissar Max Ballauf mimt, ist neuer »Markenbotschafter« der Firma Walbusch. Slogan: Lederjacken für Charaktertypen. Das Problem ist nur, dass Behrendt knapp am Charaktertyp vorbeigeschrammt ist und einfach nur dümmlich aussieht. Klassisches Beispiel für »knapp daneben ist auch vorbei« (siehe Foto).

15.9. Geiler Titel für dies und das: Fallwinde (Sozialdrama, Finnland 2002/Trilogie, Weißrussland 1988/Stummfilm, Japan 1974/Millieustudie, Venezuela 2017).

16.9. Schatulle Umsonstservice, Slogans zur freien Verfügung (bitte zugreifen): Falls Sie zufällig Blitz heißen und einen Getränkelieferservice betreiben: GETRÄNKEBLITZ – BLITZARTIG ZUM GETRÄNK IHRER WAHL!

17.9. Berühmte Menschen, deren Karriere erst nach dem zweiten Bildungsweg in »Wallung« kam: Barack Obama, Olaf Scholz, Mahatma Gandhi, Bertolt Brecht, Winston Churchill.

18.9. Auf Kabel 1 Komödie (1987) mit Dieter »Didi« Hallervorden: LABSKAUS FÜR KLAPSKALLI.

19.9. Sinnlose Berufe: Hutmacher. Stenotypist. Ballonführer.

20.9. Christliche Lektüre schon wieder ausgelesen, zum Glück trifft heute Nachschub ein:

  • Tauche die Psalmen in Farbe. Ein christliches Ausmalbuch für Erwachsene
  • Mein Gebet macht uns stark: Was geschieht, wenn Frauen für ihren Mann beten
  • Hi Jesus, wie geht’s? Der Glaubenstalk mit Jugendpfarrer Andy Stein
  • Durch das Jahr – durch das Leben. Das christliche Hausbuch für die ganze Familie.

21.9. Alltagsfrage: Zahlt eigentlich die Versicherung, wenn ein Taxifahrer seinen eigenen Fahrgast nach dem Aussteigen umfährt?

22.9. Schlagzeilen in den ausliegenden Zeitungen (Café 2 Talk): FORSCHER FILMEN ATOM-SEX // WIND BLÄST FRAU AUF STRASSE – TOT // BOFROST-BOTE HAT IN MEINEN KELLER GEPINKELT

23.9. GZSZ-Schauspieler Felix von Jascheroff hat der »Bild« anlässlich der Trennung von seiner Frau Bianca ein bemerkenswertes Interview gegeben:

Wie geht es Ihnen heute, drei Monate nach der Trennung?

»Wir werden einfach sehen, was die Zeit bringt, aber wir hängen uns jetzt nicht darauf auf. Jeder versucht jetzt erstmal sein Leben zu leben, wie es für ihn am besten ist, ohne sich für den anderen zu verbiegen. Ich kann mich nicht beklagen. Die Zeit ging sehr schnell vorbei. Das Leben geht weiter. Man sollte sich nicht immer an alten Sachen aufhalten. Wenn man sich die ganze Zeit mit der Vergangenheit befasst, schafft man irgendwann seinen Tag nicht mehr, weil man dann in so einem Loch drinliegt, dass es da extrem schwierig ist, wieder rauszukommen. Aber ich bin so nicht. Man kann das Beste draus machen, indem man nach vorne blickt und sich tolle Ziele setzt und sie dann umsetzt.«

Die Schatulle meint: Adel verpflichtet!

24.9. Top-Sätze (All Time Favorites): Wenn die Leidenschaft dich ergreift, wird das Blut zu Zitronensaft. // Ein guter Sauerteig muss geführt werden wie ein Hund. // Hallo mein Mäusezähnchen. Ich liebe dich immer gerne und volle Möhre.

25.9. Geiles Wort (selbst ausgedacht): Kleenex-Booster.

26.9. In den Tagebüchern von Albert Camus: 1) Das Kunstwerk ist der einzige materielle Gegenstand des Universums, der eine innere Harmonie besitzt. Alle anderen sind durch äußeren Druck gemodelt worden. Und zerbröckeln, sobald die Form weggenommen wird. Das Kunstwerk behauptet sich ganz aus eigener Kraft. 2) Jedes auf Geld ausgerichtete Leben ist der Tod. Die Wiedergeburt liegt in der Uneigennützigkeit. Was kann ein Mensch sich Besseres wünschen als Armut? Ich habe nicht Elend gesagt und auch nicht die hoffnungslose Arbeit des modernen Proletariers. Aber ich sehe nicht, was man sich mehr wünschen kann als mit tätiger Muße verbundene Armut.

27.9. Google-Suchverlauf: pupasch hamburg – zufälliger untergang – bobby ewing – helenenviertel hamburg – und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes leben – himmel und heide eventpark luhmühlen – bose companion 50 – mume – warum frauen töten – magen beschwerden – töpperwien sport – telly savalas – jubiläumsgrat – bierkapitän – hamburg helgoland – klabri – mac cloud

28.9. Berühmte Menschen, die erst nach dem zweiten Bildungsweg richtig durchgestartet sind: Thomas Jefferson, Alfred Nobel, Robert Oppenheimer, Max Planck, Louis Pasteur, Carl Zeiss.

29.9. Kauf eines neuen Milbenkopfkissens. Abends Schnaps.

30.9. Sie ist eine pummelige, emsige kleine Frau mit dunklen Sommersprossen, kurzem, drahtigem Haar und keinem Hals, eine von der Sorte, die sich keine Mühe geben, attraktiv zu sein, die, ohne mit der Wimper zu zucken, von sich sagen, dass sie keine Schönheit sind. Pfiffig heißt ihr Wort. Aber es fällt ihr nicht ein.

Nach Notat im Bett.

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Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt