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Generation Zukunftsangst?
Weil schon die Gegenwart dank Coronapandemie, Klimawandel und Putins Krieg gegen die Ukraine mit wenig Erheiterndem aufwartet, lässt uns ist der Gedanke an die Zukunft erst recht mit einem mulmigen Gefühl zurück: Angst scheint auf Kosten eines unbeschwerten Lebensgefühls zum Dauergast in deutschen Wohnzimmern zu werden. Aber keine Sorge: Mit den acht mutmachenden Wohfühl-Tipps von TITANIC kommen Sie garantiert unbeschadet aus der Krise. Versprochen!
Nutzen Sie Kraft positiver Gedanken
Schaffen Sie sich in Ihrem heimischen Wohnbereich eine angstfreie "Bubble". Schauen Sie nicht auf Ihr Handy, sehen Sie nicht fern und arbeiten Sie im Homeoffice stets offline, damit Sie von dem nahenden Unheil mit Ihren Heimkoordinaten nach Möglichkeit nicht aus der Ruhe gebracht werden. Fokussieren Sie sich lieber ganz intensiv auf eine naiv-schöne und absolut harmlose Erinnerung aus Ihrer Kindheit (z.B. den "allseits beliebten Marshmallow-Mann").
Gönnen Sie sich etwas
Pflegen Sie täglich kleine Rituale. Sollten Sie morgens durch den Fensterschlitz auf dem Dachboden sehen, dass die Sonne, entgegen aller Befürchtungen wieder aufgeht, belohnen Sie sich mit einer kleinen Dosen-Leckerei aus dem Bunkervorrat, bevor Sie die nächste "Liebe und Dankbarkeit"-Meditation durchführen.
Machen Sie es sich drinnen gemütlich
Vermeiden Sie es, Ihren Garten oder die Terrasse zu betreten. Ballistische Raketen im Hyperschall-Flug über Ihr Grundstück könnten die hart erarbeiteten Fortschritte in Bezug auf Ihre komplett irrationale Zukunftsangst zunichtemachen und Sie um Jahre zurückwerfen. Wenn Sie natürliche Helligkeit bevorzugen, kaufen Sie sich bitte eine Tageslichtlampe oder verfeuern Ihr sündiges Tropenholz-Mobiliar im Kamin.
Essen und trinken Sie bewusst
Achten Sie, so oft es geht, auf eine angstfreie Ernährung. Das schließt den Verzehr süßer Kalorienbomben im Kriegsterminus (z.B. Granat-Splittertorte) leider genauso aus, wie "Rahm-Gemetzeltes" und das von Seuchen-Phobikern so gefürchtete Pesto. Verzichten Sie beim würzigen Kochen zudem unbedingt auf die Zugabe von Don-Basilikum. Sollten Sie im Keller noch Krimsekt lagern, empfiehlt es sich, diesen vor Ihrer Emeritierung gegen den - mit reichlich flüssigem Ecstasy versetzten - Champagner aus den Niederlanden einzutauschen.
Bleiben Sie ganz bei sich
Verbannen Sie die, im Rahmen der Endzeit-Zombie-Apokalypse vor Ihrem Fenster herumlungernden, Covid-Variantenträger (unter die sich gewiss auch schon russische Invasionstruppen gemischt haben) durch einfaches Herunterlassen der Rollläden und anschließendes Vernageln mit Sperrholzplatten aus Ihrem Sichtfeld. Drehen Sie Ihre Musik im Haus in voller Lautstärke auf, um keuchende Atemgeräusche und kratzende Fingernägel an der Hauswand möglichst zu überhören, während Sie den Rest des Tages mit zur Brust angezogenen Knien summend hin und herschaukeln.
Schaffen Sie sich einen Gefährten an
Da Sie die nächste Dekade vermutlich in völliger Isolation verbringen werden, brauchen Sie unbedingt jemanden, mit dem Sie mehrmals täglich über Ihre Ängste und Sorgen reden können. Auch wenn Ihnen menschliche Wesen als potenzielle Wirte des Zombie-Virus nicht ins Haus kommen, heißt das nicht zwangsläufig, dass Sie den langen, dunklen Nuklearwinter über allein bleiben müssen. Angefangen vom Kult-Klassiker, dem personifizierten Volleyball mit blutigem Handabdruck, bis zum "Imaginären Freund" (dem Sie aus gegebenem Anlass allerdings nicht Namen wie "Vladimir", "Kim-Jong" oder "Gerhard" geben sollten), haben Sie eine Vielzahl an Möglichkeiten, über Jahre hinweg sozial aktiv zu bleiben. Lediglich vor zwei Dingen sei hier ausdrücklich gewarnt: 1. Nehmen Sie Abstand von Puppen. Egal, wie drollig und freundlich Sie die Dinger am Anfang auch anschauen. Eine Puppe wird Sie auf kurz oder lang in den Wahnsinn treiben. 2. Sollten Sie sich ein Haustier als treuen Begleiter wünschen, achten Sie bei der Auswahl darauf, dass es sich um eine Spezies handelt, die Sie bei Nahrungsknappheit nicht auffressen kann.
Erweitern Sie Ihren Horizont
Beginnen Sie, sich auf die klimawandelbedingte Versteppung der Erde vorzubereiten und eignen Sie sich über YouTube-Tutorials für den Moment, in dem Sie aus Ihrer Haustür in eine flirrende Glutwüste treten, praktische Überlebenstechniken an: Lernen Sie, wie man ein Kamel reitet, Kondenswasser in einem Lappen auffängt, Skorpion-Gift selbst aus dem Fuß saugt und nähen Sie sich ein Outfit, mit dem Sie unter kriegslüsternen Beduinen nicht weiter auffallen.
Sorgen Sie für Unterhaltung
Wenn Sie das Gefühl haben, beim Warten auf den "Doomsday" nicht ohne digitales Entertainment auszukommen und eine große DVD-Sammlung besitzen, verzichten Sie bitte zwingend auf Trauma-Schocker wie "Outbreak", "The day after tomorrow", "28 Days later" oder "Otto - Der Katastrofenfilm".
Schauen Sie sich lieber etwas Unverfängliches an, das möglichst keine Assoziationen von Siechtum und Zerstörung in Ihnen weckt. Doch Vorsicht! Auch vermeintlich harmlose Produktionen können zu heimtückischen Psycho-Fallen werden.
So wird die Protagonistin im Disney-Klassiker "Snow White" von Stiefmütterchen Russland mit Nowitschok vergiftet und in "Ratatouille" wagt sich eine womöglich mit der Beulenpest infizierte Drecks-Ratte in hygienisch hochsensible Küchenbereiche vor. Unser Tipp für gefahrloses "Bingen": Sehen Sie sich mittels mehrerer Raumkameras selbst beim Fernsehgucken zu und lernen Sie Ihre angebliche Schokoladenseite aus völlig neuen Blickwinkeln kennen.
Überleben Sie lang und in Frieden!
Patric Hemgesberg