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Gärtners kritisches Buchmessensonntagsfrühstück: Außer Lesen nichts gewesen

„Immer mehr Menschen ...“ – fängt ein Zeitungssatz so an, folgt selten Gutes. Dann folgt nämlich ein Trend. „Immer mehr Menschen klagen, sie könnten sich nicht mehr auf ein gutes Buch konzentrieren. In der ,Slow Reading’-Bewegung trifft man sich daher zu einem stillen Stündchen ohne digitale Ablenkung“. Und zwar, versteht sich, in einem Café, damit noch jemand Geld daran verdient, daß moderne Menschen nicht in der Lage sind, irgend etwas zu betreiben, ohne daß es ein Service ist oder Eventcharakter hat. Der möglichst auch noch Geld kostet, denn was nichts kostet, ist nichts wert.

Nun hat es also auch das Lesen erwischt, zu dem man die „zwischen vielen abendlichen Internetstunden und vierhundert amerikanischen Qualitätsfernsehserien“ eingeklemmten Großstadtbewohner ans Gängelband nehmen muß, weil sie nämlich „selbst keine Lücke mehr finden für etwas, das sie eigentlich wahnsinnig gerne tun oder getan haben, nämlich gute Bücher zu lesen … In den zehn Tips, die der Slow Reading Club im neuseeländischen Wellington Neueinsteigern an die Hand gibt, heißt es denn auch, man solle vor Beginn der Lektürestunde die Augen schließen und fünfmal tief durchatmen.“ Da atme ich jetzt einmal tief durch, bevor ich 1. der SZ den „Neueinsteiger“ als Doppelmoppel hinreibe und 2. der Überzeugung Ausdruck verleihe, daß, wer zum Lesen besondere Umstände braucht, die über Ruhe und eine Kanne Tee hinausgehen, es auch bleiben lassen kann. Wie vielleicht überhaupt einmal eine Lanze wider das Lesen gebrochen werden muß. Schon gar wider das Lesen „guter Bücher“.

„Beim Ferienleseclub fängt schon bei Einigen der Endspurt an, da wird jeden Tag gelesen, damit noch Silber oder Gold erreicht wird. 80 Kinder und Jugendliche haben sich angemeldet und weit über 300 Bücher wurden schon verschlungen und abgefragt; die Kissen im Strandkorb sind von den vielen Gesprächen schon platt gesessen.“ Gemeindebücherei Gettorf/Schleswig-Holstein, 2014

Denn Lesen, die einsame Lektüre, der Rückzug ins Kämmerchen, aufs Sofa, auf die Wiese oder egal wo in den Schmöker ist doch per se (und sei’s ungewußter) Widerstand gegens drängend-fordernd Allgemeine, Gesellschaftliche, darin Autoritäre, und die Urerfahrung der Lesenden ist, daß sie nicht zum Abendbrot kommen kann, ehe sie weiß, ob Kalle Blomquist noch der rettende Einfall kommt; wie der früheste intellektuelle Widerstand jener ist, der sich als heimliches Lesen unter der Bettdecke äußert. Es wird schon da verkehrt, wo die Mittelschicht, auch hierin hysterisch, die „Leselust“ ihrer Kinder fördert und Kulturreferate (wirklich wahr) Urkunden vergeben, die ausdrücklich die Masse der in den Sommerferien gefressenen Bücher würdigen; und gleichzeitig ist jeder fünfte Fünfzehnjährige funktionaler Analphabet und wird alles dafür getan, den freien Geist möglichst zu behindern, ihn mit Kompetenzen abzufüllen und zur unkritischen Hinnahme von Vorgekautem abzurichten; und bereitet Bertelsmann (wer sonst) längst die Duchdigitalisierung der Klassenzimmer vor. Gegen die dann eine sog. Slow Reading-Bewegung zum „guten Buch“ zurückführen kann, damit das juste milieu dieses zentralen Distinktionsmittels nicht verlustig gehe: Denn so wie Ahmet nicht liest, liest Charlotte selbstverständlich, und was das gute Buch sei, erklärt ihr Volker Weidermann.

Man lese alleine; man schere sich nicht um Kanons, Urkunden, Atemübungen. Und man vergesse nicht, daß das spezifische Unglück des Vaterlandes nicht zuletzt daher rührt, daß sein Bildungsbürgertum lieber den Kopf in den Bücherwolken hatte, als mal seinen Monarchen heimzuleuchten. Ein Bücherwurm sein, als Existenzideal: prima. Als gesellschaftliches Leitbild: verdächtig. Und jedenfalls verlogen.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Mitten im Streit um das wohl von Ihnen manipulierte Wahlergebnis bei der Präsidentschaftswahl haben Sie wieder einmal tief in die politische Trickkiste gegriffen: »Es ist September, und es riecht schon nach Weihnachten«, frohlockten Sie in einer Fernsehansprache. »Als Dank an das kämpferische Volk werde ich daher Weihnachten per Dekret auf den 1. Oktober vorziehen.«

Wir haben sogar eine noch bessere Idee, Maduro: Könnten Sie nicht per Dekret Weihnachten von Anfang Oktober bis Ende Dezember stattfinden lassen? Im Gegensatz zum Kanzler in seinem kapitalistischen Schweinesystem können Sie doch sicher bestimmen, dass die planwirtschaftliche Lebkuchen-Vanillekipferl-Produktion schon im Juni anläuft. So können Sie sich nicht nur ein paar Tage, sondern ganze drei Monate Ruhe zum Fest schenken!

Rät Titanic

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Grüß Gott, Söder!

Grüß Gott, Söder!

Wie schlossen Sie Ihr Statement vor dem israelischen Generalkonsulat in München, wenige Stunden, nachdem ein 18jähriger mit einem Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett auf dieses geschossen hatte und daraufhin von der Polizei erschossen worden war? Sie sagten: »Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!« Der Hauptbeteiligte, das war freilich der Attentäter – Ihre Danksagung lässt also tief blicken! Denn was täten Sie ohne durchgeknallte Islamisten mit anachronistischer Bewaffnung, die vom Rückstoß eines historischen Repetiergewehrs beinahe umgeworfen werden und von Ihrer Polizei spielend leicht umgenietet werden können?

Aber Obacht! Nicht dass Sie sich beim nächsten Mal zu noch offenherzigeren Reaktionen hinreißen lassen und zum Abschluss »So ein Tag, so wunderschön wie heute« anstimmen. Könnte möglicherweise missverstanden werden!

Meint Titanic

 Puh, Lars Klingbeil!

Gerade wollten wir den Arbeitstag für beendet erklären und auch die SPD mal in Ruhe vor sich hin sterben lassen, da quengeln Sie uns auf web.de entgegen, dass es »kein Recht auf Faulheit gibt«. Das sehen wir auch so, Klingbeil! Und halten deshalb jeden Tag, an dem wir uns nicht über Ihren Populismus lustig machen, für einen verschwendeten.

Die Mühe macht sich liebend gern: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kurzzeitgenossen

Bei der Meldung zu Anton Bruckners 200. Geburtsjubiläum (4. September) und dem tags darauf sich jährenden Geburtstag Heimito von Doderers (5. September) mit Interesse bemerkt, dass beide Herren im Jahr 1896 kurz gleichzeitig am Leben waren: nämlich fünf Wochen und einen Tag lang, von Klein-Heimitos Entbindung bis zu Bruckners Tod am 11. Oktober. Solche ganz knapp verpassten Möglichkeiten der Seelenwanderung faszinieren mich. Was wäre gewesen, hätte man Doderer etwas später zur Welt gebracht, wäre Bruckners Geist schon ein paar Wochen früher »frei« gewesen? Hätte Wien / Ansfelden ein reinkarniertes Doppeltalent Heimtoni von Brucknerer überhaupt ausgehalten, hätte die literarisch-musikalische Welt unter dem Eindruck der »Strudlhofsinfonie«, des »Rondo in c-Moll für Streichquartett und einen Merowinger« (Alternativtitel: »Die tonale Familie«) oder der kurzen vierstimmigen Motette »Die Peinigung der Orgelpfeifelchen« vor Entzücken und Überwältigung alle viere von sich gestreckt, aufgegeben und ihren Kulturbeutel auf immerdar zusammengepackt? – Dass das Spekulieren über solche vergeigten Leider-nicht-Seelenwanderungen nur sehr ausnahmsweise Sinn ergibt, dämmerte mir aber, als ich ad notam nahm, mit welchen Gruselgestalten und potentiellen Reinkarnationsgefäßen seinerseits Doderer seine allerletzten Tage im Herbst 1966 verbringen musste: Stefan Raab (*20.10.66), David Cameron (*9.10.66), Caroline Beil (*3.11.66) und sogar noch haarscharf David Safier (*13.12.66, »Miss Merkel – Mord am Friedhof«; »Der kleine Ritter Kackebart«). Dann schon lieber die Seele mit in die Hölle nehmen.

Michael Ziegelwagner

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

 Jeder kennt ihn

Die Romantrilogie auf der Geburtstagsfeier, das Raclettegerät auf der Taufe, die Gartenfräse zur Beerdigung: Ich bin der Typ in deinem Bekanntenkreis, der dir geliehene Sachen in den unmöglichsten Situationen zurückgibt.

Leo Riegel

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
15.10.2024 Tuttlingen, Stadthalle Hauck & Bauer und Thomas Gsella
16.10.2024 München, Volkstheater Moritz Hürtgen mit Max Kersting und Maria Muhar
16.10.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
16.10.2024 Frankfurt, Buchmesse TITANIC auf der Frankfurter Buchmesse