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From Sahra (and Oskar) with Love

Society-Experte und Hubert-Burda-Stipendiat Martin Weidauer besucht für das neue Lifestyle-Magazin 'DELUXE by TITANIC' Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine in ihrem Refugium im saarländischen Merzig.

Was sie übertrieben feiert: Knollensellerie

Ein wenig verzaubert kommt sich vor, wer die Kiesauffahrt zum Wagenknecht-Lafontaine-Prachtbau "Chateau Rouge" hinaufwandelt. Während der fünfzehn Gehminuten vom Gartentor bis zum Haupthaus ist in laut hörbarer Stille ein Höhenunterschied von zweihundert Metern zu überwinden. Sensationell gut kuratiert sind die Gewächse, die am Wegesrand ein Zuhause gefunden haben: Hagebutten, Kiefern und Yucca-Palmen.

Krass! Der Moment, der alles veränderte

Max Otte öffnet die massive Eichenholztür. Überraschend daran: Er trägt nur Boxershorts. "Sahra, die Schweinepresse ist da." Die Talkshowkönigin betritt mit wehendem Haar die Empfangshalle. Sie wirkt geerdet und schwebt dennoch über den Dingen. "Keine Panik. Es gilt null G, also Mensch." Sofort bemerkt man: Das ist eine (im besten Sinne) schrecklich politische WG! Wo denn Oskar Lafontaine sei, möchte der Reporter (also ich) wissen. Frau Wagenknecht erzählt, dass ihr Gatte um diese Zeit noch umnachtet und deshalb online sei: "Facebook!" Sie selbst sei "eher Typ YouTube", ohne Ringlicht verlasse sie nie das Grundstück. Tipp für unsere Leser*innen: Ihr Kanal heißt "World Wide Wagenknecht". Jetzt reinklicken!

Exklusiv: Ein Chefarzt hatte sie einfach aufgegeben

Max Otte wohne derzeit im Poolhaus, bis er eine neue politische Heimat finde. Sahra Wagenknecht berichtet mit einem lachenden und einem weinenden Auge (Grund: Obstfliege), wer schon in dem barocken Nebengebäude residierte: Gérard Depardieu, Thilo Sarrazin, Christopher Lauer. "Ein Asyl für Verfolgte." Rührend, wie sie sich um ihre Mitmenschen sorgt. "Die Mutter Teresa von der Saar" möchte sie jedoch nicht zwingend genannt werden. "Ich bin ja kinderlos. Wobei: Hier ist es manchmal wie im Kindergarten, haha!"

Große Sorge: Blutrache, Rückfall oder milde Akne?

Oskar Lafontaine, der schon als Kind regelmäßig aß, nimmt auf einem stilvollen Ohrensessel Platz und verschlingt drei Macarons, bevor er seinen Monolog beginnt. Pensionsaffäre, Rotlichtaffäre, Doris-Schröder-Köpf-Funfacts: In dreißig unterhaltsamen Minuten zieht der Elder Statesman Bilanz. Seine Angetraute hängt an seinen Lippen, was ihm das Reden erschwert. Großartig, wie verschmust die beiden immer noch sind.

Schock-Diagnose! Doch ihr Popelgeheimnis ist bei ihm sicher

Gegen Altersflecken nimmt "Oskar", wie Lafontaine im Saarland genannt wird, täglich einen Smoothie aus Globuli, regionalem Gemüse und antiimperialistischen Südfrüchten ("Natürlich ungespritzt!") zu sich. Bis dato hilft es allerdings nicht. Eine Schönheits-OP schließt er nicht aus, spricht das Thema aber auch mit keiner Silbe an.

Sex-Beichte: Die Kraft für lange Spaziergänge wäre da

Max Otte kommt zurück ins idyllische Haupthaus und beschwert sich über die Dienerschaft. Man finde kaum noch Deutsche ("maximal drei") für solche Jobs. Traurig! Der französische Akzent seines Kammerdieners sei schon des Öfteren Anlass für Streitigkeiten gewesen. Doch Otte fehlen die Alternativen: "Aktuell bin ich in der Verbannung." Politik kann grausam sein ...

Heiße Küsse: Beruflich wagt er einen Neuanfang

Die Hausherrin läutet und misst via Stoppuhr, wie lang die Bediensteten vom gemütlichen Gesindehaus in den großen Saal brauchen. "Wir mussten bedauerlicherweise neue Sicherheitsmaßnahmen einführen. 2015 darf sich nicht wiederholen!" Damals habe ein Gast des Hauses (Markus Lanz) eine geschlagene halbe Stunde auf seine Stopfleber warten müssen. "Die folgende Entlassungswelle maximierte das Leid der Arbeitsmigranten aus Nordfrankreich." Kommt Wagenknechts einwanderungskritische Haltung daher? Leise hebt sie an: "Die Selbstgerechten!" Mehr möchte sie nicht sagen - der Eklat belaste sie nach wie vor.

Ihr neues Glück: Seine Affären haben sie nie gestört

"Ich möchte gerade nicht aufstehen. Aufstehen! Verstehen Sie?" Humorvoll begründet Sahra Wagenknecht ihr Verweilen auf dem "Eames". Synchron schreien Wagenknecht und Otte Lafontaine an: "Oskar, bring mir noch einen Café au Lait und ein Éclair!" Welch ein Zufall, denke ich, doch anscheinend wird hier kontinuierlich französisch geschlemmt. Ein weltgewandtes Traumhaus in der saarländischen Provinz, in dem sich Machtmenschen von ihrer privaten Seite (rechts) zeigen. Ich bekomme eine Emotion und hernach gar noch eine.

Grenzen der Aufnahmebereitschaft: Videorekorder voll!

Die Polit-Profis können von ihren Diäten gut leben (Stichwort: schlanker Staat). Wer sich zeitlebens für die Rechte Schwächerer einsetzt, dem sei das selbstredend gegönnt. Aber auch dem Ehepaar Wagenknecht-Lafontaine neide ich diesen Lebensstandard nicht. Ist hinter den Kulissen immer eitel Sonnenschein? Nein! Ken Jebsen hat mittlerweile Hausverbot. Das hindert ihn nicht daran, sich seine Würde zu bewahren: Er winkt uns freundlich aus dem Garten zu. Lobenswert!

Holunderblüten-Horror: Sie tut alles, um ihn zum Lächeln zu bringen

Als Herr Lafontaine von einer "Hunderunde" (ohne Hund!) zurückkommt, spricht er beseelt vom Radsport: "Mit dem E-Bike kann man viel weiter fahren, als mit einem normalen Fahrrad. Ich glaube, das 'E' steht für Entfernung." Diese Leidenschaft teilt er mit Sahra: Sie liebt es ebenso, Abkürzungen zu erraten. Langeweile ist für das Paar ein Fremdwort!

Verliebte Blicke im Spiegel: Er fühlt sich endlich gesehen

Oskar Lafontaine zieht sein Schalke-04-Trikot über. Das sorge hin und wieder für erhitzte Gemüter, da Königsblau nicht seine Farbe sei. So selbstkritisch erlebt man ihn selten. Er wechselt jählings das Thema - es wird klar, dass er nicht weiter über seinen Teint philosophieren möchte. Stattdessen redet er sich wegen "der vielen Windräder" in Rage. Als seine Lieblingssendung "Rote Rosen" im Fernsehen läuft, bittet er um Privatsphäre.

Fassungslosigkeit: Gerüchte um eine Scheinadoption

In einem Nebensatz erwähne ich den russischen Angriffskrieg. Sahra Wagenknecht mahnt: "Wer sein Gastrecht missbraucht, der hat sein Gastrecht eben verwirkt. Das ist Rufmord!" Sie trinkt den letzten Schluck Champagner und ordert den Sicherheitsdienst heran, der mich vom Hof scheucht. Im Zug bekomme ich eine SMS von Max Otte: "Meine neue Partei: Die Linke. Ich will die Möglichkeit einer bürgerlichen Koalition mit der AfD auf allen Ebenen ausloten."


Martin Weidauer

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick