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Faxet in Frieden: Deutschlands Digitalisierungsdefensive

Das US-Militär kämpft mittlerweile auf Star-Wars-Niveau, die Bundesrepublik lebt lieber in der Vergangenheit: ein großer Vorteil. Eine Bestandsaufnahme.

Endlich: Die US-Soldaten kriegen Brillen! Doch wer glaubt, damit seien "unbeabsichtigte" Kollateralschäden passé, der irrt: Die Rede ist nicht von klassischen Sehhilfen, sondern von Augmented-Reality-Brillen der Marke Microsoft. 22 Milliarden Dollar blecht das United States Department of Defense für diese Brillen, die die Realität mit 3D-Projektionen wie beispielsweise einem digitalen Fadenkreuz erweitern und etwa bei der Zielerfassung und Nachtsicht helfen. Bei Waffenstillstand kann man darauf aber auch mal Mario Kart zocken. So wird das Militär aus dem "land of the free" noch schlagkräftiger. Heftiger denn je zittern die Staaten dieser Erde nun beim Gedanken daran, von dieser High-Tech-Truppe eines Tages die Freiheit ins Land gebombt zu bekommen.

Aus der Sicht einer Nation, die all ihre Digitalisierungshoffnungen fatalerweise in ein bayrisches Aufmerksamkeitsdefizit namens Doro Bär gesetzt hat, klingt "Augmented Reality" im Soldatenhelm freilich erstmal nach schwarzer Magie. Von derartiger Technik ist die Bundeswehr weiter entfernt als Annegret Kramp-Karrenbauer von einer Karriere als Motivationscoach. Hierzulande ist man froh, wenn der alte Krachbummkram noch einigermaßen funktioniert und nicht bei irgendeinem Rechtsextremen im Privatbunker liegt. Sagen wir’s, wie’s ist: Deutschland wirkt auf den Feind, als hätte man in puncto Digitalisierung den Morgenthau-Plan umgesetzt.

Doch es ist nicht alles schlecht. Während das US-Militär 120 000 Datenbrillen aus der IT-Klitsche von Bill Gates ordert, setzt auch die Bundeswehr auf den Tech-Giganten: Alle deutschen Kasernen arbeiten mittlerweile sicher und sorgfältig mit Windows XP. Generell muss man wohl einfach auch ein bisschen Verständnis für die Bundeswehr aufbringen: Sie hat bekanntlich einige Rechte in ihren Reihen, die dem Internet schon deshalb skeptisch gegenüberstehen, weil dort sehr viele Links sind.

Aber ist es um unser Heer denn wirklich so schlecht bestellt? Um das herauszufinden, sprechen wir mit Oberstleutnant Simon Schönleber via Skype. Nachdem wir ihm telefonisch erklärt haben, wie er die App herunterladen, installieren und öffnen kann, hat er auch die Webcam nach nur wenigen Anläufen im Griff und antwortet mit leichter Latenz auf unsere Fragen. "Sicher, wir sind im internationalen Vergleich hinterher", scherzt Schönleber, "aber zur Not können wir den Feind ja mit Disketten bewerfen". Wir lachen, soviel Humor hätten wir einem langjährigen Soldaten gar nicht zugetraut. "Das war kein Scherz", sagt er dann, "die Namensliste meiner neuen Rekruten bekomme ich immer postalisch als Diskette zugeschickt".

Trotzdem findet Schönleber die permanente Miesmacherei ungerecht: "Man sollte nicht immer nur nörgeln, sondern auch mal stolz auf das Erreichte sein. Zum Beispiel haben alle Bundeswehrbehörden schon im letzten Jahr ihre digitalen Buchhaltungssysteme modernisiert und vollständig von D-Mark auf Euro umgestellt." Außerdem kennen sich laut Schönleber spätestens seit der Corona-Pandemie sehr viele Soldaten ganz hervorragend mit dem Messenger-Dienst Telegram aus. Kurz darauf führt der Oberstleutnant noch weitere Fortschritte und Errungenschaften an, doch dann reißt die Verbindung ab.

Was das abgebrochene Gespräch mit Schönleber bestätigt: Die vermeintliche Schwäche der Bundesrepublik lässt sich aus militärischer Sicht durchaus als Stärke begreifen. Womöglich steckt sogar Kalkül hinter dieser Digitalisierungsdefensive, vielleicht wird die Geschichte unserem Verteidigungsministerium eines Tages Recht geben: Dank der flächendeckend schleppenden Digitalisierung innerhalb der deutschen Grenzen sind wir nämlich bestens vor den Armeen der Zukunft geschützt. Wer hier mit High-Tech-Augengläsern und vergleichbar futuristischem Firlefanz einmarschieren will, kuckt in die Röhre und verliert jede Schlacht, weil er niemals eine stabile Internetverbindung wird aufbauen können. Blöd schaut er drein, wenn dann ein deutscher Soldat plötzlich mit einem auch offline noch funktionstüchtigen 30er-Jahre-Gewehr aus seiner Sammlung an Nazidevotionalien um die Ecke kommt.

Denkt man noch weiter, dürfte die Antidigitalisierungsstrategie sogar unser Überleben sichern: Sollten jemals Aliens unseren Heimatplaneten attackieren, so werden die außerirdischen Invasoren die Deutschen im Vergleich zu China und den USA vermutlich für die harmlosen Ureinwohner eines ganz primitiven Naturvolks halten und sie nicht vernichten, sondern unter Naturschutz stellen. In einem solchen Reservat werden wir alle schließlich in Frieden faxen.

Cornelius W. M. Oettle

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Briefe an die Leser

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg