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"Es gab für alle Arbeitsbesäufnisse strenge Sicherheitskonzepte" – Ein Interview mit Boris Johnson
Selbst seine Frisur kann nicht länger davon ablenken: Boris Johnson, Vorsitzender der Conservative Garden-Party, steckt in der Krise. Die Skandale häufen sich: Lockdown-Feiern in der Downing Street, Luxus-Umbau der Dienstwohnung, seine Frisur. TITANIC sprach mit dem britischen Premier über seinen bald erscheinenden "Gentleman's Guide to Illegal Partying", die schönsten Slogans auf Doppeldeckerbussen und Enkeltricks bei der Queen.
TITANIC: Herr Johnson, …
Johnson: (unterbricht) Nennt mich Boris! Obwohl das gar nicht mein wirklicher Name ist.
TITANIC: Sie heißen gar nicht Boris?
Johnson: Kann jemand der am elitären Eton College war, wirklich Boris heißen? Ich habe in Wahrheit einen standesgemäßen Namen: Wentworth Willibrord de Pfeffel Johnson. Boris habe ich mich später genannt, weil es sich so schön auf Torys reimt – ein phonetischer Trick, der mir wie von selbst den Tory-Parteivorsitz sicherte.
TITANIC: Den Parteivorsitz wie auch das Amt des Premierministers könnten Sie nun allerdings verlieren, nachdem eine illegale Lockdown-Gartenparty am Regierungssitz bekannt wurde.
Johnson: Dafür habe ich mich bereits entschuldigt und klargestellt, dass ich dachte, es handle sich um ein Arbeitstreffen.
TITANIC: Aber ist das glaubwürdig? Immerhin hat Ihr Büroleiter per E-Mail mit dem Aufruf "Bringt euren eignen Alkohol mit" dazu eingeladen.
Johnson: Na und? Ich trinke natürlich auch während der Arbeit. Oder wirke ich, als ob ich dabei nüchtern wäre?
TITANIC: Guter Punkt. Ihre Mitarbeiter sollen sich außerdem regelmäßig zu "Wine-time Fridays" verabredet haben, obwohl Treffen in Innenräumen im Lockdown verboten waren.
Johnson: Keine Sorge, es gab für alle Arbeitsbesäufnisse strenge Sicherheitskonzepte. Es handelte sich zum Beispiel immer um wirklich hochwertige Weine. Die letzten Flaschen, die wir kurz vorm Brexit noch unverzollt aus Frankreich ergattern konnten …
TITANIC: Vermittelt das nicht den Eindruck, die politische Elite schert sich nicht um die von ihr gemachten Regeln? Johnson: Man kann durchaus mal Regeln brechen. Einzige Voraussetzung ist, man tut es mit Stil. Dazu muss man freilich Klasse haben, in unsrem Fall: Upperclass. Das alles kann man bald in der Feier-Fibel, die ich grade schreibe, nachlesen: "A Gentleman's Guide to Illegal Partying".
TITANIC: Worauf dürfen wir uns da freuen?
Johnson: Ich bin ein großartiger Autor. Immerhin war ich mal Journalist, oder so was Ähnliches. Und in diesem Guide beantworte ich witty wichtige Fragen rund ums Thema "Corona-Partys mit Stil": Spreizt man den kleinen Finger ab, wenn man sich in die Hand hustet? Hilft man der Begleiterin aus der Maske? Verlangt es die Höflichkeit, den Gastgeber zuerst zu infizieren? Sie merken: Es wird großartig! Gut möglich, dass ich damit nach Churchill der zweite Premier werde, der den Literaturnobelpreis einheimst.
TITANIC: Die literarische Karriere scheint gesichert. Was sind die nächsten Schritte, um Ihre politische Karriere zu retten? Die nun von Ihnen angekündigte Aufhebung fast aller Corona-Beschränkungen wirkt beispielsweise wie eine populistische Aktion, um Ihre Beliebtheit zu steigern.
Johnson: Dazu sage ich in aller Klarheit: Dieses Beenden der Pandemie-Maßnahmen erfolgt ausschließlich evidenzbasiert, wenn mein Expertenrat das absichert und es eindeutig wissenschaftlich erwiesen ist, dass mir das tatsächlich mein Amt erhält.
TITANIC: Sie sollen darüber hinaus planen, hochrangige Mitarbeiter zu entlassen.
Johnson: Um Premierminister zu bleiben, würde ich wenn notwendig sogar die Queen entlassen.
TITANIC: Apropos: Wegen der damaligen Kontaktbeschränkungen musste Queen Elisabeth beim Begräbnis ihres Mannes Prinz Philip allein in der Kapelle sitzen. Am Vorabend der Beerdigung fanden jedoch Feiern in der Downing Street statt. Dafür haben Sie sich persönlich bei Ihrer Königin entschuldigt. Wie hat sie reagiert?
Johnson: Splendid! Vor allem, weil ich für Treffen mit der Queen mittlerweile eine grandiose Taktik entwickelt habe: Ich spreche mit ihr sehr langsam, sehr laut und mache dabei ausufernde Gesten, als ob ich einen senilen Grufti vor mir hätte. Das wird ihr schnell zu blöd und sie beendet die Meetings so rasch wie möglich. Ich komme dadurch schnell und unkompliziert zu meinen PR-tauglichen Entschuldigungen. Ich nenne das meinen "politischen Enkeltrick".
TITANIC: Haben Sie sonst noch Pläne, um sich im Amt zu halten?
Johnson: Notfalls lasse ich groß "Boris ist unschuldig" auf einen roten Doppeldeckerbus schreiben. Das klappt immer. Außerdem erinnert mich das an good old times, als man mich beim Brexit noch als Heiland (engl. "Highlander", Anm. d. Spaßvogels von Übers.) feierte.
TITANIC: Letzte Frage: Eines Ihrer Markenzeichen ist Ihre spezielle Haarpracht. Warum die Wuschelmähne?
Johnson: Diese Frisur ist eine juristische Hintertür zur Strafmilderung. Wenn ich durch mein rechtspopulistisches Gehabe und meinen machtversessenen Irrsinn das ganze Land gegen die Wand gefahren habe, brauche ich nur auf meine Haare zu zeigen und zu sagen: Kommt, tut nicht so, als ob ihr das alles nicht hättet ahnen können.
TITANIC: Herr Wentworth Willibrord de Pfeffel Johnson, wir danken für das Gespräch.
Johnson: My Pleasure! Cheerio!
Jürgen Miedl