Inhalt der Printausgabe

Enkeltrick war gestern

 

Die neuen Betrugsmaschen sind ausgeklügelt wie nie – und lassen Polizei wie Staatsanwaltschaften machtlos dastehen. Denn nach geltendem deutschen Recht sind diese Tricks völlig legal! TITANIC empfiehlt sie deshalb zur Nachahmung.

Der enttäuschende Gewinn

Das Opfer zieht einen Brief aus dem Briefkasten, adressiert an »Alle, die hohe Geldsummen lieben«. »Hey, das bin ja ich!« denkt die Zielperson und öffnet die Postwurfsendung. Darin befindet sich eine vermeintliche Gewinnbenachrichtigung. Unter der fett gesetzten Zeile »Das haben Sie gewonnen« ist das Foto eines Postsacks mit dem Aufdruck »1 Mio. Euro« zu sehen. Um diesen Gewinn zu erhalten, sei es bloß nötig, ein lebenslanges Abo der Zeitschrift Adels-Gaudi gegen eine Jahresgebühr von 52 Euro abzuschließen.

Zwei Wochen nach Einwilligung kommt – zusammen mit der ersten Ausgabe von Adels-Gaudi – die angekündigte Prämie ins Haus: eine Kopie des Fotos mit dem Millionen-Euro-Sack aus der Gewinnbenachrichtigung.

Rein rechtlich ist das dahintersteckende Verlagshaus aus dem Schneider, dennoch hat es sich zusätzlich gegen Beschwerdeversuche abgesichert, wie mehrere derart Betrogene berichten. Wird man nämlich in dem als Absender angegebenen Büro persönlich vorstellig und verlangt die Herausgabe des »echten« Gewinns, bekommt man zwar tatsächlich einen Postsack mit »1 Mio. Euro«-Aufdruck ausgehändigt, dieser ist jedoch leer. Im Falle weiteren Nachhakens ertönt unter dem Schreibtisch der Mitarbeiterin das bedrohliche Knurren einer Raubkatze. Verbraucherschützer mutmaßen, dass es sich um aufgezeichnete Geräusche aus einem Lautsprecher handelt, konnten aber nicht weiter ermitteln, weil das Knurren wirklich sehr bedrohlich klinge.

Die falschen Polizisten

Fast schon ein Klassiker: Am Telefon warnt ein Gauner, der sich als Polizist ausgibt, vor Gaunern, die sich als Polizisten ausgeben. Kurz nach dem Initialanruf meldet sich ein Privatdetektiv und klärt darüber auf, dass der Polizist von vorher nicht echt war. Der Detektiv ist freilich ebenfalls ein verkappter Betrüger, was später fernmündlich durch eine Redakteurin von »Aktenzeichen XY – ungelöst« aufgedeckt wird. Müßig zu sagen, dass diese Redakteurin ebenso unecht ist wie alle noch folgenden Anrufe von Strafverfolgungsbehörden, Bekannten des Opfers oder ähnlichen.

Das Verwirrspiel ist indes nur Stufe 1 des Abzocksystems. Die gut und gerne zwei Dutzend Telefonate dienen lediglich dazu, genug Sprachmaterial von einer Person zu sammeln, um daraus einen Anruftext zusammenzuschneiden. Dieser wird dem Opfer schließlich vorgespielt: Es ruft sich selbst »aus der Zukunft« an und bedankt sich dafür, nicht auf die Maschen der Fake-Anrufer reingefallen zu sein und das Geld von seinem Konto rechtzeitig auf ein anderes transferiert und so in Sicherheit gebracht zu haben. Das Zukunfts-Ich gibt die Bankdaten des neuen Kontos durch. Um ein Paradoxon zu vermeiden, überweist das Gegenwarts-Ich »sich selbst« sein gesamtes derzeitiges Vermögen auf das Zweitkonto, das selbstverständlich einem der Gangster gehört. Der abweichende Name des Kontoinhabers wird damit erklärt, dass »du dich in fünf Jahren neu erfinden und umbenennen wirst – wie Sean Combs! Da ist es doch gut, schon mal ein Konto unter dem neuen Namen laufen zu haben.«

The Mermaid’s Long Con

Ein Angler zieht eines Tages eine Meerjungfrau an Land. Sie verlieben sich ineinander. Irgendwann äußert sie den Wunsch, mit ihm zusammen in ihre Heimat zu ziehen: auf den Meeresboden. Dafür brauche er jedoch eine Schwanzflosse, wie sie eine hat. (Es ist ein Kostüm aus blaugrünem Neopren.) Sie kenne jemanden, der eine entsprechende Operation durchführen könne. Seine Hosen, Schuhe und Socken könne er schon mal ihr geben, sie werde sie zu Oxfam bringen. In Wahrheit versteigert sie die Kleidung bei Ebay.

An dem Tag, an dem der von Liebe geblendete Angler die Einwilligung zu seiner Unterkörper-Transformation unterschreibt, sieht er seine Angebetete zum letzten Mal. Als er aus der Narkose erwacht, sind sowohl sie als auch der – selbstverständlich in den Schwindel eingeweihte – Chirurg längst ins Ausland verschwunden, die Beine des Genarrten bei der chinesischen Extremitäten-Mafia gelandet. Grob über die Stümpfe gezogen ist die 29-Euro-Neoprenflosse der »Meerjungfrau«.

Dieses Manöver wird nach seiner Erfinderin auch »Maike-Kohl-Richter-Nummer« genannt.

Die VHS-Ablenkung

Vor der Tür stehen mehrere Männer, die aussehen, als sei mit ihnen nicht zu spaßen. Sie stellen sich als Angestellte einer Videothek vor und präsentieren eine Videokassette: Diesen Film habe das Opfer vor 24 Jahren ausgeliehen, jedoch nie zurückgespult, was gestern erst aufgefallen sei. Es hätten sich inzwischen Rückspul-Versäumnisgebühren von 9856 Euro angehäuft. Die Strafe könne erlassen werden, wenn das Opfer die Kassette auf der Stelle zurückspule. Die verdatterte Person wird in der Regel keinen VHS-Player im Hause haben. Damit haben die Betrüger gerechnet. Sie könnten ihr ein solches Gerät zum Preis von 489 Euro verkaufen, oder aber sie spule das Band hier und jetzt kostenfrei mit einem mechanischen Kurbelapparat zurück. Das Opfer entscheidet sich für die manuelle Variante. Es sitzt zwischen den Männern an seinem Küchentisch und kurbelt die Videokassette mit der martialischen Konstruktion zurück. Nach ein paar Stunden stellen sich, wie von den Gangstern kalkuliert, Schmerzen im Handgelenk des Opfers ein: Karpaltunnelsyndrom.

»Zufällig« haben die Ganoven ein pflanzliches Präparat dabei, das bei Belastungserscheinungen Wunder wirke; für nur 170 Euro dürfe davon Gebrauch gemacht werden. »Jaja, pflanzlich … Woher weiß ich, dass das hilft? Das könnte genauso gut ein Placebo sein!« – »Auf keinen Fall! Wir haben hier einen Werbefilm, in dem mehrere Testimonials die Wirksamkeit des Mittels bestätigen.« – »Den will ich sehen!« – »Hm, leider gibt‘s das Video nur auf VHS. Aber Sie können gerne nach wie vor einen Videorekorder von uns erwerben. 700 Euro.« – »Augenblick! Vorhin hat er doch noch 489 gekostet!« – »Tja, 700 ist der neue Preis. Und zum Zurückspulen dürfen Sie ihn nicht verwenden, da Sie jetzt schon mit der Kurbelmaschine angefangen haben.«

Das Opfer kauft zähneknirschend den VHS-Player und sieht sich das Werbefilmchen an. In der Tat zeichnen die Patientinnen und Patienten (von denen etliche den beiden Videotheken-Mitarbeitern verblüffend ähnlich sehen) ein äußerst positives Bild des Karpaltunnel-Präparats. Nachdem die Person die Kurbelarbeit erledigt hat, ersteht sie das Medikament. Dies schlägt nunmehr mit 250 Euro zu Buche und führt obendrein dazu, dass sich das Opfer später an nichts mehr erinnern kann. Dafür hat es jetzt chronische Schmerzen im Handgelenk.

Papierentsorgung mit Folgen

Eine Autobesitzerin entdeckt eines Morgens unter dem Scheibenwischer ihres Wagens einen Zettel: »Kaufe Ihr Auto! Tel.: ...« Entnervt wirft sie den Zettel in einen Mülleimer am Straßenrand. Was sie nicht weiß: Auf der Rückseite des Kärtchens stand in kaum lesbarer Schrift »Bitte lassen Sie diesen Zettel bei Nichtinteresse klemmen. Ich sammle ihn dann heute Nacht wieder ein.«

Als die Fahrzeughalterin am nächsten Morgen zu ihrem Kfz geht, erwartet sie ein respekteinflößender Mann. »Sie haben mein Kärtchen weggeschmissen, obwohl es sich noch in meinem Besitz befand«, behauptet er. »Das kann ich sogar beweisen, denn ich habe Sie filmen lassen. Der Zettel bestand aus handgeschöpftem japanischen Büttenpapier und war mehrere tausend Euro wert.« Das könne sie nicht zahlen, sagt die völlig überrumpelte Frau. »Na schön, stattdessen könnten Sie mir Ihr Auto schenken. Das wollte ich sowieso haben«, bietet der Mann an.

Das Fahrzeug wird umgemeldet, die nötigen Papiere werden ausgehändigt. Beim Unterzeichnen des Schenkungsvertrages übersieht das Opfer eine Klausel in Schriftgröße 3, die Folgendes besagt: »Dieses Schriftstück besteht aus handgeschöpftem japanischen Büttenpapier und ist einhunderttausend Euro wert. Im Falle einer Beschädigung – etwa durch das Hinzufügen einer Signatur – sind dem Besitzer des Papiers als Wiedergutmachung EUR 100 000,– vonseiten der/s Unterzeichnenden auszuhändigen, ersatzweise sind die Wohnräume der/s Unterzeichnenden an den Besitzer des Papiers zu überschreiben.«

Torsten Gaitzsch

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg