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Im Test: Die Spielekracher des Jahres 2021

Eurovision, Fußball-EM und Bundestagswahl können einpacken: Das einzig relevante Ereignis dieses Jahres fand vor einigen Tagen statt, als Harald Schraper im TikTok-Livestream die diesjährigen "Spiele des Jahres 2021" würfelte. Auf den Straßen und Esstischen Europas gibt es seitdem kaum noch ein anderes Thema, doch lohnt sich der Hype? Spiel- und Spaßkorrespondentin Antonia Stille hat die Preisträger gemeinsam mit allen Redakteur:innen ausprobiert, denen keine spontane Ausrede eingefallen ist, und gibt ihr endgültiges Urteil ab. 

Dragomino (Kinderspiel des Jahres)

Die Erwartungen waren: krasse Action, Explosionen, meane dragons. Wir bekamen: eine Anleitung aus Esspapier, bunte Karten mit Popeln dran (lecker), und eine dicke Quarterlife-Crisis. Positiv überrascht "Dragomino" durch die Möglichkeit, ein passables Trinkspiel daraus zu machen. Sonst bleibt es leider recht fad. Das könnte aber auch daran liegen, dass wir die Anleitung vor dem Lesen verspeist haben.
Fazit: In der Tat – ein Kinderspiel. Viel zu einfach für Erwachsene, glauben wir zumindest. "Inspektor Nase" oder "Hipp Hopp Hippo" hätten die Hirne der Testgruppe sicher um einiges mehr zum Qualmen gebracht. Stattdessen musste dann Birnenschnaps herhalten.
In Kürze: 
• Sexiness: 4 von 69 Habecks
• Lebensgefahr: 7 von 8 Shots
• Geschmack: ¾ von 1 Popel

Paleo (Kennerspiel des Jahres)

Um eins klarzustellen: Wir kannten es nicht! Echte Kenner:innen nennen das false advertising. Trotzdem haben wir uns dem Spiel der Elfenbeinturm-Elite mit Herz, Hand und Hose gewidmet. Direkt fällt dem kritischen Auge auf, dass es sich um ein Spiel von Hans im Glück handelt, es aber leider trotzdem ohne gratis Ketchup-Mayo daherkommt. Unabhängig davon sind die Dinos und Mammuts wirklich sehr süß; schade, dass sie aussterben. Sorry für den Spoiler. "Paleo" spielt in der Steinzeit, und deshalb tun das auch die Spieler:innen. Leider muss man seine eigenen Steine mitbringen, im Spiel sind auch die nicht enthalten. Da wir keine zur Hand hatten, haben wir uns stattdessen mit Molotow-Cocktails beworfen.
Fazit: Kein Ketchup-Mayo, keine Steine und auch keine echten Mammuts. Alles in allem ein klarer Fall von Etikettenschwindel.
In Kürze:
• Stimmung: explosiv
• Schweregrad: 6 von 10 Steinen
• Geschmack: Umami, mit einer Spur von Cocktailsauce

MicroMacro: Crime City (Spiel des Jahres)

Als Frankfurter "Gewächse" wissen wir natürlich, was eine gute Crime City ausmacht. An dieses Spiel machten wir uns also mit einer noch beachtlicheren Expertise als sonst. Ein Glück, denn schließlich geht es hier um die Königskategorie. Passend zum Coronajahr ist "MicroMacro: Crime City" das einzige ausgezeichnete Spiel, das man auch ganz allein spielen kann. Das würden wir aber nicht empfehlen, denn hier wird einem links und rechts kostenlos Heroin angeboten, und das teilt man nun mal am besten mit Freund:innen, Kolleg:innen und Familie. Nach der Stärkung kann man hier und da noch ein paar citymäßige Crime-Rätsel lösen: Wo verstecken die Nazis ihre Waffen? Bei welchem Abgeordneten bekommt man die günstigsten FFP2-Masken? Ist die Oma von oben tot oder kocht sie einfach nur Eintopf? Wir haben es herausgefunden.
Fazit: Alles in allem ein stabiles Ding. Ein Rätsel konnten wir aber nicht lösen: Wo zum Teufel stecken Mirco und Marco?
In Kürze:
• Teambuilding: 3 von 12 Häusern
• Anspruch: voll
• Tiefgang: 8 von 88 Untergrundorganisationen 

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg