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Der kühne Investor

Haben Sie schon mal von Klaus Michael Kühne gehört? Der 33 Milliarden schwere Jungunternehmer (85) ist Mehrheitseigentümer des Logistikdienstleisters Kühne + Nagel, besitzt mehrere Luxushotels, hält Anteile an der Lufthansa und fördert mit seiner Kühne-Stiftung Medizin, Sport, Wissenschaft und Kultur. Begleiten Sie TITANIC in die schillernde Welt des zweitreichsten Deutschen aller Zeiten.

Wir sitzen mit Klaus Michael Kühne im Wohnzimmer seines luxuriösen Domizils am Züricher See und kratzen uns die krebsrote Gesichtshaut. Vermutlich eine allergische Reaktion auf das "Old Spice". Bevor wir die Gemächer des gebürtigen Hanseaten betreten durften, mussten wir uns im Gesinde-Badezimmer von Kühnes Privatbarbier mehrfach nass rasieren lassen. Kühne hasst nichts mehr als behaarte Männervisagen und kann mit Stolz behaupten, dass sich unter seinen 78.000 Angestellten in 106 Ländern nicht ein einziger Bartträger befindet.

Einen Spiegel sucht man in der noblen Villa trotzdem vergeblich. Weil Kühne seit seiner Jugend mit dem Anblick seines quadratisch kantigen Körperbaus und dem kernigen Nussknackergebiss hadert, hat er alle reflektierenden Flächen im Wohnbereich entfernen lassen. Fotografieren und Filmen auf dem Gelände ist verboten. Mitarbeiter, die es wagen, ihn so lange anzuschauen, dass er seine rechtwinklige Kontur in ihren Augen sehen kann, verschwinden kurz danach spurlos. Wir möchten den steinalten (!), stinkreichen (!!) und kinderlosen (!!!) Milliardär für unser TITANIC "Nachlass- und Vermächtnisprogramm" begeistern. Bevor sich womöglich (andere) dahergelaufene Erbschleicher in sein Testament schlawinern, schmeicheln wir uns bei ihm ein, indem wir während des kompletten Gesprächs brav auf seine sargartig geformten Klotzschuhe starren. Es wirkt. Kühne entspannt und greift sich aus der Swarovski-Schüssel eine Handvoll Walnüsse, die er nach dem Einwerfen mittels blitzschneller Beißbewegungen in Sekunden zu Mehl häckselt.

Während er sich mit einem Schluck aus der 1945er Chateau-Mouthon-Rothschild-Pulle die Restsplitter aus den Zähnen spült, gehen wir zur Attacke über: Ob er sich als Mäzen denn auch vorstellen könne, ein gemeinnütziges Großprojekt zur Kulturförderung im Raum Frankfurt anzugehen? Wir rollen den meterlangen Bauplan eines ominösen "TITANIC-Towers" mit modernen Redaktionsräumen, Cafeteria, Dach-Pool, Wellnessbereich und betriebseigener Indoor-Golfanlage über der gedeckten Kaffeetafel aus. Der Finanzier winkt ab. Selbst, wenn er aus steuerlicher Not in der Schweiz wohne, hingen Herz und Geldbeutel noch immer an seiner Heimatstadt Hamburg, wo er nach dem Abrücken der Bulldozer auf den Ruinen der abgerissenen Elbphilharmonie demnächst ein XXL-Logistikzentrum errichten wolle.

Ein Ende seines Engagements beim HSV sei ebenfalls nicht in Sicht. Trotz der teuren Verpflichtungen von Weltstars wie Klaus Augenthaler, Horst Hrubesch, dem Hackel Schorsch, Dirk Nowitzki und Allzweckwaffe Ailton habe sich sein Herzensclub noch immer nicht zur bayernjagenden und titelfressenden Tormaschine entwickelt. Wenn er weiterhin solche Unmengen von Geld unnütz zum Fenster herauswerfe, könne er ja gleich seine Steuern in Hamburg zahlen, poltert Kühne. Aber damit sei jetzt Schluss. Da ihm die jetzige Vereinsführung keine andere Wahl lasse, würden er und seine Frau Christine ab der kommenden Saison als Spielertrainer bzw. Sportdirektorin selbst ins Tagesgeschäft eingreifen. Wir nicken verständnisvoll, sind aber in Gedanken schon längst bei der Frage, wie wir dem notorischen Gönner denn sonst die Kohle für eine Büro-Renovierung aus der Tasche ziehen sollen. Um uns im fortgeschrittenen Alter von ihm adoptieren zu lassen, sind wir womöglich nicht mehr drollig genug. In der Hoffnung, dass Zeit und Verfall in Kühnes Hirn bald ein Bündnis zu unseren Gunsten schmieden, schreiben wir letztlich ein wenig hilflos "Enkeltrick??" in unseren Notizblock.

Weil eine fette Finanzspritze für den TITANIC-Verlag auf absehbare Zeit in weite Ferne gerückt scheint, sinkt unser Interesse am deutschen Rockefeller minütlich. Um die verbliebene Interview-Zeit totzuschlagen, bitten wir Kühne, Mario Adorfs legendären Dialog aus Kir Royal ("Isch scheiß disch sowat von zu mit meinem Jeld") zu unserer persönlichen Belustigung in ein Aufnahmegerät zu sprechen. Der Finanzpatron ist irritiert, scheint erst jetzt leise Zweifel an unserer journalistischen Integrität zu bekommen und holt im Nebenzimmer via Telefon sofort Erkundigungen beim Deutschen Presseverband über uns ein.

Bevor wir von Kühne unsere Jacken und dreißig Sekunden Vorsprung vor seinen Rottweilern bekommen, erfüllt uns der genervte Philanthrop noch den Wunsch nach einem Autogramm, das er für uns auf einen achtlos hingehaltenen Papierfetzen kritzelt. Wie wir die kriminelle Energie aufgebracht haben, während seiner kurzen Abwesenheit die Schreibtischschubladen nach Kühnes Scheckheft zu durchwühlen, ist uns immer noch unheimlich. Immerhin sieht die Welt jetzt schon ein ganzes Stück rosiger aus. Auch wenn es für den ganz großen Wurf nicht gereicht hat, können wir es kaum erwarten, unseren Redaktionskollegen in Frankfurt eigenhändig die frohe Botschaft zu überbringen.

Heizlüfter für alle!!

Patric Hemgesberg

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg