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Darf's ein wenig mehr sein?

Ein weiteres Krisenjahr neigt sich dem Ende zu und wieder sieht sich Deutschland mit einer massiven gesundheitlichen Bedrohung konfrontiert: Die Neujahrsansprache des Bundeskanzlers steht bevor. Doch ist Ihr Ruhepuls für einen Absturz in narkoleptische Tiefen überhaupt schon bereit? Zum Glück gibt es auf nahezu allen Kanälen und Mediatheken Alternativen, die es in Puncto Elan und geistiger Frische mit dem Hamburger Entertainment-Giganten aufnehmen können. TITANIC hat für Sie probegesehen und weiß, wo der TV-Start ins Neue Jahr mit etwas mehr Pep gelingt.

Big Brother: "Night-Time"

RTL 2 sendet die besten Nachtaufnahmen aus den vergangenen 13 Big-Brother-Staffeln – und zwar ohne das vorab einstudierte und verstörende Gefummel unter der Bettdecke. Auf intime Bilder aus ungewohnten Blickwinkeln muss der Zuschauer dank der drollig-kleinen, aber etwas wackeligen Nagetier-Cam, dennoch nicht verzichten. Während schnarchende Mitbewohner*innen bei offenem Mund Rückschlüsse auf ihre Zahngesundheit zulassen, schält sich hin und wieder ein tätowierter Muskelprotz aus dem Laken und knallt beim Schlurfen zum Klo gegen den Türrahmen. Köstlich!

"CHECK this out!"

Sport 1 widmet sich am ersten Tag des Jahres dem Spiel, das sich anschickt, es schon bald mit dem zum Hype gewordenen "Darts" aufzunehmen und Deutschlands populärste Sportart für Unsportliche zu werden. Um für Fans und Sponsoren attraktiver zu wirken, hat die Schachbundesliga mächtig an ihrem Image gearbeitet. So sind bei Matches ab 2022 nicht nur brachiale und provokante Wrestling-Outfits vorgeschrieben. Während der nervenzerfetzend langen Pausen zwischen den Zügen ist es erlaubt, dem Gegner Beleidigungen ins Ohr schreien, statt dem lapidaren "Schach!" wird es demnächst "IN YOUR FACE!" heißen und nach einem Sieg darf man den Verlierer mit einer mehrriemigen Bullenpeitsche persönlich durch die randvolle Arena ins Freie jagen. Weil die Saison erst nach den Winterpause beginnt, zeigt der Sender für Leibesübungen seinem Publikum am Neujahrstag aber nochmal die achtstündige Partie zwischen Weltmeister Magnus Carlsen und seinem russischen Herausforderer Jan Nepomnjaschtschi in voller Länge am Brett.

Sky Sport: Das große Geisterspiel-Special

Der Bezahl-Sender war nicht dumm und hat im Rahmen der Corona-Beschränkungen auch bei Fußballbundesliga-Konferenzen vor leeren Rängen seine Zuschauer-Cams weiterlaufen lassen. Aus dem umfangreichen Material haben die Münchner nun ein exklusives Schmankerl für ihre Kunden zusammengebastelt. In 180 kurzweiligen Minuten kann man die Schönheit der Arenen in Reinkultur bewundern. Erstmals völlig ohne die sonst so massiv störenden Fans, dürfen sich Stadion-Enthusiasten an Farbe und Qualität der Sitze erfreuen und die Ästhetik von Stützpfeilern und grauem Beton ungefiltert in sich aufsaugen, während man für sie in sanften Schnitten zwischen den Spielorten hin und her wechselt. Aber Vorsicht: Damit Zuschauer beim Abgleiten in ein tieferes Bewusstsein nicht versehentlich zu kardiovaskulären "Flatlinern" werden, hechtet in unregelmäßigen Abständen ein gertenschlanker Rainer Calmund als "Jump-Scare" ins Bild.

"Auf Streife" in Norddeutschland

Begleiten Sie auf SAT1 eine ganze Nacht lang die Ermittler bei der Verbrechensbekämpfung auf Helgoland, den Halligen und im Sündenpfuhl Südniedersächsisches Wattenmeer. Kostprobe? Beim Leuchtturm Neuwerk wird eine Flaschenpost mit einer kryptischen Geheim-Botschaft ("Auf Streife ist scheiße!") angespült, Hauptkommissar Petersen fällt beim Torfstechen die Pfeife aus dem Mund und am Bauhof von Butjadingen fehlen für einige Stunden vier Säcke mit Zement. Als dann noch vom Gelände des Schützenvereins Neuharlingersiel Schüsse gemeldet werden, kommen auch KSK-Fans voll auf ihre Kosten. Hier dürften die Macher von "Hawaii-Five-0" und "Hot Fuzz" so einiges abgekupfert haben. Unbedingt anschauen!

"Nachts im Museum"

Damit ist nicht etwa der zum Gähnen langweilige Hollywood-Quatsch mit Ben Stiller gemeint. Die Realität ist viel spannender! Begleiten Sie Museumswächter Edgar Manzke auf Phoenix während seiner nächtlichen Rundgänge durch das Berliner Pergamon-Museum und erleben Sie, wie der 62jährige beim Schlendern über die Babylonische Prozessionsstraße einen Kaugummi vom Boden kratzt, mit dem Berliner Kurier unappetitlich lange auf der Museumstoilette verschwindet oder kurz vor Feierabend am Pergamonaltar dem Satan huldigend seinen letzten Betablocker einwirft. Ob sich zwischen dem Reiterstandbild Friedrich-Wilhelms von Preußen und Nofretetes Büste trotz amouröser Schockstarre noch eine Liebesgeschichte entwickeln wird, macht als Mutter aller Cliffhanger so richtig Bock auf die zweite Staffel, die Phoenix direkt im Anschluss zeigt. Manzke muss darin nach einem Stromausfall nur mit einer Taschenlampe bewaffnet den Weg zum Sicherungskasten im Keller finden, als er auf dem Weg eine schaurige Entdeckung macht: Jedes Mal, wenn er einen Fuß vor den anderen setzt, sind im Gebäude Schritte zu hören …

Trainspotter aufgepasst! "Die schönste Bahnstrecke Europas" läuft ab 2022 exklusiv im deutschen Programm des russischen Staatssenders RT. Zum Jahreseinklang wird eine besonders malerische Etappe des Transsibirien-Express gezeigt, der durch die verschneite Taiga und urige Kahlschlagwälder Kilometer für Kilometer einem Arbeitslager für Regimekritiker entgegentuckert. Leider endet die erste Staffel nach der Pilotfolge abrupt, eine zweite Staffel mit umgekehrter Reiseroute war laut RT-Zentrale in Moskau auch nie vorgesehen. Stattdessen möchte man sich in Zukunft ganz auf ein Format für allzu neugierige Medienschaffende konzentrieren: "Gefragt. Gejagt" wird derzeit in Moskau, London und Berlin abgedreht und soll im kommenden Mai am "Tag der Internationalen Pressefreiheit" ausgestrahlt werden.

Patric Hemgesberg

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick