TITANIC Gold-Artikel

Beim Werfen der Watte

Seit dem skandalösen Ibiza-Video steht der österreichische FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache im Rampenlicht. Viele fragen sich, ob sie ihr bisheriges Bild des Vizekanzlers womöglich revidieren müssen. Um Licht ins Dunkel zu bringen, sprach TITANIC mit einem „Alten Herren“ der pennalen Hypersensiblia Wien, einer altehrwürdigen Burschenschaft, die Strache bereits als 15-Jähriger kennenlernte.  

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Winfried von Puschel öffnet uns in vollem Wix die Tür zum Verbindungshaus. Sein weiß-wallendes Haar umschmeichelt als gefrorener Wasserfall eine lindgrüne Tunika und verleiht von Puschel die Anmutung eines Hochelfen aus der Welt Tolkiens. Der alte Herr ist ein Alter Herr, genau genommen ein AHX, wie er uns mit bescheidenem Lächeln und sehr leiser Stimme aufklärt. Ein Erstchangierter sei er, ein Senior, der X halt, somit primus inter pares, Erster unter Gleichen, erläutert er für den Fall, dass unser Schullatein schon ein wenig eingerostet ist. Von Puschel führt uns durch die sachlich-schlichten Räume. Hier eine Schale Bio-Obst, dort eine kleine Mediationsecke. Bei der Hypersensiblia verabscheut man alles Pompöse, laut Auftrumpfende. Auch romantisierender Vergangenheitskitsch ist den Burschen zuwider.

"Es geht dabei weniger ums Geschmäcklerische", lässt uns von Puschel wissen. "Die Nerven unsere Mitglieder ertragen einfach nichts, was in irgendeiner Weise dröhnt. Verstehen Sie?" Wir nicken ehrfurchtsvoll, kommen dann zur Sache: Strache. Von Puschel erinnert sich sofort. Ein freundlicher Bub sei der gewesen, feinfühlig, sensibel, anfangs ein wenig verschreckt, wie so viele, die mit 14 oder 15 Jahren zur Hypersensiblia kämen. Der kleine Strache sei so korrekt, weinerlich und ängstlich auf Zuspruch bedacht gewesen, dass er auch gut in die Penniblia, Mimosia oder Minima Moralia gepasst hätte. Letztlich sei er aber hier goldrichtig gewesen. Von Puschel zaust sich ein Ohr: "Es ist so wichtig, dass die Buben in diesem Alter nicht in schlechte Gesellschaft geraten. Sie sind so weich, so formbar. Gerade ein vaterloser Junge wie unser kleiner Heinz-Christian."

Von Puschel zeigt uns die Teestube, von den Burschen liebevoll "Stövchen" genannt. Hier sitzen die farbentragenden Pennäler noch heute gerne an gemütlichen Nachmittagen im Schneidersitz bei einer Tasse Kamillen- oder Jasmintee, achten auf ihren Atem, kommen endlich einmal zur Ruhe und zu sich selbst. Von Puschel sinniert laut: "Nicht auszudenken, wenn man zarte Knaben in diesem Alter an den Teufel Alkohol heranführen und ihr Gehirn mit dumpfen Parolen anfüllen würde. Es soll ja verdorbene Charaktere geben, die solche Jungen mit dem Opium des Nationalismus, dem Haschisch des Korpsgeistes und dem Kokain reaktionärer Männlichkeit anfüttern." Der Zartbesaitete von Puschel schüttelt sich vor Entsetzen. Dann leuchten seine kornblumenblauen Augen wieder ungetrübt und schön: "Unser Heinz-Christian hatte Glück! In der Hypersensiblia wuchs er zu einem verantwortungsvollen, empfindungsfähigen Menschen heran, der sich selbst genug liebt, um andere zu achten und niemand etwas beweisen zu müssen."

Ein junger, empfindsamer Heinz-Christian Strache beim Jasmintee-Umtrunk

Von Puschel führt uns auf den "Paukboden". Hier tragen die Pennäler auch heute noch Zwistigkeiten aus, indem sie sich gegenseitig nach festen Regeln mit Wattebäuschen bewerfen. Von Puschel erklärt: "Wer als erstes 'I mog halt net!' sagt, gibt auf, aber das ist egal, denn am Ende umarmen sich die Burschen und schließen Frieden. Bei uns gibt es keine Verlierer." Laut von Puschel ist diese Mensur manchen Jüngeren ein Dorn im Auge: altbacken, gewalttätig, barbarisch, zu viel toxische Männlichkeit.

"Aber wissen sie", sagt der AHX mit einem entschuldigenden Lächeln, "wir Alten Herren hängen noch ein wenig an unserer Jugend, und da hat man sich eben mannhaft mit Wattebäuschen beworfen. Na, Schwamm drüber!" Warum es hier keine Mädchen gebe? Von Puschel scheint die Frage erwartet zu haben: Dies sei ein Schutzraum für verschüchterte Buben, eine Möglichkeit, einmal ohne Ablehnung und ständige Erektionen durch den Tag zu kommen. Hier könne man sich aufs Lernen und distanziert-respektvolle Sprechen über alles Weibliche konzentrieren. Niemand hier habe etwas gegen Frauen. Auch tierlieb seien viele.

Aber was sagt der ehemalige Mentor des feinfühligen Heinz-Christian zu dessen Auftreten im Ibiza-Video? Nun legt sich wieder ein trüber Schleier über die sonst so klaren Augen des AHX. Das könne er sich überhaupt nicht erklären, sagt er zunächst mit seiner so sanften wie leisen Stimme. Dann wird er plötzlich laut: "Würde mich nicht wundern, wenn die verschissenen Juden dahinterstecken. Mit Drogen vollgepumpt haben sie den HC! Hypnotisiert! Auf die schiefe Bahn geführt mit ihren K.-o.-Tropfen und drallen Lockvögeln! Seine Schwäche ausgenutzt, das haben sie! So was macht man nicht mit einem Menschen!" Von Puschel fliegt Schaum aus dem Mund. Er schreit sich jetzt in Rage, will einen von uns erwürgen. Wir gehen besser und danken nicht für dieses Gespräch.  
 

Anselm Neft

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Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt