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Anti Baby, pro Geburtstag – Die Pille wird 60!

Egal, ob rot oder blau: Die Pille wird diesen Sommer 60 Jahre alt! Wie ist sie entstanden? Wie hat sie die Gesellschaft verändert? Und warum bin ich schon wieder so, so traurig? Ein historischer Abriss über unser beliebtestes Verhütungsmittel.

Schon im 14. Jahrhundert wurden die ersten Verhütungsmittel für junge Frauen entwickelt: Kloster. Doch schon bald reichte das den frechen Freigeistern nicht mehr und sie suchten nach Möglichkeiten, wie sie ein Liebesleben führen konnten, ohne "in ihrem Bauch die Natternbrut zu hegen" (Benedikt der Sechzehnte über die Schwangerschaft unverheirateter Frauen). Es wurden so kreative wie schmerzhafte Methoden entwickelt, um eine Empfängnis zu verhindern: Einige Frauen verirrten sich mutwillig im Winter im Wald, um sich tagelang der Kälte auszusetzen und so ihre Eierstöcke einzufrieren. Andere rieben sich vor dem Geschlechtsverkehr den ganzen Körper mit Sand ein, um die Unfruchtbarkeit eines Ödlands zu imitieren. Der Nachteil: Diese Methoden waren nicht nur umständlich, sondern funktionierten auch überhaupt nicht.

Jahrhundertelang versuchten Frauen alles Mögliche, um der ungewollten Schwangerschaft zu entgehen: beten, sich auf Brennnesseln setzen, heimlich die Hoden des Mannes abbinden. Bis zum Sommer 1960: Eigentlich hatte die Pharmaindustrie ein Medikament entwerfen wollen, das "den Hysterietrieb der Ehefrau unterdrückt", stattdessen bestand das neue Mittel praktisch nur aus dem Unterdrücken des Eisprungs und Nebenwirkungen. Da bis in die späten Neunziger allerdings kein Medikament vor der Zulassung getestet wurde, kam die Pille einfach trotzdem in den USA auf den Markt. Frauen fanden erst im Laufe der Zeit heraus, wie sie wirklich wirkte, meistens, weil sie sich über fehlendes Kindergeschrei wunderten.

Dann schwappte dieses Wissen im Rahmen der sexuellen Revolution (hauptsächlich von Männern so genannt) nach Deutschland herüber. Hier hatte man den zuständigen Behörden die wahre Wirkung der Pille schon mitgeteilt, deswegen wurde ihre Verteilung streng reglementiert: Die Pille durfte nur an verheiratete Frauen verschrieben werden, die mindestens sieben Kinder hatten und einen Vertrag unterschrieben, der sie ab der Einnahme zur dauernden Enthaltsamkeit verpflichtete. Die wenigen Frauen, die diesen Vertrag brachen, konnten jedoch berichten, dass die Pille wirklich funktionierte. Meistens. Es entwickelte sich ein reger Schwarzmarkt, verheiratete Hausfrauen verdienten nebenher etwas Geld, indem sie ihre Pillenrezepte an unverheiratete Frauen verkauften. Gewöhnlich für horrende Summen, aber sie mussten ja auch sieben Kinder durchbringen und die Zeiten waren hart. Als in den 70ern immer mehr Frauen für ihr Recht auf Verhütung mit dem Schlachtruf "Die Pille ist nicht Pillepalle!" (so sprach man in den 70ern) auf die Straße gingen, begann die katholische Kirche einen Kreuzzug gegen das Medikament: Millionen Bischöfe setzen sich ins deutsche Fernsehen und sagten Dinge wie "Das befördert vorehelichen Sex!", "Pfui Teufel!" und "Huch, mein letzter Ausruf war eine Sünde. Verdammt!".

Doch sogar die Kirche konnte den gesellschaftlichen Wandel nicht mehr stoppen und verlor durch ihre unnachgiebige Stellung Mitglieder: Fast alle Frauen traten aus und gründeten die Bewegung Maria 1.0. Leider findet man dazu wenig in den Geschichtsbüchern, da es den 500 Millionen Mitgliedern gelang, ihre neue Religion relativ geheim zu halten. Nach der Abspaltung stand den Frauen nichts mehr im Weg: Sie nahmen die Pille, hatten vor- und sogar außerehelichen Sex. Der einzige Nachteil waren die vielen, oft wesensverändernden Nebenwirkungen.

Auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes in den Neunzigerjahren nahmen 99 % der Frauen weltweit die Pille. Doch seitdem sinkt ihr Stern, verzichten immer mehr Frauen auf das Medikament, auch weil sie aufgrund der Pille einfach keine Lust mehr auf Sex haben. Bei den großen Pillenunruhen von 2000 bewarfen Tausende Frauen den Vorstandsvorsitzenden von Bayer mit den kleinen weißen Kügelchen und forderten alternative Verhütungsmittel. Das hatte Konsequenzen: Einige Pillen trafen den Vorsitzenden leicht am Auge - das begann, leicht zu tränen. Seitdem ist der Frust über die Pille nur noch gestiegen, gleichzeitig werden Rufe nach einer "Pille für den Mann" laut. Das Bundesfamilienministerium hat auf diese Forderungen schon reagiert und baut wieder mehr Babyklappen. "Wir können von Männern nicht erwarten, dass sie sich mit Hormonen vollpumpen lassen, und greifen deshalb auf diese natürliche Methode zurück", erklärt Franziska Giffey allen, die den Witz nicht verstanden haben. In diesem Sinne: Auf die nächsten 60 Jahre!

Laura Brinkmann

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Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt