Humorkritik | September 2024

September 2024

»Ich finde es erheiternd, dass wir alle keine Ahnung haben, Erklärungsversuche machen, an höhere Gesetze glauben, eine Religion suchen. Einen Sinn, einen Halt, in diesem Furz von absurdem Leben.«
Sibylle Berg

Die Stille nach dem Knall

Noch lauter als der Schuss auf D. Trumps Ohr war das kollektive Aufatmen jener US-Late-Night-Hosts, die sich in der Woche nach dem Attentat in der Sommerpause befanden, brauchten sie sich doch an dem Eiertanz um die Frage, ob man über so ein Ereignis spaßen dürfe, nicht zu beteiligen. Die diensthabenden Moderatoren zogen sich auf ihre Weise aus der Affäre: Colbert konzentrierte sich auf die Republic National Convention und tat der »shocking attack on Saturday« nur am Rande Erwähnung; Seth Meyers leitete seine staatstragende Gesamtbetrachtung damit ein, dass die Witze erst später kommen würden, wünschte Trump und seiner Familie viel Kraft und belehrte sein schweigendes Publikum zehn Minuten lang über den Wert von Demokratie. Das ist schlicht Arbeitsverweigerung, war hier wie da mein erster Gedanke. Ich erinnerte mich daran, wie Michael Che in »Saturday Night Live« nach dem Bekanntwerden von Trumps Corona-Infektion im Oktober 2020 bemerkte, wenn der Präsident jetzt an Covid-19 sterbe, wäre das beinahe zu lustig.

Mit etwas Abstand muss ich mich fragen: Was hatte ich denn erwartet? Warum sollten satirische Fernsehsendungen in jenem Land, in dem auf als traumatisch geltende Ereignisse wie die Ermordung Kennedys, die Challenger-Katastrophe oder 9/11 nicht einmal sanft ironisch angespielt werden darf, wenn der Job behalten werden will – looking at you, Bill Maher & Gilbert Gottfried –, plötzlich freimütig über einen Anschlag scherzen, bei dem schließlich ein unschuldiger Mensch getötet wurde? Die in den Jahren zuvor angehäufte Verachtung des »soziopathischen Narzissten« (»you fucking asshole!«, John Oliver, 2016) wurde scheint’s kollektiv ausgeblendet.

Der deutsche Autor Sebastian Hotz veröffentlichte unterdessen auf seinem privaten X-Account »El Hotzo« ein Meme, das Donald Trump mit »dem letzten Bus« venn-diagrammartig gleichsetzte, weil: »leider knapp verpasst«. »Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben«, schob er später nach. Ersteres war ein (mittelmäßiger) Gag ohne politische Aussage, Letzteres eine politische Aussage ohne Gag. Dass Hotzos Arbeitgeber daraufhin die Zusammenarbeit beendete, weil die Posts »mit den Werten, für die der RBB einsteht, nicht vereinbar« seien, war da nur die passende Pointe.

Ein Scherztabu herrschte diesseits des Atlantiks also auch – wie es sich überhaupt verbat, die mögliche Eliminierung des orangefarbenen Wüterichs irgend gutzuheißen. Ein Umstand, der angesichts der wenige Tage später stattgehabten nationalen Stauffenberg-Würdigung (»Überlassen wir das Feld nicht den lautstarken Verächtern der Demokratie«; Steinmeier) mindestens festhaltenswert ist.

Und nun? Meint Ihr alter Mentz, dass eine gewisse Zurückhaltung in solchen Dingen womöglich nicht unangebracht ist. Überlassen wir die harte, die endgültige, die ggf. grenzüberschreitende Satire doch weiterhin dem Magazin, das Sie gerade lesen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Heda, »FAZ«

»Schlechte Politik verhindert Fortschritt« – das stimmt. Aber ist das nicht haargenau die Politik, für die Du immer trommelst?

Fragt schlecht und recht Titanic

 Kann es sein, Tod,

dass Du, so wie alle anderen in der Handwerksbranche auch, mit Nachwuchsmangel zu kämpfen hast? Und dass Du deshalb Auszubildende akzeptieren musst, die schon bei den Basiskompetenzen wie Lesen Defizite aufweisen?

Oder hast Du, der Seniorchef höchstpersönlich und wieder zu eitel, eine Brille aufzusetzen, am 11. August beim gerade mal 74 Jahre alten Kabarettisten Richard Rogler angeklopft? Nur, um dann einen Tag später, nachdem Dir der Fehler aufgefallen war, beim 91jährigen Bauunternehmer und Opernballbesucher Richard Lugner vorbeizuschauen?

Antwort bitte ausschließlich schriftlich oder fernmündlich an Titanic

 Etwas unklar, mallorquinische Demonstrant/innen,

war uns, warum wir Euch bei den Demos gegen den Massentourismus immer wieder palästinensische Flaggen schwenken sehen. Wir haben lange darüber nachgedacht, welchen logischen Zusammenhang es zwischen dem Nahostkonflikt und Eurem Anliegen geben könnte, bis es uns einfiel: Na klar, Ihr macht Euch sicherlich stark für eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der der S’Arenal-Streifen und das West-Malleland abgeteilt werden und der Rest der Insel Euch gehört.

Drücken die diplomatischen Daumen: Eure Friedenstauben von Titanic

 Genau so war es, lieber »Tagesspiegel«!

»Die Trauer um die Mauertoten erinnert uns daran, was es bedeutet, Hoffnung, Mut und letztlich das eigene Leben für ein Leben in Freiheit zu opfern«, mahnst Du am Jahrestag des Mauerbaus. Ja, wer kennt sie nicht, die ganzen Menschen, die die Hoffnung auf ein besseres Leben und den Mut, ihr Leben zu riskieren, längst aufgegeben haben, um dann an der Mauer zu sterben, wiederaufzuerstehen und ein gutes Leben im freien Westen zu führen? Mögen sie und Deine Formulierungsgabe in Frieden ruhen, Tagesspiegel!

Herzliches Beileid schickt Titanic

 Hello, tagesschau.de!

All Deinen Leser/innen, die von Tim Walz, der für die US-Demokraten als Vizekandidat in den Wahlkampf ziehen soll, bisher noch nicht allzu viel gehört hatten, wusstest Du doch immerhin zu berichten, er sei ein ehemaliger »Lehrer und gilt als einer, der die einfache Sprache der Menschen spricht«. Und nichts für ungut, tagesschau.de, aber dass ein Kandidat im US-Wahlkampf, ein einstiger Lehrer zudem, Englisch spricht, das haben selbst wir uns schon beinahe gedacht.

Deine einfachen Menschen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wahre Männer

Auto verkauft, weil das gute Olivenöl zu teuer geworden ist.

Uwe Becker

 Schock total

Wenn im Freibad dieser eine sehr alte Rentner, der sich beim Schwimmen kaum fortzubewegen scheint, der bei seinen zeitlupenartigen Zügen lange untertaucht und von dem man dachte, dass er das Becken schon vor langer Zeit verlassen hat, plötzlich direkt vor einem auftaucht.

Leo Riegel

 Abwesenheit

Vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich bin vom 02.–05.09. abweisend. Ab 06.09. bin ich dann wieder freundlich.

Norbert Behr

 Bilden Sie mal einen Satz mit »AKW«

Der Bauer tat sich seinen Zeh
beim Pflügen auf dem AK W.

Jürgen Miedl

 Europa aphrodisiakt zurück

Wenn es hierzulande etwas im Überfluss gibt, dann verkalkte Senioren und hölzerne Greise. Warum also nicht etwas Sinnvolles mit ihnen anfangen, sie zu Pulver zerreiben und in China an Tiger gegen Schlaffheit der Genitalien verkaufen?

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

Titanic unterwegs
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer
17.09.2024 Stadthagen, Wilhelm-Busch-Gymnasium Wilhelm-Busch-Preis Hilke Raddatz mit Bernd Eilert