Humorkritik | September 2024
September 2024
»Ich finde es erheiternd, dass wir alle keine Ahnung haben, Erklärungsversuche machen, an höhere Gesetze glauben, eine Religion suchen. Einen Sinn, einen Halt, in diesem Furz von absurdem Leben.«
Sibylle Berg
Brandt, übern Jordan geschippert
Nachdem am 1. August der legendär überdrehte Synchronisierer Rainer Brandt (u. a. »Die Zwei«) verstorben war, mangelte es nicht an liebevollen Hommagen und hymnischen, mit vielen Bonmots aus Brandt-Übersetzungen angereicherten Nachrufen. Denen habe ich wenig hinzuzufügen; außer der Anmerkung, dass Brandts Verdienste um die Satire nicht unerwähnt bleiben sollten. Denn der Verblichene war nicht nur ein vielzitierter Sprücheklopfer, er begehrte mit seiner Synchronarbeit im »Schnoddersound« auch vorbildlich gegen die Autorität des Originals auf, überschrieb leichthin die Ursprungshandlung oder fügte Text hinzu, wo keiner war. Ein auf Harry Rowohlt gemünztes Lob passt denn auch hier ziemlich gut: Studieren Sie seine Übersetzungen, denn im Original geht einfach zu viel verloren! Zur Nachprüfung empfehle ich die selbst für Brandt-Maßstäbe extravagante deutsche Fassung des Spencer/Hill-Klamauks »Vier Fäuste gegen Rio«. Setzt Terence Hill im Original seinen Kompagnon in knappen Worten darüber in Kenntnis, dass sich ein gefährlicher Rivale nähert, verdoppelt Brandt in der deutschen Fassung mal eben die Wortzahl, um auf folgenden denkwürdigen Blödsinn zu kommen: »Das ist der Chefkoch, der sich hier offenbar auf dem Teller übergeben hat. Es tut ihm leid, und da hat er ein Blümchen gepflückt, weil er grad an ’ner öffentlichen Anlage vorbeikam, gelle? Ich bin der Meinung, teurer Vetter, wir sollten den werten Chefkoch überreden, mal seinen Gewürzprüfer in das Fressen zu hängen. Dem lieben Wirt hat er auch gesagt, dass du fette Sau sowieso nichts essen brauchst, stell dir vor! Ein hochgeschossener, schlanker Mensch, nur wir müssten ihn dazu bewegen, sich mal zu verneigen, damit er vorkosten kann. Wenn er’s freiwillig nicht tut, hilft nur der Tritt in die Nüsse – tritt mal ’n bisschen nach vorn, du Bürstenbinder!« Wenn Sie also demnächst an einer öffentlichen Anlage vorbeikommen, pflücken Sie ruhig ein Blümchen – für Rainer Brandt.