Humorkritik | Oktober 2024
Oktober 2024
»Well, just being stupid and politically incorrect doesn’t work. You can be politically incorrect if you’re smart.«
Mel Brooks
Menschen wie Brot
Im festen Vertrauen, dass die »Humorkritik« mehrheitlich noch von Menschen gelesen wird, erlaube ich mir, auf eine 1890 erschienene und unlängst bei Hoffmann und Campe wieder aufgelegte Erzählung von Oskar Panizza hinzuweisen, die eine damals mehr als heute utopische Zukunft schilderte: »Wir machen Menschen, wie man Brot macht«, erklärt der Mann, der einen Besucher durch »Die Menschenfabrik« (so der Titel) führt. Der staunt erwartungsgemäß, kann sich aber die Frage nicht verkneifen: »Zugegeben; aber wozu Menschen machen, wenn sie täglich kostenlos zu Hunderten geboren werden?«
Vor über 100 Jahren waren Roboter ein Hirngespinst – und für Panizzas Ich-Erzähler auch ein fürchterlich komisches, nur mit schwarzem Humor zu ertragendes, wenn der Mann ihn in den »Vorrats-Saal meiner fertigen Menschen« führt, er von ihnen »alle menschlichen Bewegungen, Affekte, Konstellationen in Begegnungen, Stellungen usw. aufs sauberste nachgeäfft« findet und ihm versichert wird: »Wir statten unsere Menschen mit einer nach den besten Mustern hergestellten Kollektion geistiger und leiblicher Vorzüge aus«. Mit »der Unzuverlässigkeit, der Zweifelsucht« der natürlich gezeugten hat es ein erfreuliches Ende, weil man bei den künstlich fabrizierten weiß – Gentechnik und pränatale Diagnostik grüßen aus 130 Jahren Entfernung –, »was sie für Anlagen haben, welchem Temperament sie zuneigen und daß Anlagen und Temperament sich unverbrüchlich gleich bleiben«.
Nebenbei bemerkt, hat in Panizzas hellsichtiger Vision also auch der Identitätsquatsch und Essentialismus von heute seinen Platz. Ebenfalls Platz in ihr hat leider eine fade Pointe: dass sich die Menschenfabrik am Ende als Meißner-Porzellan-Manufaktur herausstellt, lässt den Leser – jedenfalls den menschlichen – ziemlich ernüchtert zurück. Eine unschöne Pointe nahm auch Panizzas Leben: Er soll – was in Kaiserreich und Weltkrieg I nicht schwer war – wahnsinnig geworden sein und starb 1921 in der Narrenfabrik, also im Irrenhaus.