Humorkritik | August 2024
August 2024
»Es gibt einen satirischen Imperativ: Man verarscht die Nashörner nicht vor einem Großwildjägerpublikum, man kritisiert nicht die Konsumverweigerer in der Shopping Mall, man rechnet den naiven Philanthropen nicht im Klub der Misanthropen ihre Widersprüche vor.«
Richard Schuberth
Was der Lama mit dem Gewehr will
2022 gelang dem bhutanischen Regisseur Pawo Choyning Dorji mit »Lunana – Das Glück liegt im Himalaya« die erste Oscar-Nominierung für einen Film aus diesem kleinen südasiatischen Land, und wie das so ist, avancierte Dorji damit zum international beachteten Nachwuchstalent. Anfang August kam sein zweiter Film, »The Monk and the Gun« (dt.: »Was will der Lama mit dem Gewehr?«), in die deutschsprachigen Kinos, und da es sich um eine Satire handelt, fällt er in mein Ressort.
Wie der Titel teilweise verrät, geht es um den Lama des Dorfes Ura, der seinem Meisterschüler Tashi unvermittelt aufträgt, zwei Gewehre zu beschaffen, er brauche diese für ein Ritual. Die Handlung spielt im Jahr 2006, kurz vor der ersten Parlamentswahl in Bhutan, und um der Bevölkerung das Wählen und die Demokratie beizubringen, ist überdies die junge Beamtin Yangden nach Ura gekommen. Genauso wie der amerikanische Waffenhändler Coleman, der ein Hunderte Jahre altes und dementsprechend wertvolles Gewehr in Ura vermutet. Außerdem spielt ein überdimensionales Phallussymbol eine Rolle sowie ein Radiergummi.
Dorji erzählt zwar grob die klassische Geschichte von einer unschuldigen, von der Moderne unberührten Bevölkerung, die nun plötzlich mit Errungenschaften wie Wahlen, Waffen und Fernsehen konfrontiert wird – tatsächlich war bis 1999 in Bhutan das Fernsehen verboten –, aber er macht sich dabei weder über die »edlen Wilden« lustig noch romantisiert er sie. Dorjis Blick auf den Wandel in seinem Land ist ambivalenter, seine Pointen findet er unter anderem in sich widersprechenden Vorstellungen von Wert und Angemessenheit: Dem alten Mann, dem das von Tashi und Coleman begehrte Gewehr gehört, ist dieses völlig schnuppe, und als Coleman ihm 75 000 Dollar dafür bietet, erwidert er, so viel Geld könne er nicht annehmen, und fordert zur Verblüffung des Amerikaners stattdessen 35 000. Schließlich schenkt er es aber, bevor der Deal zustande kommt, lieber dem Lama, der ja auch ein Gewehr sucht, als Opfergabe, wofür er von Tashi zum Dank nur eine Betelnuss annimmt.
Dorji produziert viele solcher komischen kulturellen Clashs und treibt die Sache schließlich mit der Antwort auf die titelgebende Frage auf die Spitze. Denn zum Finale finden sich die Protagonisten aller Haupt- und Nebenhandlungen zum Lama-Ritual ein. Der oberste Mönch des Dorfes will »die Dinge wieder in Ordnung bringen«; und das tut er mit zwei rechtzeitig von Coleman gelieferten AK-47 und der letzten Pointe des Films, mit der ich hier natürlich nicht herausplatze. Denn so schnell schießen die Mönche nicht – und Ihr Mentz eben auch nicht.