Humorkritik | Juni 2023
Juni 2023
»Der böse Mensch ist witzig. Seine Bosheit macht ihm Spaß, denn sie macht ihn stark, die Stärke macht ihn siegreich, das Siegen macht ihn witzig. Und die Unterlegenen kann der Böse dann zum Spaß mit seinen Witzen gut verhöhnen.«
Rainald Goetz

Ernüchternder Bob
Nachdem ich mich letzten Monat dazu bekannt habe, Fan von Bob Odenkirk zu sein, möchte ich nach Begutachtung seiner neuen Serie »Lucky Hank« einschränken: Odenkirk ist sehr wohl in allem, wo er mitspielt, gut, aber nicht alles, in dem er mitspielt, ist gut. Die achtteilige AMC-Adaption des Romans »Straight Man« (deutsch als »Mittelalte Männer« bei Dumont) von Pulitzer-Preisträger Richard Russo bietet dem nun auch schon 60jährigen Mimen ausreichend Gelegenheit, eine Menge Emotionen von Niedergeschlagenheit und Frust bis Wut und Desinteresse zur Schau zu stellen – was man halt als gescheiterter Schriftsteller und Literaturprofessor an einem prestigearmen College in Pennsylvania so empfindet. Allein, was die Essenz dieser Figur ist, das konnten mir die sechs bisher gesehenen Episoden nicht vermitteln.
Es mag der Buchvorlage (die ich nicht kenne) geschuldet sein, aber mir fehlt eine klare Darstellung des inneren Antriebs der Titelfigur, ihrer wants and needs, ihrer langfristigen Motivation. An einer Stelle sagt Hank wortwörtlich: »Woher zur Hölle soll ich wissen, was ich will?« Nur scheinbar erklärend werden uns Puzzleteile aus Hanks Vergangenheit hingeworfen: Er hatte ein prägendes Erlebnis als Jugendlicher, mit seinem Vater hat er gebrochen, seine Frau liebäugelt plötzlich mit New York, die Fachschaft fremdelt mit ihm.
Immerhin die Nebenfiguren bekommen einigermaßen interessante Handlungsbögen spendiert und lassen ihre Ziele deutlich erkennen, wobei der Upper-middle-class-Kosmos von »Lucky Hank« ein sehr spezieller bleibt. Der tweedgewandete Poetikdozent aus Portland mag da vor seinem Fairphone »So isses!« rufen, ich hingegen hatte wiederholt das Gefühl, solche »Intellektuelle in der Midlife-Crisis«-Schelmenstücke mit einem Hauch Wes Anderson schon zur Genüge gesehen zu haben (schön z.B.: »Bored to Death«, 2009–2011). Da die literarische Vorlage bereits ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat, schien es der Regie geboten, die Filmhandlung in die Gegenwart zu verlegen; das merkt man aber allenfalls an der Diversität der Charaktere sowie an vereinzelten aktuellen Anspielungen. Die fallen dafür mitunter recht lustig aus, etwa wenn der private Finanzier eines neuen Lernzentrums zufällig Jeffrey Epstein heißt (nicht verwandt) und auf prominent plazierter Prägung seines Namens besteht. Dennoch hätte ich mir ein My mehr Komik erhofft, gerade angesichts der Beteiligung von Comedy-Veteranen wie Paul Lieberstein (»The Office«, »Space Force«) und Peter Farrelly.