Humorkritik | März 2022
März 2022
»Nie zu lachen ist für mich körperlich extrem anstrengend.«
Hazel Brugger
Gulasch-Christus
Man ist nicht gut beraten, Plausibilität als Kategorie literarischer Wertung einzusetzen, man könnte dann glatt den ganzen Kafka vergessen. Zumindest sollte ein Autor es sich aber nicht zu leicht machen, sonst geht es ihm wie dem in Wien lebenden Gábor Fónyad und seinem eigentlich vielversprechenden satirischen Roman »Als Jesus in die Puszta kam« (Elster & Salis). Der handelt von einem antriebslosen jungen Mann namens Ludwig, welcher sein Dasein als Verkäufer in einem Wiener Spielwarenladen fristet (warum, ist nicht ganz plausibel), bis dort eines Tages ein rätselhafter Ungar auftaucht und ihn zunächst zu einem Treffen ins »Paprika-Stüberl« und schließlich zu einer Reise nach Ungarn auffordert. Obwohl er das gar nicht vorhatte, folgt der Held beiden Einladungen und gerät in der Puszta in einen Kreis rechtsnationaler »Urmagyaren«, die in ihm eine Reinkarnation Jesu Christi sehen (warum, ist nicht plausibel). Obwohl Ludwig nicht weiß, wie ihm geschieht, und eigentlich so rasch wie möglich wieder nach Hause möchte, bleibt er (warum, ist nicht plausibel); lässt sich ergeben instrumentalisieren und erlebt, wie sich die Szene der ungarischen Urchristen radikalisiert. Argumentativ munitioniert wird sie von einem dubiosen Professor, der weiß, dass »die Ungarn vor allen anderen Völkern da waren«. Auch ist klar, dass Gott und sogar die Außerirdischen ungarischer Provenienz sind: »Glauben Sie also keinen Märchen von grünen Marsmännchen und einäugigen Wesen mit Antennen auf dem Kopf – das sind einfach nur Ungarn«. Dennoch gibt es Zweifler, vorneweg die gleichgeschalteten »Mainstream-Wissenschaftler«, deren Aufgabe es ist, »eine antimagyarische Ideologie unters Volk zu bringen«, aber auch Wohlgesonnene haben noch die eine oder andere Frage: Zwar verfügt der »Homo hungaricus« bekanntlich über ein »spezifisches Gen, das es ihm erlaubt, mit Gott zu kommunizieren«, ob aber »Gott selber Ungarisch spreche, das müsse man noch überprüfen, meinte ein Historiker in einem Interview«.
Ich aber meine, dass solche Passagen zwar durchaus komisch sind – des Magyarentums als Krone der Menschenrasse hat sich nicht zufällig bereits der Nonsensreimer Peter Hammerschlag, 1902–1942, in seiner »Ungarischen Schöpfungsgeschichte« angenommen –, dass sie, also die Passagen, das Buch aber nicht tragen, weil all die vielen Unplausibilitäten sperrig im erzählerischen Raum herumstehen. Vor allem belegt der Roman die hinlänglich plattzitierte These, derzufolge Satire mit der Realität nicht mithalten könne. Denn wenn man ein wenig recherchiert, sieht man rasch, dass Fónyad nicht wüst drauflosfantasiert, sondern seinen absurden Kosmos auf leider seriösem Quellenstudium aufgebaut hat. Vikor Orbán und den Seinen kann man mit den Mitteln der Zuspitzung offensichtlich nicht mehr beikommen, zu »entlarven« gibt es angesichts des auf offener Bühne waltenden Wahnsinns nichts mehr. Gute Zeiten also, wenigstens für die Satire? Leider nein.