Humorkritik | November 2021

November 2021

»Die erste Satire wurde gewiss aus Rache gemacht. Sie zur Besserung seines Nebenmenschen gegen die Laster und nicht gegen den Lasterhaften zu gebrauchen, ist schon ein geleckter, abgekühlter, zahm gemachter Gedanke.«
Georg Chr. Lichtenberg

Mauland

Nun ist es auch schon wieder fast acht Jahre her, dass Angela Merkels Einschätzung, das Internet sei »für uns alle Neuland«, die Digital Natives erheiterte; jene also, die eine Welt ohne Internet, Social Media und Dutzende Passwörter nie kennengelernt haben. Immerhin das Problem der Passwortschwemme hat die Mittvierzigerin Marie in der französischen Neuland-Komödie »Online für Anfänger« behoben: sie hat sie einfach an die Innenwände von Kühlschrank und Eisfach gekritzelt.

Maries ungelöste Probleme liegen anderswo. Denn nach dem Auszug von Ehemann und Sohn ist sie auf sich allein gestellt, so job- wie mittellos, und betrinkt sich in einer Bar, wo sie von einem jungen Kleinstadt-Gigolo abgeschleppt wird, der sie kurz darauf mit einem an jenem Abend entstandenen Sex-Tape erpresst und unauftreibbare 10 000 Euro verlangt. Immerhin bleiben Marie zwei Freunde, die allerdings ebenfalls mit den Unbilden des Digitalen zu kämpfen haben: Christine ist seriensüchtig, arbeitet in einem Taxi-Start-up (»Hollywood VIP Star Cars«) und bekommt von den Fahrgästen immer negative Bewertungen (1 Stern); Bertrand ist auf Rachefeldzug gegen die Urheber einer Cyber-Mobbing-Attacke gegen seine pubertierende Tochter und verliebt sich in eine Call-Center-Stimme namens Miranda. Gemeinsam machen sie sich auf, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, und landen bei einem Hacker namens »God«, der in einem Windrad residiert. Er kann Christines Sterneproblem beheben, Marie und Bertrand aber nicht helfen: »Die Videos sind leider bereits in der Cloud, da ist selbst Gott machtlos«. Die beiden müssen es also mit dem Internetriesen persönlich aufnehmen, und zwar in Palo Alto bzw. Irland.

All das, man merkt es, ist ein bisschen hanebüchen, der Plot eine aus vielen Sketchen zusammenmontierte Nicht-Geschichte. Das wirft eine Menge unkomischer Szenen ab, aber auch ein paar komische: zum Beispiel Christines Videokonferenz mit einem indischen Klickdienstleister, der zum Beweis seiner Fähigkeiten seine Laptopkamera zur Seite dreht, wodurch ein Großraumbüro voller auf ihre Tastaturen einteufelnder, Likes und Sterne verteilender Inder sichtbar wird. Lustig auch das Gemüse-Abo beim örtlichen Biobauern, das trotz des Todes der Bestellerin weiterläuft und Bertrand in eine kürbismäßige Bredouille bringt. Leider sind diese Lachmomente selten. Wo die Co-Regisseure Benoît Delépine und Gustave Kervern (»Mammuth«) behaupten, ihre Figuren würden von der Verzweiflung an den Verhältnissen in komische Situationen getrieben, ist in Wahrheit meist deren absurde Blödheit für die Missgeschicke verantwortlich.

»Online für Anfänger« hat 2020 den Silbernen Bären gewonnen, mit über einer halben Million Zuschauer in Frankreich war es ein erfolgreicher Film. Ob die meist albernen Scherze über Nichtmehrganzsoneuland eher junge Menschen oder doch vor allem Late Adopter wie mich in die Kinos getrieben hat, weiß ich nicht; möglich, dass kinointeressierte Franzosen nach so langer Corona-Pause einfach alles weggucken, was ihnen vorgesetzt wird. In Deutschland, wo französische Komödien bekanntermaßen gut ankommen, lässt sich diese These ab 28. Oktober überprüfen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg