Humorkritik | Juni 2021

Juni 2021

»Die Ressource Humor liegt in vielen Institutionen und Unternehmen
erfolgreich brach oder bleibt unerlaubt. Das wollen wir ändern!«

Deutsches Institut für Humor

Komisches Trauern

Eine Beerdigung ist in aller Regel keine besonders komische Angelegenheit, und auch in der Kunst wird ihr zumeist mit pathetischer Ernsthaftigkeit begegnet. Schon ein wenig anders verhält sich das interessanterweise mit Trauerfeiern, die nicht selten die Bühne für komödiantische Szenen bieten. Manche Filme, wie etwa Frank Oz’ »Death at a Funeral« (»Sterben für Anfänger«, 2007), machen dieses soziale Event gleich zum Mittelpunkt ihrer Handlung. Geradezu ideal ist ein solches Setting für das Subgenre der cringe comedy, bei der unangenehme soziale Situationen mit großer Lust an fremder Scham ausgekostet werden – siehe etwa »The Office« oder »Fleabag«.

Auch »Shiva Baby«, das demnächst streambare Regiedebüt der 26jährigen Kanadierin Emma Seligman, gehört in diese Kategorie. Weshalb ihre Hauptfigur, die offen bisexuelle Collegestudentin Danielle, die narrativ ausgesparte Beerdigung gleich schwänzt und erst zur anschließenden Trauerfeier stößt. Diese ist Teil bzw. Auftakt der »Shiva«, der siebentägigen jüdischen Trauerperiode. Danielles Trauer hält sich allerdings in Grenzen, es dauert eine ganze Weile, bis sie überhaupt einmal jemanden fragt, wer denn genau gestorben sei. Dafür, dass die Veranstaltung für sie dennoch unangenehm wird, sorgen dann die noch lebenden Personen: ihre liberalen, weltoffenen Eltern, die sich sehr um die Zukunft ihrer Tochter sorgen (»You know, feminism isn’t a career«); sodann, als mittelgroße Überraschung, ihre Exfreundin Maya; und etwas später auch noch ihr Sugar Daddy Max, inklusive Ehefrau und Kind. Was folgt, ist der erwartbare zwischenmenschliche Spießrutenlauf (»Just try to behave yourself today!« – »What are you talking about, Mom? I’m not gonna blow him in the bathroom!«); verlogene Beileidsbekundungen werden abgegeben, Fotoalben durchblättert (»Oh, you guys were at the Holocaust Museum. You look so … happy«), permanent fallen die Leute Danielle ins Wort, sprechen über sie in der dritten Person, als ob sie nicht anwesend wäre, und erzählen sich gegenseitig peinliche Geschichten aus Danielles Jugend bzw. ihrer »extended awkward phase«. Dauerlieblingsthema ist aber ihr Körper, der je nach Betrachter entweder zu dick oder zu dünn ist: »You look like Gwyneth Paltrow on food stamps. And not in a good way.«

Ebenso aufdringlich wie die neugierige und distanzlose Verwandtschaft rückt Danielle dabei die Kamera auf die Pelle, so dass ihr Unbehagen beinahe körperlich spürbar wird. Überhaupt erfreut die Bildsprache, vom Spiel mit Blicken, Blickachsen bis zu dezent gesetzten Zeitlupen: Das Gefühl, in die Enge getrieben zu werden, ist allgegenwärtig, aber Danielle nimmt den Kampf um ihre (sexuelle) Selbstbestimmung auf sich, und ihr kleiner Triumph am Ende ist auch einer für alle Zuschauer, die vorher mit ihr leiden mussten.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt