Humorkritik | Februar 2021
Februar 2021
Tom verfluchte sich dafür, dass er heute so takt- und humorlos gewesen war. Alles, was er mit tödlichem Ernst betrieb, ging unweigerlich daneben.
Patricia Highsmith, »Der talentierte Mr. Ripley«
Mädchen mit Beichthemmung
»Yes, God, Yes«, im deutschen Untertitel etwas sinnlos »Böse Mädchen beichten nicht« benannt, ist der erste Langfilm der amerikanischen Nachwuchs-Regisseurin Karen Maine. Wie viele andere Filme ist auch er dem Corona-Lockdown zum Opfer gefallen; statt im Kino ist er nun also ab 29. Januar digital und ab 5. Februar als Blu-Ray und DVD erhältlich, und eine der drei Optionen möchte ich empfehlen; wenn nicht gleich alle drei.
Der Film handelt von der 16jährigen Alice, die gerade ihre Sexualität entdeckt – leider an einer katholischen Schule. Hier pocht der Pfarrer (und Lehrer) auf prüde Regeln, statt Aufklärungs- wird »Sittlichkeitsunterricht« erteilt, und zwar anhand von Küchengeräten: »Männer sind wie Mikrowellen und Frauen wie herkömmliche Backöfen. Männer brauchen nur ein paar Sekunden, wie eine Mikrowelle, um heiß zu werden, während die Damen normalerweise eine Weile vorgeheizt werden müssen.« Auch »Sex mit sich selbst« ist an einer solchen Schule selbstverständlich untersagt, schließlich können, da sind sich Lehrer und Mitschülerinnen sicher, auf diese Weise »keine Kinder nach Gottes Abbild gezeugt« werden. Derart wohlinformiert wird Alice, großartig verkrampft verkörpert von Natalia Dyer (»Stranger Things«), auf Sex-Chats im Internet, die berühmte Sex-Szene in »Titanic« und erste Lusterfahrungen losgelassen; sie gerät in die Wonnen der Selbstbefriedigung, eine vermeintliche Affäre mit einem Mitschüler und verguckt sich auf einer katholischen Ferienveranstaltung in den örtlichen Football-Star (der die Mikrowellenmetapher übrigens später unfreiwillig bestätigt).
Praktisch jede Szene in »Yes, God, Yes« ist komisch, weil die Anlage komisch ist: Eine Teenagerin, die mit großen Augen eine Welt entdeckt, die vor ihr verborgen werden soll, und sich weder von Strafen noch der angedrohten ewigen Verdammnis davon abhalten lässt. Regisseurin Maine weiß um den Witz dieser katholischen Zwickmühle und inszeniert ihre kleine Geschichte unprätentiös und maximal unerotisch. So werden internetfähige Computer, vibrierende Telefone und haarige Männerarme zu Objekten der Begierde, während die frigide religiöse Welt rund um Alice – der Film spielt um die Jahrtausendwende – geradezu umwerfend lächerlich und anachronistisch wirkt. Da erscheint eine saufende Motorradrockerin in einer verrauchten Lesbenbar wie die einzige vernünftige Erwachsene weit und breit.
Eine sehr hübsche Randerscheinung noch: »Yes, God, Yes« hat im englischen Original einen Vorspann. In diesem wird zunächst aus der Offenbarung des Johannes zitiert: »But the fearful, and unbelieving, and the abominable, and murderers, and whoremongers, and sorcerers, and idolaters, and all liars, shall have their part in the lake which burneth with fire and brimstone: which is the second death.« Darauf folgen im Stil von Wörterbüchern weitere Einblendungen: »tossed salad – noun – A salad made of greens, often with added vegetables, tossed in a dressing« und »salad tossing – verb – A sex act involving the mouth and the buttocks«. Dieser im Englischen gebräuchliche Ausdruck spielt im Film später eine Rolle, und so schön die Idee ist, Offenbarung auf Offenbarung folgen zu lassen, so noch viel schöner ist die Vorstellung, wie die hiesigen Übersetzungsbeauftragten daran verzweifelten, »salad tossing« angemessen ins Deutsche zu retten. Heraus kam dann die mir vollkommen unbekannte Bezeichnung: »jemandem die Sahne schlagen«. Und das klingt einerseits so lustig unbeholfen und hat so gar nichts mit dem eigentlich gemeinten Arschlecken zu tun, dass ich mich gleich nochmal gefreut habe und mir von dem neuen Jahr unbedingt mehr von alledem wünsche.