Humorkritik | Februar 2021

Februar 2021

Tom verfluchte sich dafür, dass er heute so takt- und humorlos gewesen war. Alles, was er mit tödlichem Ernst betrieb, ging unweigerlich daneben.
Patricia Highsmith, »Der talentierte Mr. Ripley«

Die Komik des Kitzels

Die Beschäftigung mit dem Komischen bespielt ein weites Feld, das manch merk- und denkwürdige Blüte hervorbringt, vor allem an den Rändern. Dort ist zweifellos auch Christian Metz’ 640 Seiten starkes Buch »Kitzel. Genealogie einer menschlichen Empfindung« (Klett-Cotta) anzusiedeln, wobei mich das Umschlagfoto, welches den von einer herben Blondine durchgekitzelten, heftig lachenden Stan Laurel zeigt, zunächst auf eine erbauliche Unterhaltung verheißende Erwartungsspur lockte. Schon bald schwante mir aber, dass es sich mit diesem Buch ähnlich verhalten würde wie mit anderen Fachwerken: Lachwerke sind das selten.

Kapitelüberschriften wie »Hegel oder der Kitzel als das ›unthätige überhaupt‹« oder »Descartes’ und Spinozas titillatio: Es kitzelt, also bin ich« hätten mich vorwarnen können, dass es hier auf leicht skurrile Weise ausgesprochen ernst zugeht. Es bedurfte denn auch nicht erst Metzens Erklärung, »der Kitzeldiskurs« berühre sich nur »gelegentlich mit den Theorien und Erzählungen des Komischen, nimmt aber einen vollkommen eigenständigen Verlauf«, um mir klarzumachen, dass auch meine Lektüreerfahrung einen unerwarteten Verlauf nehmen würde: Zusehends stärker wurde mein Eindruck, es bei diesem zweifellos kenntnis-, fakten- und gedankenreichen Werk mit einem unfreiwillig komischen Text zu tun zu haben. Dessen hochgetuntem Jargon zudem wissenschaftssatirisches Potential innewohnt – etwa wenn Metz sagt, dass sich in jeder »Kitzelweise« das »Individuelle mit der allgemeinen narrativen Syntax und Grammatik des Kitzelns« überlagere und es deshalb sinnvoll sei, »die topischen Erzähleinheiten zu erarbeiten und zu deuten, welche den Kitzel in historischer Variabilität prägen«. Worauf er sich aufmacht, »Kitzelwissen und -geheimnisse« eingehend zu analysieren und zu offenbaren, beginnend mit Aristoteles, welcher »das Lachen konsequent von der Kitzelberührung aus« gedacht und »das Kitzeln als soziales Phänomen« entdeckt habe, über Grimmelshausen bis zu Jean Paul, der erkannt haben soll: »Das Komische in der Kunst kann den geistigen Kitzel bis an die Nähe des geistigen Schmerzes führen. Der geistige Kitzel erregt den Verstand, indem er ihn berührt«.

Meinen Verstand hat dieses sonderbare Kitzelkompendium hingegen nicht erregt, sondern auf Lesedauer eher ermüdet. »Wer wissen will, was die Grundelemente des Menschseins ausmacht, muss den Kitzel in Augenschein nehmen«, behauptet Metz. Das Gegenteil behauptet Mentz.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt