Humorkritik | Februar 2021

Februar 2021

Tom verfluchte sich dafür, dass er heute so takt- und humorlos gewesen war. Alles, was er mit tödlichem Ernst betrieb, ging unweigerlich daneben.
Patricia Highsmith, »Der talentierte Mr. Ripley«

Die Bosheit ist echt

In ihrer Phantastik und Maßlosigkeit (auf ein Okapi oder Seepferdchen muss man schließlich erst mal kommen) lädt die Schöpfung naturgemäß zur Nachahmung ein: Jedes nach eigenem Gutdünken Tiere malende Kind ergeht sich in entsprechender Allmacht, und auch Künstler tun das: Mir fällt Kurt Halbritters »Tier- und Pflanzenwelt« ein, in der sich ein »Schlappschwanziger Hodenpimmler« herumtreibt. Das waren andere Zeiten (1975), da machte man so was.

Noch weiter zurück liegen die Zeiten des Briten V.C. Vickers (1879-1939) und seiner ganz eigenen Vogelwelt, die im November 2020 erstmals dem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht wurde (»Das Buch der schrägen Vögel«, Reclam). Vickers, himself ein schräger Vogel, laut Nachwort nämlich »Wirtschaftsfachmann«, Banker und Kritiker der »herrschenden Geldpolitik«, erfand darin in wilden bunten Bildern Vögel, die »Großer McDoo« heißen, »Schwabbelzehe« oder »Weichnasiger Wollop«. Sie leben im Garten des »grässlichen Google« (»That horrid Google«, wie prophetisch!), dessen Name auf das »googling« genannte Glucksen von Babys zurückgehen soll. Und sie sind schwer einzuschätzen, diese Vögel: »Manche sind zwar hässlich, aber sehr nett; andere sind zwar schön, aber verhalten sich hässlich«, warnt Vickers im Vorwort seine Leser- und Betrachterschaft.

Das eigentlich Komische an diesem zuerst 1913 in einer Auflage von 100 Exemplaren erschienenen »Google Book« besteht darin, dass Vickers es als Kinderbuch gedacht hat; zunächst für seine eigenen, dann aber für alle Kinder, und zwar ausgerechnet solche, die »schon beinah – aber noch nicht ganz – schlafen«. Merkwürdig, was englische Erwachsene ihrer Brut an Gute-Nacht-Lektüre zugemutet haben. Wer mit bösen Biestern wie der »Nachthex« (»The Night-Witch«) einschläft, muss zwangsläufig einen gesunden Zugang zum Makabren entwickeln und vielleicht sogar jenen Humor, der uns heute als »britischer« bekannt ist. Ich denke bei Vickers allerdings eher an Lewis Carrolls literarische Gemeinheiten als an Edward Lear, dessen Nonsens-Verse der Übersetzer und Nachwortautor Harald Beck als Vergleichsgröße heranzieht. Zwar reimt auch Vickers, aber so lustig wie behauptet finde ich seine Lyrik nicht, selbst wenn es sich beim bedichteten Vogel um einen »Ha! Ha!« (»The Ha! Ha!«) handelt: »Dieser Großschnabel mit dem Säufergesicht / (Er allein überlebt, kein anderer nicht), / Der lacht sich schief, seine Bosheit ist echt, / Denkt er an sein längst erlosch’nes Geschlecht.« Das rumpelt auf Deutsch ein wenig umständlich; aber weil das Buch zweisprachig ist, kann man auch das Original lesen: »This big billed bird with the bibulous face / (The sole survivor of his race) / Laughs and laughs and chuckles with glee, / When he thinks of his long lost family.« Das ist natürlich schwer zu übersetzen, aber im Original ist es allein wegen der Alliterationen etwas komischer, ist es nicht? Ich frage bei Gelegenheit einmal ein englisches Kind, kein anderes nicht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg