Humorkritik | Februar 2020
Februar 2020
Aber das Leben ist im Grunde so fatal ernsthaft, daß es nicht zu ertragen wäre ohne solche Verbindung des Pathetischen mit dem Komischen. Das wissen unsere Poeten.
Heinrich Heine
Leider perfekt
Der zuschauerstärkste deutsche Film des vergangenen Kinojahres 2019 ist bekanntlich ein Remake: Das italienische Original »Perfetti Sconosciuti« wurde seit 2016 schon mehrmals gecovert. Die Figurenkonstellation bleibt überall gleich: Sieben Personen, drei Paare und ein Single, treffen sich aus Anlass einer totalen Mondfinsternis zum Abendessen und lassen sich auf ein gefährliches Spiel ein: Sieben Handys kommen auf den Tisch, was die Beteiligten an privaten Botschaften erreicht, wird öffentlich. Im Verlauf des Abends führt das zu mehr oder minder peinlichen Enthüllungen, die folgerichtig in Zerwürfnissen enden müssten. Alles in allem ein spießbürgerliches Trauerspiel.
Die deutsche Fassung »Das perfekte Geheimnis« ist die elfte Adaption und die bislang erfolgreichste. Das hat mehrere Gründe: Anders als z.B. in der französischen Fassung, die derzeit bei Netflix online ist, schafft der erste Eindruck Vertrauen in die alles wieder gutmachende Kraft der Komödie; die bekannten deutschen Gesichter wirken allein schon durch die schmeichelhafte Beleuchtung durchweg attraktiv und sympathisch. Der Autor und Regisseur Bora Dagtekin hat sich für das übernommene Setting eine Rahmenhandlung ausgedacht, die die drei weiblichen Figuren den vier männlichen lediglich zu- und unterordnet sowie der konformen Kerngeschichte ein Ende anhängt, das fast alle Verwerfungen oberflächlich glättet, Kritik auf Gemeinplätze beschränkt und den Zynismus des Originals weichspült. Zuflucht bietet Dagtekin seinen Figuren dabei in tradierten Rollen: Wenn aus allen Frauen gute Mütter werden, ist das Ziel erreicht – während die Männer sich in pubertäre Strolche zurückverwandeln dürfen, die sogar ihrem Single sein Schwulsein verzeihen. Happy End.
Dass die deutsche Fassung komischer ist als andere, will ich nicht verschweigen. Froh hat sie mich aber nicht gemacht.