Humorkritik | Februar 2020

Februar 2020

Aber das Leben ist im Grunde so fatal ernsthaft, daß es nicht zu ertragen wäre ohne solche Verbindung des Pathetischen mit dem Komischen. Das wissen unsere Poeten.
Heinrich Heine

Ein Quantum Endorphin

Wenn ein Buch nicht nur sehr gut »Das lachende Gehirn« benannt ist, sondern mir auch noch per Untertitel zu erklären verspricht, »Wie Lachen, Heiterkeit und Humor entstehen« (Verlag: Schattauer), dann beiße ich als Humorkritiker natürlich an. Hirn, was begehrst du mehr, als dass dir ein »Arzt für Neurologie und Psychiatrie«, Herr Reiner W. Heckl, die »biologischen Grundlagen« deiner Erheiterung beibringt?

Dabei registriere ich zunächst erfreut, dass Heckl versucht, Ordnung in die Begriffe zu bringen. Zynismus, Ironie und Sarkasmus sind ihm nicht eins – auch wenn es mit dem Kategorisieren dann doch etwas hapert: »Der Zynismus ist eine besonders bissige und unverschämte Art des Ausdrucks, die fast immer gegen Anstand, Sitte oder Moral verstößt.« Dem folge ich ebensowenig wie einer anderen steilen Behauptung: dass Christus »jemanden hätte auslachen können, ist auch nicht vorstellbar«. Für mich eigentlich schon; aber mir müsste Heckl auch nicht erst umständlich erklären, was eine Metapher ist, und seine Witzbeispiele möglichst betulich »übersetzen«. Wenn ich einmal unter schwerer Langeweile leiden sollte, werde ich nachzählen, wie oft Heckl seinen Lieblingsbegriff unterbringt: Inkongruenz. Denn der Mensch lacht, so die Kernthese, wenn ihm die »Auflösung der Inkongruenz in der Pointe« begegnet: aus Erleichterung, weil sich eine bedrohliche Situation als harmlos entpuppt. Dasselbe passiert beim Kapieren eines Witzes (was keine Selbstverständlichkeit ist, denn siehe: »Insiderwitze sind dem ›Outsider‹ oft völlig verschlossen«!). All dies ist ebensowenig neu wie Heckls Vermutung, Lächeln, Lachen und die Fähigkeit, andere zu erheitern, seien dem Menschen zum entscheidenden evolutionären Vorteil geworden, weil gemeinschaftsstiftend und so weiter.

Was aber hat all das nun mit dem Gehirn zu tun? Dort wird, »über Dopamin vermittelt«, dem Nucleus accumbens als Belohnung und Lustgewinn »ein Quäntchen Endorphin vermittelt«. Mit solcherlei Botenstoffausschüttungen bzw. deren Nichterfolgen wird, wenn ich’s denn richtig verstehe, heutzutage so allerlei erklärt, ob Depression, Liebe oder der Umgang mit Komik. Heckl kann dank diverser wissenschaftlicher Methoden, etwa »mit den modernsten kernspintomographischen Geräten«, zeigen, welche Hirnregionen angesprochen werden, wenn wir lachen. Sind die dort durch das Lachen ausgelösten Prozesse aber nicht eher die biologischen Folgen des Humors als dessen Grundlagen? Und was für einen Erkenntnisnutzwert haben all die Botenstoffbotschaften? Offensichtlich noch keinen großen, denn immer wieder muss Heckl zugeben, dass wir noch nicht viel wissen: »Schon lange sucht man im Gehirn nach einem Humorzentrum, bisher vergebens«. Solange die Hirnforschung noch nicht weiter ist, halte ich es mit Ambrose Bierce, der in seinem »Wörterbuch des Teufels« meinte, das Gehirn sei eine »Vorrichtung, mit der wir denken, wir dächten«. Diese Definition scheint meinem Humorzentrum, versteh’s, wer will, zu gefallen.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt